Das Thema: Promotionswesen in der Medizin
Dr. med. und Dr. rer. medic.
Um als Arzt praktizieren zu können, reicht die Approbation. Dennoch: "Ungefähr die Hälfte aller Studierenden, die an der FU Medizin studieren, promoviert", so Dekan, Professor Peter Gaehtgens, anläßlich der Promotionsfeier am 20. Dezember. An diesem Tag erhielten insgesamt 87 Ärzte und 71 Ärztinnen ihre Promotionsurkunden. Über 10.000 Urkunden mit dem begehrten Grad des "Doctor medicinae" hat die FU im Laufe ihrens Bestehens vergeben. Darüber hat sich die Promotionsordnung geändert und dem Dr.med. jetzt einen ganz neuen Kollegen verschafft: den Doctor rerum medicarum, kurz Dr. rer. medic.. Näheres dazu von Professor Rolf Winau, dem Vorsitzenden des Promotionsausschusses.
Mehr als 10.000 Doktorinnen und Doktoren der Medizin haben seit der Gründung der Freien Universität Berlin ihr Diplom erhalten. Von Beginn an hat die medizinische Fakultät den Grad 'Dr. med.' und 'Dr. med. dent.' verliehen.
1964 erließ sie eine neue Promotionsordnung, die noch immer dem Dekan eine entscheidende Stellung im Verfahren zusprach.
Der Dekan wählte die Gutachter aus, er entschied über Annahme oder Ablehnung der Dissertation auf Grund der Gutachten, er führte eine Abstimmung in der Fakultät herbei - für die Note 'summa cum laude' war dabei Einstimmigkeit vorgeschrieben. Und er bestimmte drei Professoren für die mündliche Prüfung. Dort sollte der Kandidat nachweisen, daß "er eine ausreichende naturwissenschaftliche Bildung und genügend medizinische Kenntnisse besitzt". Die Prüfung galt als bestanden, "wenn jeder Prüfer seine Prüfung für bestanden erklärt".
Obwohl die Universität zu Beginn der 70er Jahre einem starken Wandel unterzogen war - denn die Medizinische Fakultät wurde in sieben, später in vier Fachbereiche aufgeteilt -, blieb diese Ordnung noch mehr als ein Jahrzehnt in Kraft; im Fachbereich Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde bis zu dessen Auflösung.
So hatte rein formal auch noch Artikel E II Bestand: "In der Regel findet einmal im Monat eine feierliche Promotion durch den Dekan in Amtstracht statt... Bei Überreichung des Diploms gelobt der Promovend durch Handschlag und Unterschrift dem Dekan: 'Ich gelobe, stets die medizinische Wissenschaft zu achten und nach Kräften zu fördern und mir der Verpflichtung bewußt zu bleiben, die mir die Würde des Doktors der Medizin -Zahnmedizin- einer deutschen Universität auferlegt'".
Als ich 1976 nach Berlin kam, war von einer feierlichen Promotion keine Rede mehr, die Urkunden wurden im Promotionsbüro ausgehändigt oder mit der Post zugeschickt, und auf meine Frage, wie er es denn mit den Promotionsprüfungen halte, antwortete mir ein älterer Kollege: "Ich frage den Kandidaten nach seinem Namen, und wenn er die Frage ausreichend beantworten kann, hat er die Prüfung bestanden."
Der Leser/die Leserin wird bemerkt haben, daß von Promovendinnen oder Doktorinnen bisher nicht die Rede war. Das sollte sich auch in der Promotionsordnung, die nach vielen Mühen 1986 in Kraft trat, nicht ändern. Sonst aber schuf sie wesentlich Neues. Ein Promotionsausschuß wurde installiert. Die mündliche Prüfung wurde wieder ein wesentlicher Bestandteil des Promotionsverfahrens, insbesondere in Form der Disputation, in der Kandidatinnen und Kandidaten, deren Dissertation mit 'magna cum laude' oder 'summa cum laude' bewertet ist, in einer öffentlichen Sitzungen ihre Arbeit vorstellen und diskutieren müssen. Das Niveau der Dissertationen stieg langsam, aber sicher an, die Bewertungen wurden realistischer. Heute schließt die Mehrzahl der Promovenden und Promovendinnen mit der Note 'cum laude' ab.
Im Jahr 1996 wurde die Promotionsordnung wiederum überarbeitet, kleine Unebenheiten ausgebessert und die unabhängige Bewertung der Dissertation durch zwei Gutachter eingeführt. Eine Promotionsordnung für die Zahnmedizin wurde erarbeitet und die Möglichkeit geschaffen, als Nicht-Mediziner oder Nicht-Medizinerin am Fachbereich Humanmedizin zu promovieren. Das Promotionsverfahren für den 'Dr. rer. medic. (rerum medicarum) lehnt sich an Promotionsverfahren in den naturwissenschaftlichen Fachbereichen an, ist jedoch nicht nur für Naturwissenschaftler/-wissenschaftlerinnen gedacht. Die erste Doktorin, die im Dezember den neuen Grad erhielt, war eine Theologin.
Rolf Winau
Professor Rolf Winau ist Geschäftsführender Direktor am Institut für Geschichte der Medizin.
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