Abschied vom Verwaltungsdirektor

"Heute stehen wir besser da als vor drei Jahren"


Der "Wechsel ist keine Flucht" kommentierte Helmut Schüttig sein Ausscheiden aus dem Universitätsklinikum Benjamin Franklin, dessen Strukturen er über die letzten zwölf Jahre maßgeblich mitgeprägt hat.

Am 27. März wurde der Verwaltungsdirektor feierlich verabschiedet. Das Aufgebot der Würdigungen war groß und wurde vom Staatssekretär aus der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur, Prof.Dr. Erich Thies, eingeleitet.

Helmut Schüttig ist bereits seit 1. Januar 1998 Verwaltungsdirektor des Klinikums der Medizinischen Universität zu Lübeck, das zum 1.1.1999 verselbständigt wird. Am 31. März endete seine Amtszeit im Steglitzer Universitätsklinikum.

Im folgenden Interview zieht Helmut Schüttig Bilanz und gewährt einen Ausblick nach vorn.

Das UKBF wird 30. Nahezu die Hälfte seines Bestehens haben Sie begleitet. Welches sind Ihre Erfolge?

In den letzten Jahren sind wichtige Aufgaben erfolgreich erledigt worden: die Integration, von der Zahnmedizin über die Grundlagenmedizin bis zur Psychiatrischen Klinik, die ehemaligen Zentralen Tierlaboratorien (ZTL), das ehemalige US-Hospital, die Neustrukturierung und Schwerpunktbildung, die Bettenreduktion. Wo anders passiert das noch, daß gleichzeitig erhebliche Bettenabsenkungen, nämlich 309 von 1995 bis 1998, Budgetkürzungen von über 40 Mio. Mark sowie Zuschußkürzungen von 25-30 Mio. Mark, also gleichzeitig an beiden Finanzierungsquellen, bewältigt werden? Und das ohne erhebliche Jahresverluste - 1996 waren es 1,3 Mio Mark, für 1997 rund 12 Mio. Mark Verlust. Das ist immer noch ein hervorragendes Ergebnis.
Was hier in den letzten drei Jahren heruntergespart und an Veränderungsprozessen bewältigt werden mußte, ist vielleicht der größte Veränderungsprozeß einer Uniklinik im Bundesgebiet, mal abgesehen von Charité und Virchow-Klinikum. Gleichzeitig ist der Bereich der Forschung stark ausgeprägt worden, mit einem hohen Drittmittelvolumen von 38,7 Mio. Mark für 1997 und zwei Sonderforschungsbereichen. Trotz aller Angriffe von außen haben wir unseren Status als Uniklinik, zumindest über die Forschung definiert, gestärkt und sind aus meiner Sicht da heute unangreifbar geworden. Und: Wir sind eindeutig wirtschaftlicher geworden.
 
Am 25. März wurde Helmut Schüttig (hier mit FU-Kanzler Wolf-Dietrich von Fircks) als Verwaltungsdirektor des Fachbereichs Humanmedizin feierlich verabschiedet (Foto: Hans Weidemann).

Wo sind Sie an Grenzen gestoßen? Welche Dinge hätten Sie gerne weiter vorangebracht?

Es ist mir nicht gelungen, in der Öffentlichkeit, speziell in der Politik, den Stellenwert des Klinikums genügend "rüberzubringen" und die wirtschaftliche Belastung des UKBF ausreichend klarzumachen. In der Politik liegt offensichtlich die Präferenz darin, im Osten mehr zu tun als im Westen. Ich hätte mehr tun müssen, um mehr Investitionsmittel zu realisieren als die 22 Mio., die wir außerhalb des Landeszuschusses bekommen werden. Von der Senatsverwaltung für Wissenschaft und Forschung wird aber inzwischen auch anerkannt, daß wir in den nächsten Jahren 220 Mio. Mark für die Sanierung nötig haben, in den nächsten vier, fünf Jahren 80 Mio. Mark dringend brauchen.
Ein interner Punkt ist eine bessere gemeinsame Organisationsstruktur für den ärztlichen Dienst, Pflegedienst und die Verwaltung. Momentan haben wir viele gemische Stationen, in denen medizinische Abteilung und Pflegestation nicht deckungsgleich sind. Das ist schwierig, wahrscheinlich für die Pflegekräfte noch schwieriger als für die Ärzte. Aber auch für die Verwaltung im Sinne klarerer Kostenstellenzuordnung, Planung und Steuerung der stationären Leistungen, des Personal- und Sachaufwands. Meine Initiativen in den letzten Monaten gingen dahin, das zusammenzuführen. Das ist mir so nicht gelungen.
 

Bettenabbau, Stelleneinsparungen, Überhang, Konkurrenzdruck - woher sollen die MitarbeiterInnen ihre Motivation nehmen?

Zunächst einmal haben wir die Veränderungsprozesse hervorragend überstanden - mit der Hilfe aller Mitarbeiter -, und wir sind in keinem riesigen finanziellen Verlust gelandet. Die Institution Klinikum überlebt. Das muß unser gemeinsames und erstes Ziel sein und bleiben. Heute stehen wir im Grunde viel besser da als vor drei Jahren.
 

Der Umwandlungsprozeß des UKBF ist in vollem Gange. Können sie die wichtigsten aktuellen Veränderungen beschreiben.

Wir haben einen Bettenabbau von 20%, unsere Belegung ist etwa um 20% reduziert, aber unsere stationäre Fallzahl geht nur um 8% zurück, da tut sich eine Schere auf. Gleichzeitig reduziert sich die Verweildauer auf 10,6 Tage. Damit ist die Arbeitsbelastung höher, gerade für Ärzte und Pflegepersonal. Stellt sich die Frage für die Zukunft: Können wir das so durchhalten? Da habe ich auch meine Zweifel. Wir muten den Mitarbeitern möglicherweise zu viel zu.
Es gibt drei Grundgedanken für den Veränderungsprozeß: strukturelle Anpassung, mengenmäßige Anpassung, allgemeine Ökonomisierung. Zunächst stellen wir unsere gesamte Aufbauorganisation in Frage. Dazu haben wir die Firma Schitag, Ernst & Young mit der Strategieentwicklung beauftragt. Vor der Sommerpause wird es erste Ergebnisse geben müssen: ein Stärken- und Schwächenprofil, resultierend aus der Bewertung aller wissenschaftlichen Einrichtungen (WE) in Krankenversorgung, Forschung und Lehre. In einer zweiten Phase wird es zu einem Umsetzungsszenario in den WE's kommen: einige werden kleiner, einige auf ein Minimum reduziert, einige gestärkt.
Daneben muß der mengenmäßige Aspekt in der Krankenversorgung überdacht werden. Ein Stichwort: der Bereich ZOP. 1997 lag die Zahl der Operationen bei 20.900, ein Rekord der letzten fünf Jahre. Das geht so nicht weiter. Wir müssen reduzieren: bei den stationären Fallzahlen und in den zentralen Leistungsbereichen Labor, Radiologie, Anästhesie.
Ein Beispiel für den Aspekt der allgemeinen Ökonomisierung ist die GmbH-Bildung. Wir haben angefangen, die Bereiche Reinigung, Sterilisation, Küche, Wäscherei in eine Tochtergesellschaft zu übergeben. Das bringt eine Durchökonomisierung von mindestens 2 Mio. Mark bis zum Jahre 2000. (in welchem Zeitraum). Im Zuge dieser Dienstleistungs GmbH werden wir außerdem das Dezernat V aufgeben müssen.
 

Werden in die Strategieentwicklung ausschließlich Wissenschaftliche Einrichtungen einbezogen?

Nein. In Phase II folgt eine allgemeine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung, da wird auch die Verwaltung einbezogen. Phase III beinhaltet den Prozeß der Dezentralisierung. Das heißt, die Beziehungen zwischen dem Klinikumsvorstand und den Abteilungen erhalten mehr strategische Dimensionen, werden mehr über Zielvereinbarungen und Verträge geregelt.
Mit all diesen Prozessen bringen wir eine neue Dynamik in das UKBF. Wir treiben die Forschung voran - und was immer wichtiger wird: Wir wollen die Patientenbehandlung besser unterstützen, von allen Seiten.
 

Lassen sich betriebsbedingte Kündigungen ganz vermeiden?

Man kann sie nicht ausschließen, sollte es aber. Die Leistungsseite muß ausgeprägt werden, aber der soziale Ausgleich muß auch da sein. Kriegerische Parolen machen keinen Sinn. Aber einfach zu sagen, wir schließen das aus, halte ich für keine verantwortliche Position.
 

Wie sieht Ihrer Meinung nach das UKBF 2000 aus?

Wir werden eine neue Struktur haben, die leistungsbezogener, forschungsintensiver sein wird. Unsere Drittmittel werden sich auf 45 Mio. Mark weiterentwickeln. Der Bettenabbau ist im wesentlichen erledigt - mit 1225 Betten sind wir bundesweit bereits am Ende der Skala. Der Anteil der Patientenversorgung für Brandenburg wächst deutlich, gerade für unser Haus.
Es wird eine engere Kooperation mit dem Oskar-Helene-Heim geben, wenn der Neubau dort steht, etwa im Jahr 2002. Dann werden wir die 115 Betten der HNO und der Kiefer- und Gesichtschirurgie dorthin verlegen.
Danach werden wir den Standort US-Hospital abgeben müssen. Eine bedauerliche Geste, auch gegenüber den Amerikanern. Dieses Klinikum hat mit den Amerikanern viel zu tun, deshalb haben wir das US-Hospital 1994 übernommen.
Was das Gutachten für die Krankenhausplanung in Berlin erbringen wird, ist noch offen. Ob der Gesamtumfang der Hochschulmedizin so bleibt, da habe ich
Zweifel, die aber nicht Steglitz betreffen.
Die DienstleistungsGmbH wird voll arbeiten. Über ihre krankenhausspezifischen Dienstleistungen hinaus ist als weitere Perspektive eine gemeinsame GmbH von Freier Universität und Universitätsklinikum Benjmamin Franklin denkbar. Das bedeutet einen weiteren Dienstleistungsschub, der die Verwaltung verkleinert.
Insgesamt wird die Klinik im Jahr 2000 ein Stück kleiner sein als heute. Der neue Bezirk Steglitz - Zehlendorf und der Umzug des Bundestages ab 1999 fordern das in jeder Beziehung leistungsbereite Universitätsklinikum Benjamin Franklin noch mehr.

Das Interview führte Felicitas Wlodyga


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