Menu oben
FU-Nachrichten 11-12/99
Seite 3

Checkliste

Machen Sie eine Liste von all den Dingen, die Sie zu erledigen haben. Vergessen Sie dabei Ihre Vergnügungen nicht!

Streichen Sie alles von der Liste, was Sie nie ernsthaft machen wollten.

Legen Sie Ihre Ziele, Werte und Prioritäten fest. Setzen Sie sich realistische Ziele. Schreiben Sie das alles auf!

Identifizieren Sie Ihre zugrunde liegenden Konflikte wie z. B. Angst, Ärger, Perfektionismus sowie Ihre irrationalen Einstellungen wie die, dass Ihre Aufgaben zu hart seien, dass ein Scheitern eine Katastrophe wäre.

Bekämpfen Sie Ihre irrationalen Einstellungen und legen Sie sich realitätsgerechtere Auffassungen zu.

Prüfen Sie, ob Sie trotz Ihrer gegenwärtigen Konflikte und Einstellungen eine Chance haben, Ihre Vorhaben erfolgreich zu bewältigen.

Prüfen Sie, ob Ihre aufgeschobenen Vorhaben genügend mit Ihren Zielen und Werten übereinstimmen. Wenn nicht: Konzentrieren Sie sich nur auf die Ziele, die für Sie bedeutungsvoll sind und geben Sie die anderen auf.

Planen Sie, wie Sie Ihre Ziele in kleinen Schritten erreichen können.

Schätzen Sie den Zeitaufwand, bis Sie Ihr Projekt erledigt haben werden, und verdoppeln Sie die Zeit dann.

Legen Sie Belohnungen für Erfolg fest und belohnen Sie sich für jeden Schritt.

Beobachten Sie sich und halten Sie Ihre Aufzeichnungen in einem Veränderungslogbuch fest.

   
  Vorheriger Artikel

Endlich erledigt oder ins nächste Jahrtausend verschoben?


Die lange Bank

Von Hans Werner Rückert

Der Autor ist Leiter der Zentraleinrichtung Studienberatung und Psychologische Beratung

Das Wintersemester 1999/2000 haben viele Studierende mit guten Vorsätzen begonnen: Diesmal sollen Hausarbeiten termingerecht eingereicht und die Suche nach einem Thema für die Diplomarbeit angepackt werden. Wissenschaftler haben sich vorgenommen, bei ihrem nächsten Aufsatz oder beim kommenden Kongressbeitrag kontinuierlicher zu arbeiten und die deadline einzuhalten. Die Verwaltungsangestellte will die Ergänzungslieferungen der Loseblattsammlung wegsortieren. Die Frage ist nur: Werden sie ihre Pläne umsetzen oder ihre Vorhaben ins nächste Jahrtausend verschieben?


Was heißt Aufschieben?


Wir alle schieben etwas auf: unsere Schränke und Schreibtische aufzuräumen, die Gartenarbeit oder das Schuheputzen. Aufgeschoben werden Dinge, die Unlust auslösen und schließlich auf den letzten Drücker erledigt werden – wie der Einkauf der Weihnachtsgeschenke. Über dieses alltägliche Herausschieben beunruhigt sich glücklicherweise kaum jemand. Viele Menschen wünschen sich jedoch beständig, ihre Aufgaben schneller, pünktlicher und ohne inneres Widerstreben zu erledigen. Manche leiden sehr darunter, dass sie den überfälligen Studienabschluss oder die so lange geplante Weltreise, aber auch neue Herausforderungen aufschieben. Dadurch, dass sie das, was sie sich stets aufs Neue vornehmen, nie durchziehen, untergraben sie ihr Selbstvertrauen. Sie leben im Wartestand und erreichen ihre Ziele nicht, die sie aber auch nicht aufgeben können.

"Hartes" Aufschieben bedeutet, dass Sie unnötigerweise die Erledigung von Aufgaben und Vorhaben, die Sie als wichtig, vorrangig und/oder termingebunden einstufen, verzögern. Sie fassen Vorsätze und starten Anläufe, beschäftigen sich aber im entscheidenden Moment damit, andere, weniger wichtige Dinge zu erledigen. Sie gehen aus dem Feld und weichen auf etwas weniger Unangenehmes aus. Wer ernsthaft aufschiebt, wirft sich dieses Verhaltensmuster als "Willensschwäche" vor und träumt von mehr Selbstdisziplin. Ausgeprägtes Aufschieben, das wie ein Zwang als unkontrollierbar erlebt werden kann, wird häufig schamhaft verschwiegen. Es gibt Personen, die nur in wenigen Bereichen Dinge vor sich her schieben und andere, die in Beruf wie Privatleben von der Steuererklärung über den Zahnarzttermin bis hin zum pünktlichen Erscheinen zu Sitzungen nahezu alles aufschieben. Bei Umfragen in den USA geben 40% aller Befragten an, dass ihnen wegen ihres Aufschiebens schon einmal Nachteile entstanden sind, 25% leiden unter wiederkehrendem Aufschieben, dem sie hilflos gegenüberstehen. Bei Studierenden schätzt man, dass 70% aufschieben, unter denen 25% unglückliche "harte" Aufschieber sind.


Aufschieben wird gewählt, um künftige Unlust zu vermeiden


Menschen, die chronisch aufschieben, kommen häufig zu spät, sind unvorbereitet, schlecht organisiert und haben schlechte Beziehungen zu Arbeitskollegen. Sie verbringen zu viel Zeit mit Projekten, die ohnehin scheitern. Sie behindern sich selbst, vermeiden es, sich Rechenschaft über ihren Arbeitsstil zu geben und versuchen statt dessen, ihr Image zu pflegen. Studierende schieben am häufigsten die Anfertigung schriftlicher Arbeiten und die Vorbereitung auf Prüfungen vor sich her. Ihr Aufschieben ruft Angst hervor und wirkt sich auf ihre Lebensqualität und ihre Noten negativ aus.

Die Erledigung von Aufgaben erfordert Konzentration auf das Wesentliche und Anstrengung. Für manche Menschen ist dieser aktuelle Zustand gleichbedeutend mit Unlust. Wenn Sie eine geringe Toleranz gegenüber Entbehrungen und vorübergehendem Verzicht auf Ablenkungen haben, dann werden Sie dazu neigen, über anstrengende Aktivitäten zu sagen, sie seien zu anstrengend. Noch häufiger wird das Aufschieben aber gewählt, um Unlust, die bewusst oder unbewusst in der Zukunft erwartet wird, zu vermeiden. Wer hart und an den deadlines orientiert für eine Prüfung lernt und durchfällt, wird sich das möglicherweise als persönliches Versagen ankreiden. Fallen Sie hingegen durch, nachdem Sie unter Hochdruck ein paar Wochen gebüffelt haben, dann können Sie die Pleite Ihrem Aufschieben und Ihrer schlechten Arbeitsorganisation zuschreiben. Dadurch können Sie Ihr Image als eigentlich doch begabt bewahren und Ihre Selbstachtung schützen. So können Ängste, Trotz und Ärger, Perfektionismus und Minderwertigkeitsgefühle zum Aufschieben führen. Haben Sie unrealistisch hohe Ansprüche an sich, dann birgt jeder ernsthafte Versuch das Risiko, kleine Brötchen backen zu müssen. Sind Sie perfektionistisch, dann wird es Sie kränken, dass Sie nicht auf Anhieb vollendete Sätze aufs Papier bringen können. Das Aufschieben erspart diese Niederlagen. Für schlimmer als die bekannten Widrigkeiten des Aufschiebens halten viele Menschen z. B. die Erkenntnis, dass sie ihren eigenen (oft überhöhten) Idealen an Leistungsfähigkeit und Qualität nicht entsprechen und sich dafür abwerten müssen. "Wenn ich versage", so lautet die unbewusste Gleichung, "habe ich mich unsterblich blamiert. Die Angst davor erscheint mir schlimmer als das Elend des Aufschiebens. Solange ich aufschiebe, ist diese Katastrophe noch nicht eingetreten, ich könnte noch groß rauskommen". Je stärker Leistungen, Erfolge und äußere Anerkennung zu Voraussetzungen eines positiven Selbstwertgefühls geworden sind, desto größer werden die Risiken von Pleiten, Pech und Pannen.


Wer aufschiebt, ähnelt häufig einem Workaholic


Wer aufschiebt, liegt nur selten faul auf der Bärenhaut, sondern ähnelt häufig eher einem Workaholic, der immer dann von einer Tätigkeit zur anderen wechselt, wenn die Anspannung einen kritischen Wert erreicht. Solche Personen können ablenkende Impulse nur schlecht kontrollieren, sie konzentrieren sich zu wenig auf den Arbeitsprozess und zu sehr auf die Ergebnisse. Sie haben ein schlechtes Zeitmanagement und unterschätzen die Wichtigkeit, sich in Übereinstimmung mit eigenen Zielen und der eigenen Motivation zu befinden.


Was tun?


Es gibt drei wesentliche Lösungen:

  • Sie tun das, von dem Sie sagen, dass Sie es wollen oder von dem Sie akzeptieren, dass Sie es müssen, wenn Sie bestimmte Effekte erzielen wollen (die Diplomarbeit schreiben und abgeben, um das Studium abzuschließen, den Auftrag erledigen, den Ihr Chef Ihnen gegeben hat, um Ihren Job zu behalten).
  • Sie geben Ihre Vorhaben auf und tyrannisieren sich nicht länger mit der Vorstellung, dass Sie jene Dinge machen müssten, die Sie all die Jahre nicht gemacht haben. Sie wechseln den Job und suchen sich etwas, was Ihnen weniger Stress bereitet.
  • Sie entscheiden sich dafür, weiter aufzuschieben, lernen aber, das Leid und die Selbstverachtung einzugrenzen. Sie entwickeln die Bereitschaft, etwaige negative Folgen Ihres Aufschiebens in Kauf zu nehmen.

Versuche, sich lediglich mit Arbeitstechniken oder Motivationsbüchern auf Trab zu bringen, gehen meistens schief. Erst wenn Sie die inneren Einstellungen, die Ihr hartnäckiges Aussitzen aufrechterhalten, überwunden haben, werden Sie den Motor des Aufschiebens abstellen können. Entkoppeln Sie Ihr Selbstwertgefühl von erfolgreicher Aufgabenerledigung und lernen Sie es, sich realistische Ziele zu setzen. Überprüfen Sie Ihre Befürchtungen. Möglicherweise haben Sie in Ihren Vorhaben und Aufgaben zu viel Gefährliches gewittert. Wenn Sie Ihr Aufschieben verändern oder überwinden wollen, dann hilft Ihnen auch ein Verständnis für die vielen Nebenwege, auf denen Sie sich vor dem gedrückt haben, was Sie eigentlich tun wollen. Je genauer Sie Ihre Tricks kennen, desto besser können Sie sich gegen Fallen wappnen, die auf dem Weg zu brauchbaren Lösungen für das Problem stehen. Und dann können Sie auch von verbesserten Arbeitstechniken und einem optimierten Selbstmanagement profitieren.

Wenn Sie trotz Leidens unter dem Aufschieben keinen dieser Vorschläge umsetzen oder aber feststellen, dass Sie dadurch Ihr Problem nicht genügend bewältigen können, brauchen Sie professionelle Hilfe.