Wissenschaftler im Klinikum


In Berlin fehlen ihm nur die Berge


Heinz Peter Schultheiß ist ganz in seinem Element, wenn er von der "großen Innovation" spricht, die die Kardiologie in den letzten Jahren bahnbrechend verändert hat. Und offensichtlich liegt er auch gut in ihrem Fahrwasser. Der im August an die Spitze der Abteilung für Kardiologie im Klinikum Benjamin Franklin berufene Newcomer hat ein sechs Mann starkes Team für seinen Start als C4-Professor von Düsseldorf mit nach Berlin gebracht. Um richtig loslegen zu können und um, neben den traditionellen Schwer punkten - Rhythmologie und Herzinsuffizienz -, der Steglitzer Kardiologie drei neue Richtungen für Krankenversorgung und Forschung zu weisen.

Neben der invasiven Kardiologie sind das Herzklappen- und Herzmuskelerkrankungen. Gerade auf dem dritten Gebiet ist die Schultheißsche Arbeitsgruppe durch neue Techniken wie Histologie, Immunhistologie und Molekularbiologie zu "völlig neuen Erkenntnis sen, und zwar wirklich international", vorgestoßen. Insbesondere das Krankheitsbild der Kardiomyokarditis konnte genauestens charakterisiert werden. Zuvor immer als Herzmuskelerkrankung unklarer Genese apostrophiert und "wie eine Herzinsuffizienz behandel t", weiß man jetzt, daß bei ihr Virusinfektionen und autoimmunologische Prozesse eine große Rolle spielen. Und das - so Schultheiß - "hat die entscheidende Konsequenz, daß wir heute differentialtherapeutisch Möglichkeiten haben, kausal in das Krankheitsge schehen einzugreifen und damit langfristig die Prognose zu verbessern".

Beide, die Stadt und das Klinikum, so versichert Schultheiß, haben ihm "überhaupt keine Eingewöhnungsschwierigkeiten" bereitet. Denn das Steglitzer Haus ähnelt seiner Ausbildungs-, Approbations-, Promotions- (1977), Facharzt- und Habilitationsstätte (1 989) Großhadern bis ins Detail: "Derselbe Planer, mit Goerke zeitweilig derselbe Ärztliche Direktor" - das verbindet und läßt prompt heimische Gefühle aufkommen, auch Frau Eva und die drei Kinder (15,13 und 3) haben sich schon gut eingelebt. "Das einzige, was fehlt, sind die Berge", scherzt der 46jährige, der aus dem Rheingau stammt und sein forsches "Grüß Gott" von München nach Berlin hinübergerettet hat. Die Steglitzer Bauweise, die alle Kliniken unter einem Dach vereint, ist für Schultheiß gleichbedeu tend mit "enger Zusammenarbeit und engem Erfahrungsaustausch". Das kommt seiner unumwundenen Art entgegen.

Klar und ohne Beschönigungen legt er dar, was sich seiner Meinung nach ändern muß, damit das Klinikum im Süden Berlins "seinen Stellenwert" erhält. Zunächst stellt er fest: Die durch die Raumnot fehlenden Forschungslabors bedeuten nicht nur für ihn "sc hlichtweg eine absolute Katastrophe". Dennoch lautet sein unverdrossenes Fazit: "Wir müssen expandieren!" Für seine Domäne, die Kardiologie, bedeutete das in der Krankenversorgung eine "Vergrößerung der Herzkatheterkapazitäten und mehr Intensiv- und Überw achungsbetten".

Aber auch dem ausgeprägten Forschergeist Schultheiß' fehlt etwas ganz Elementares: "Wenn man von der rein klinischen Forschung absieht, gibt es derzeit keine Kapazität, um überhaupt klinikorientierte Grundlagenforschung machen zu können. Da muß sich wa s tun." Und ganz privat hat er sich - in etwas vorsichtigerer Formulierung - auch etwas vorgenommen: "Ich denke, daß ich 1995 sicherlich ein Abonnement in der Philharmonie haben werde."

Felicitas Wlodyga


Ihre Meinung:

[Inhalt]

Zurück zur -Startseite