Medizinstudium im Ausland
Berliner Studentenleben - toll und locker
Elin Bjelland (22) aus Norwegen und Erika Recio Ahrendt (23) aus Spanien sind Teilnehmerinnen des ERASMUS-Programms und studieren seit dem Wintersemester am Universitätsklinikum Benjamin Franklin. Sie berichten über ihre Eindrücke und Erfahrungen nach zwei Monaten in Berlin. Das Interview führte Dietmar Krähmer.
?Wo habt ihr bisher studiert?
Erika: Ich studiere im 5. Studienjahr Medizin an der Universität in Madrid. Wir sind ungefähr 200 Studenten pro Jahr, also etwas weniger als hier.
Elin: Ich studiere an der vor vier Jahren neugegründeten Medizinischen Fakultät in Trondheim. Es ist ein kleiner Fachbereich mit nur 60 Studenten in jedem Semester. Wir studieren nach dem POL-System (problemorientiertes Lernen, Anm. der Red).
?Wie habt ihr Deutsch gelernt?
Elin: Wie viele Norweger habe ich Deutsch als 2. Fremdsprache in der Schule gewählt.
Erika: An meinem Namen kann man schon erkennen, daß ich aus einer spanisch-deutschen Familie stamme. Ich war in einem Internat bei München, und später habe ich die deutsche Schule in Madrid besucht.
Erika Recio Ahrendt (23, links im Bild) aus Spanien und Ellin Bjelland (22) aus Norwegen studieren am Universitätsklinikum Benjamin Franklin.?Welchen Eindruck habt ihr vom Studium am Klinikum Benjamin Franklin?
Elin: Nach den Vorlesungen frage ich mich manchmal, was ich eigentlich gelernt habe. Was davon kann ich später für meine Patienten benutzen? Vielleicht bin ich etwas verwöhnt, aber an meiner Universität liegt der Schwerpunkt darin, einen Überblick zu verschaffen und nicht so zu tun, als würde jeder beispielsweise Dermatologe werden.
Erika: Bei uns sind die Vorlesungen ungefähr so wie hier: So viele Informationen, daß man am Ende nichts mehr weiß. Allerdings ist mir gleich zu Anfang in der Vorlesung der Inneren Medizin aufgefallen, daß auf einmal ein Patient reinkam. Das war für mich ganz neu. Das Studium in Madrid ist noch theoretischer als hier. Ich weiß nicht, ob ich mich nach einem Jahr in Berlin wieder an das spanische System gewöhnen kann.
Elin: Sehr gut finde ich, daß so viele Wahllehrveranstaltungen angeboten werden. Es gibt Fächer wie Tropenmedizin oder Naturheilkunde. Das ist super. Bei uns gibt es das nicht.
?Habt ihr die Medizinische Bibliothek im Klinikum schon benutzt?
Erika: Ja, ich habe mir schon mehrere Bücher ausgeliehen. Die Bibliothek an meiner Universität besitzt weniger Bücher und die können meist nur über ein Wochenende ausgeliehen werden.
Elin: In Trondheim ist die Bibliothek größer und besser ausgestattet. Es gibt mehr Computer, an denen man mit MEDLINE arbeiten kann.
?Ist das Studentenleben in Berlin anders?
Elin: Ich habe den Eindruck, daß die Berliner Studenten während der Semester nicht so viel lernen. Vor den Examina müssen sie das aber ganz intensiv nachholen. Das ist bei uns nicht so, was an den POL-Gruppen liegt. Außerdem sind wir nur wenige Studenten und die Professoren kennen uns persönlich.
Erika: Auch bei uns muß viel mehr gelernt werden. Wir haben starken Druck und häufig Prüfungen. Hier habe ich manchmal fast ein schlechtes Gewissen, weil ich soviel Freizeit habe.
Elin: Ich finde das Berliner Studentenleben ganz toll und locker. Man kann zweimal in der Woche bis 11 Uhr schlafen, und niemand sagt etwas.
?Wieviel Kontakt habt ihr mit Deutschen?
Erika: In meinem Studentenwohnheim lernt man Menschen aus aller Welt kennen. Es gibt sehr viele Spanier, fast zu viele. Richtig viel Kontakt mit Deutschen habe ich bisher zugegebenermaßen nicht gehabt.
Elin: Es ist leichter, deutsche Studenten kennenzulernen, als ich dachte. Viele sind sehr offen und interessiert.
?Im Augenblick wird die Einführung von Studiengebühren an deutschen Universitäten diskutiert...
Elin: Ich finde es richtig, daß dagegen protestiert wird. In Norwegen erhält jeder Student als Unterstützung vom Staat etwa 7.000 Mark pro Semester. 60% davon müssen später zurückgezahlt werden.
Erika: Wir müssen pro Jahr 1.000 bis 1.500 Mark bezahlen. Meine Cousine konnte deshalb nicht studieren. Das ist schlimm.
?Befürworter von Studiengebühren argumentieren, daß der zahlende Student auch mehr von seiner Universität fordern kann.
Erika: Wenn die Lehre schlecht ist, muß man darauf aufmerksam machen. Egal, ob man dafür bezahlt hat oder nicht.
Elin: Es wäre arrogant von der Universität, nur dann auf die Unzufriedenheit der Studenten zu reagieren, wenn die bezahlt haben. Dafür ist die Bildung zu wichtig.
?Berlin gilt als Brennpunkt von Ost und West ...
Erika: Wenn man zum Alexanderplatz fährt, sieht man die andere Architektur und weiß, man ist im Osten. Ich habe mich aber auch schon getäuscht. Jemand hat mir gesagt, daß Ossis netter als Wessis sind. Ich weiß nicht, ob das stimmt.
Elin: Man merkt, daß es Unterschiede gibt zwischen den Menschen in Ost und West. Ich weiß nicht, ob man sagen kann, daß die einen netter als die anderen sind. Was ist denn nett? Ich finde schon, daß die Leute im Osten eine andere Laune haben. Die Westdeutschen sind lockerer. Man kann beispielsweise im Bus auch mal ein Spontanlächeln beobachten. Aber die Leute im Osten sind...
Erika: ...zurückhaltender?
Elin: Ja, genau. Es ist sehr interessant durch den ehemaligen Osten zu fahren und darüber nachzudenken, was alles passiert ist. Ich meine, die Wende muß ein großes Ereignis gewesen sein. Ich kann mir noch nicht vorstellen, wie es war 1989.
Erika: Ich möchte persönlich mehr darüber erfahren, wie es damals in Berlin aussah, über die Geschichte dieser Stadt.
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