Der neue Fachbereich Philosophie und Geisteswissenschaften

"Schön, so viele neue Leute kennenzulernen."

Seit dem 1. Januar 1999 gibt es an der FU nur noch 12 statt wie bisher 18 Fachbereiche. Einige sind im wesentlichen so geblieben, wie sie waren, andere haben einen völlig neuen Zuschnitt, zusammengesetzt aus vorher eigenständigen Fachbereichen. Für die neu entstandenen Fachbereiche ist es eine Gratwanderung, einerseits ein neues Profil zu entwickeln, andererseits gewachsener Identität und dem Selbstbewußtsein erfolgreicher Institute gerecht zu werden.
Wie bei Fusionen üblich, müssen verschiedene "Unternehmens"- bzw. Verwaltungskulturen zusammengeführt werden. So gibt es zum Beispiel Unterschiede bei der Bearbeitung von Anträgen, bei der Protokollführung oder bei der Prüfungsberatung, bei vielen Kleinigkeiten, die in Jahrzehnten zur Routine geworden sind und die sich jetzt ändern (müssen).
Die FU-Nachrichten werden ab dieser Ausgabe aus den neuen Fachbereichen berichten. Einer der Neuen ist der Fachbereich Philosophie und Geisteswissenschaften, der mit rund 14.000 Studierenden zu den größten Fachbereichen der FU gehört.

 


Geist und Philosophie in der Rostlaube (Foto: Ausserhofer)

 

Für Dr. Michael Kaehne und Dr. Matthias Dannenberg, Verwaltungsleiter der ehemaligen Fachbereiche Neuere Fremdsprachliche Philologien und Germanistik, jetzt die "funktionierende Doppelspitze" des neuen Fachbereichs, war der Zusammenschluß eine "Liebesheirat". "Wir haben das immer gewollt", betont Dannenberg, "aber das Zusammenwachsen ist schwierig". Der Zusammenschluß zum Teil sehr heterogener Bereiche allein ist schon kompliziert. Dazu kommen die Umstellung vieler Arbeitsbereiche durch die geplante Verlagerung von Aufgaben aus der Zentralen Universitätsverwaltung in die Fachbereiche, die Umstellung auf eine andere Art des Wirtschaftens und die Einführung eines neuen rechnergestützten Verwaltungssystems.
Man ist zuversichtlich, die Anfangsschwierigkeiten bald in den Griff zu bekommen, aber der erste Abschnitt des Weges war etwas steinig. "Wir hätten uns mehr Information gewünscht - und vor allem früher", bedauern die beiden Verwaltungsleiter den zunächst zähen Informationsfluß innerhalb der Universität und den noch stockenden Transfer von Sachwissen aus der "Zentrale" in die Fachbereiche. "Bevor ich eine Kostenstelle einrichten kann, muß ich wissen, was das ist und wie das funktioniert."

Inzwischen ist die Kommunikation besser geworden, Fachbereiche und Universitätsleitung beraten gemeinsam, wie man den Anfangsschwierigkeiten beikommen und die atmosphärischen Störungen beheben kann.
Bei den Sonstigen Mitarbeiter/innen war die Skepsis von Anfang an groß und man ist sich einig, daß mehr getan werden muß, um diese Skepsis auszuräumen. Dazu gehört auch, die Weiterbildungsangebote in Zuschnitt und Volumen der neuen Situation anzupassen, denn
eine Fülle von Veränderungen steht bevor, auf die die Mitarbeiter/innen nicht hinreichend vorbereitet sind.

Dannenberg und Kaehne haben von Anfang an auf Information gesetzt: "Wir haben endlose Gespräche geführt, in großen Runden, in kleinen Gruppen oder mit Einzelnen, bis die Zeit nicht mehr reichte", erzählen sie, "und wir konnten unseren Sonstigen Mitarbeiter/innen wenigstens ihre Hauptsorge nehmen, nämlich die, ihren Arbeitsplatz zu verlieren." Die Transparenz kommt gut an im Fachbereich: Monika Ries vom Institut für Theaterwissenschaft weiß, daß sie immer anrufen kann, wenn sie Fragen hat. Sie fühlt sich gut beraten. Schon vor der Zusammenlegung hatten die beiden Verwaltungsleiter auch Informationsveranstaltungen durchgeführt. "Es scheint sich gut anzubahnen," meint Monika Ries. "Aber bis jetzt haben sich hier auch nur Kleinigkeiten ändern müssen."

"Im Moment hat sich zwar die Art der Arbeit noch nicht geändert", bestätigt Barbara Koehler, "aber es ist mehr geworden. Viele Stellen werden nicht mehr besetzt, aber die Arbeit soll trotzdem erledigt werden." Oft genug wird die Mittagspause gestrichen, weil nur zwei Sachbearbeiterinnen das Personal für den ganzen Fachbereich verwalten und nur eine einzige Kollegin zuständig ist für das Controlling eines Haushaltes von drei Millionen Mark.

Viele "Sonstige" versuchen eigenständig, sich der veränderten Situation anzupassen, mit neuen Ideen, mit viel Eigeninitiative und privatem Engagement. Die Reaktionen sind unterschiedlich. Monika Ries von der Theaterwissenschaft: "Man wird hier unheimlich motiviert. Es wird so viel vorgelegt, und wir werden mit einbezogen in die Prozesse". In anderen Bereichen, weiß Barbara Koehler, werden Kolleginnen mit neuen Ideen und Initiativen eher belächelt und abgesnobt - mit verheerender Wirkung.

Barbara Koehler und die beiden Verwaltungsleiter verweisen darauf, daß die traditionellen Berufsbilder an der Universität sich rapide ändern. Aber was fehlt, sind Analysen über die Berufsbilder der Zukunft und entsprechende Weiterbildungsangebote. Gefragt sind vornehmlich Querschnittaufgaben, auch die qualifizierte Publikumsbetreuung z. B. wird zunehmend wichtiger. Hier gibt es eine Reihe von Anpassungsproblemen. Manch einem ist schwer zu vermitteln, daß die Dinge sich ändern, und noch nicht mal unbedingt zu seinem Nachteil. Bremsende Einflüsse kommen so von zwei Seiten: zum einen durch Strukturen, die in Übergangsphasen immer unübersichtlich sind, mangelhaften Informationsfluß und fehlende Transparenz, und andererseits durch Zugeschnürtheit bei manchen Mitarbeitern und bei Bereichen, die gar nicht einsehen können, daß sie – wie alle anderen auch – abspecken und umdenken müssen.
Dazwischen stecken die Motivierten mitunter wie in einem Schraubstock und üben die hohe Kunst der Selbstmotivation.

Es ist ein kultureller und ein Generationskonflikt innerhalb der Hochschule: Auf der einen Seite will man die moderne dienstleistungsorientierte, leistungsbezogene Universität mit schlanker Verwaltung – andererseits gibt es den BAT ("tödlich") sowie rechtsgebundene Vorgänge, die einem wenig Spielraum lassen, und natürlich auch diejenigen, die sich dahinter verstecken, weil sie nichts ändern wollen. Um gemeinsame Ziele erreichen zu können, muß der Eindruck vermieden werden, daß nichtwissenschaftliches Personal nur noch als abzubauendes vorkommt, betont Dannenberg. "Es ist ohnehin eine Illusion zu glauben, man könne solche riesigen Fachbereiche ausschließlich dezentral oder zentral verwalten."

Susanne Weiss

Fachbereich Philosophie und Geisteswissenschaften (fusioniert aus den bisherigen Abteilungen):

Germanistisches Seminar mit Institut für Linguistik, Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft, Institut für Englische Philologie, Institut für Romanische Philologie, Institut für Slavische Philologie und Balkanologie, Institut für Theaterwissenschaft, Institut für Philosophie, Institut für Musikwissenschaft, Institut für Griechische und Lateinische Philologie, (Zentralinstitut für) Fachdidaktiken (der philologischen Fächer)

Studierende: ca. 14.000 im Haupt- und Nebenfach
Wissenschaftliches Personal: ca. 400
Nichtwissenschaftliches Personal: ca. 60

 

Foto 2: Die traditionellen Berufsbilder an der Universität ändern sich rapide – bislang fehlen aber Analysen und adäquate Weiterbildung (Foto: Nürnberger)