Inbetriebnahme des US-Hospitals

Rauchwolken am Planungshorizont


US-Army Hospital im November 95: Die Weltuhr in der Eingangshalle kündet noch von dem seitens der Amerikaner aufgegebenen Klinikbetrieb, der bereits am 15. Juli 94 vom Universitätsklinikum Benjamin Franklin übernommen wurde. Doch erst seit vier Wochen deuten nun erste, zaghafte Zeichen, die Wegweiser zur "Abteilung für Audiologie und Phoniatrie", zur "Lehranstalt für Logopäden" und zur "Poliklinik für Stimm- und Sprachkranke" darauf hin, daß drei Einrichtungen des Steglitzer Klinikums hier Platz fanden. So mancher Kliniker fragt sich, warum die Uhren für weitere Umzüge zur Behebung der Platznot im Mutterhaus deutlich langsamer ticken als erwartet.

Die amerikanischen Militärs vermachten dem Klinikum neben dem Hausschlüssel auch eine problematische Hinterlassenschaft. Was zunächst als "Silberstreif" am Planungshorizont (vgl. Klinikumschau 2/95) erschien - der erste Eindruck eines "intakten Krankenhausbetrieb(es), der ohne wesentliche Änderungen für die dringend nötige Erweiterung des UKBF nutzbar ist" - verdunkelte sich zusehends zu einer "Rauchwolke".

Der bis zur Schlüsselübergabe "unbekannte Baukörper" wartete mit immer neuen "Überraschungen" auf (Verwaltungsdirektor Helmut Schüttig). Die haustechnische Durchleuchtung des Hospitals wurde zur 'chronique scandaleuse'. Mangelhafter Brandschutz bei der Entrauchung und 'umweltfressende' Beheizungsanlagen ließen deutsche Ingenieure staunen. Auch das Schreckgespenst "Asbest" verschonte das US-Hospital nicht.

Ein Blick in das Protokoll des Steglitzer Bau- und Wohnungsaufsichtsamts zur behördlichen "Brandsicherungsschau" am 27. und 28.9.94 fördert die Ursachen zutage. Es bestätigt zwar, daß die amerikanischen Bauherren den Berliner Behörden ihre Pläne vor Baubeginn vorlegten und einen Zustimmungsbescheid (16.10.1972) erhielten, aber es belegt auch, daß vier Jahre später kein Zugang für eine Bauabnahme gewährt wurde. Der Arm der deutschen Gesetze und Aufsichtsämter endete also vor dem Schlagbaum am militärisch bewachten Eingang. Die Amerikaner arbeiteten jahrelang ohne "ordnungsbehördliche Genehmigung". Die US-Army nutzte das Haus ohnehin nur zu etwa 40 % aus. Lediglich 90 von 200 Betten wurden belegt. Das dritte Stockwerk befindet sich seit 20 Jahren im Rohbauzustand.

Nun aber muß das UKBF mit zwanzigjähriger Verspätung erstmals um die gesetzliche Abnahme des Gebäudes bei den zuständigen Bezirks- und Senatsstellen nachsuchen - und ausbaden, was durch das Besatzungsstatut bedingt ist. "Wir weisen darauf hin", heißt es im Schreiben der Bauaufsicht vom 29.9.94, "daß die Inbenutzungnahme des Krankenhauses eine Genehmigung der Senatsverwaltung für Gesundheit voraussetzt". Fazit der Bauaufsicht: eine opulente Liste mit rund 30 Sicherheitsauflagen, durchweg starke substantielle Mängel. Außerdem forderte das Bezirksamt ein rundes Dutzend Gutachten vom Klinikum, unter anderem Stellungnahmen zur Sicherheit von Blitzableitern, Elektroinstallationen und Lüftungsanlagen für die Entrauchung.

In diesem Zusammenhang erklärt sich auch, warum der Bezug der neuen Räume durch die ersten Abteilungen des Klinikums nur ein "Interim", also eine Zwischenlösung ist. Die neuen Nutzer bezogen insgesamt 1.450 qm, verteilt auf das Erdgeschoß und die 3. Etage. Dafür wurden Räume mit Fenstern ausgesucht - in diesem Haus leider keine Selbstverständlichkeit -, weil nur sie die Entrauchung im Brandfall sicherstellen.

Anstatt auf Umzug mußte das Universitätsklinikum Benjamin Franklin auf Umbau schalten. Resultat ist ein "Bedarfsprogramm" mit einem Bauvolumen von 56,8 Millionen Mark. Eine Summe, die den Etat des Klinikums weit übersteigt und das Bauprojekt zum Gegenstand der Landesfinanzplanung macht. Angesichts der hohen Staatsverschuldung des Landes Berlin ein Politikum. Noch dazu vor dem Hintergrund, daß eine von Bonn ausgesprochene Haushaltssperre nur um Haaresbreite abgewendet werden konnte. Ende Juni '95: Der Klinikumsvorstand erfährt von Wissenschaftssenator Erhardt, daß eine Finanzierung für Umbaumaßnahmen am US-Hospital nur in einem Zwei-Stufen-Modell möglich wäre: mehr als 25 Millionen Mark kann der Senat in der nächsten Haushaltsperiode (1997-2001) nicht investieren. Der Differenzbetrag von 31,8 Mio. Mark kann nur in einem zweiten Finanzierungsschritt (2001-2005) aufgebracht werden.

Doch eine sukzessive Finanzierungslösung offenbart bei näherer Betrachtung einige Tücken: Denn, wenn die Zeit bis zur vollständigen Inbetriebnahme des Gebäudes auf zehn Jahre gestreckt würde, entständen gigantische Folgekosten.

Bis zum geplanten Abschluß der ersten Baustufe müßten etwa acht Neuntel der verbleibenden Fläche leerstehen und dennoch bewirtschaftet, also geheizt, gelüftet, gereinigt usw. werden. Kostenpunkt: knapp vier Millionen Mark pro Jahr. Summa summarum entständen bis zum Abschluß der ersten Baustufe in sechs Jahren Kosten von rund 25 Mio Mark. Das sind 40% zusätzliche Kosten, gemessen an der geplanten Gesamtinvestition in Höhe von 56,8 Mio. Mark. Mit anderen Worten: Die ohnehin bestehende Geldknappheit würde durch die Finanzierung des Leerstands noch größer.


Krankenbetten aus dem Fundus des US-Hospitals, Wer wird sie nutzen?

Aus diesem Dilemma sucht die Klinikumsverwaltung gemeinsam mit den Dezernaten IV (Haus-und Grundstücksverwaltung) und VI (Technik und Bau) des Klinikums und mit der beauftragten Projektsteuerungsfirma im Augenblick fieberhaft nach einem Ausweg. Verschiedene Konzepte sind im Gespräch. Verwaltungsdirektor Helmut Schüttig erwägt eine Doppelstrategie von vorgezogener Baufinanzierung und schnellstmöglicher Reduzierung der leerstehenden Fläche in der Fabeckstraße.

Unter dem Stichwort "vorgezogene Baufinanzierung" will Schüttig mit dem Senat über ein alternatives Finanzierungskonzept verhandeln.Und das sähe so aus: Bis die Gelder aus dem Landeshaushalt rollen, also bis 1997, könnte das Haus "im Rahmen einbehaltener Sparbeträge eine Vorfinanzierung leisten, welche dann später mit den Landesmitteln verrechnet wird". Kurz: was heute gespart wird, soll nicht zuerst ins Staatssäckel kommen, um zwei Jahre später von dort zurückgebucht zu werden, sondern soll sofort in das Bauprojekt investiert werden. Doch droht die ganze schöne Idee schon jetzt wieder zurück ins Reich der Utopie zu entweichen: Durch die massive Streichung von Landeszuschüssen wird Schüttig die Sparbeträge wohl anderweitig verwenden müssen.

Auch zum zweiten Stichwort "weitere Interimsnutzungen" gibt es konkrete Pläne: Wenn die Ordnungsbehörde mitspielt, könnten die Räumlichkeiten des US-Hospitals gleichzeitig umschichtig genutzt und saniert werden, vergleichbar der Instandsetzung einer bewohnten Wohnung. Zumal, wie Schüttig weiß, "die Kassen bereit sind, 2,7 Millionen Mark im Jahr im Falle einer stationären Versorgung dazuzuschießen".

So schlägt der stellvertretende Ärztliche Direktor, Prof. Henning Rüden, ebenfalls Verfechter einer "abgespeckten" Lösung, vor, die beiden sofort funktionstüchtigen Operationssäle des Hospitals zu kleineren Eingriffen heranzuziehen. Die baldige Aufnahme eines Bettenbetriebes könnte das Dilemma also beseitigen helfen.

Sylvia Zacharias


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