Der Gastkommentar
Akademischer Senat empfiehlt neue Hochschulverfassung
Am Ende waren fast alle zufrieden: "Der dritte große Reformschritt nach dem Sparkonzept und der Neuordnung der Fachbereiche" würdigte Vizepräsident Prof. Dr. Werner Väth den Kompromiß im Akademischen Senat. Ihre wesentlichen Anliegen konnte die Hochschulleitung als erfüllt ansehen: Kompetenzen gehen vom Staat auf die Hochschule über, das Präsidium wird in seinen Befugnissen deutlich gestärkt.Von dem ursprünglichen Entwurf, den Präsident Prof. Dr. Johann W. Gerlach vor einem halben Jahr vorgelegt hatte, mußten allerdings einige Abstriche hingenommen werden. Gerlachs Konzept war entschieden ehrgeiziger als das seines Kollegen Prof. Hans Meyer von der Humboldt-Universität: Nicht nur das Kuratorium, Lieblings- und Sorgenkind der Berliner Hochschulverfassungen, sollte neu geordnet werden, sondern das ganze Kompetenzengeflecht zwischen den verschiedenen Gremien: Die Zuständigkeit für Haushalts- und Organisationsfragen sollte vom Kuratorium, die Entscheidung über Studiengänge vom Akademischen Senat, das Berufungsrecht vom Wissenschaftssenator auf den Präsidenten übergehen..
Im Akademischen Senat stieß diese Idee allerdings zunächst auf wenig Gegenliebe- bei "rechten" Professoren so wenig wie bei "linken" Studenten. Die gegebenen Strukturen der Gruppenuniversität, dies machten die Beratungen deutlich, werden in der Hochschule heute allseits akzeptiert - zu einem Zeitpunkt , wo konservative Vordenker längst eine neue Reform oder Gegenreform propagieren.
Um so erstaunlicher war es, daß es am Ende doch noch gelungen ist, zu einem schlüssigen Satzungsentwurf zu gelangen, auch wenn die Machtverteilung zwischen Akademischem Senat und Präsidium sich wohl erst in der konkreten Arbeit erweisen wird: Nicht nur Studiengänge, sondern auch Haushalts- und Organisationsfragen, ergab die Debatte, fallen im wesentlichen in die Verantwortung des Akademischen Senats. Wer die Diskussionen dieses Gremiums in den
vergangenen Jahren verfolgt hat, wird sich fragen , ob es sich damit nicht übernommen habe.Hier wird eine starke Hochschulleitung Gelegenheit finden, ihre Kompetenz einzubringen. Die Mitwirkungsrechte, die der Satzungsentwurf ihr in allen diesen Bereichen einräumt, geben dafür die Grundlage, Für die große Mehrheit des Akademischen Senats war dieses Gleichgewicht akzeptabel - so sehr, daß man auf die Möglichkeit eines konstruktiven Mißtrauensvotums gut und gerne verzichten wollte. Um den Gremiendschungel zu lichten, wird das Konzil zu einem verlängerten akademischen Senat umgestaltet und auf die eine Funktion beschränkt, den Präsidenten und die Vizepräsidenten zu wählen.
In seinen Kompetenzen beschränkt wird auch das Kuratorium: Anders als an der Humboldt-Universität soll es nur noch beratend tätig werden. Dies hat die FU allerdings nicht daran gehindert , dem Regierenden Bürgermeister den Vorsitz anzutragen. Vier Mitglieder sollen, ebenfalls im Unterschied zur HU, von den Hochschulgruppen entsandt, fünf weitere als unabhängige Repräsentanten des öffentlichen Lebens von Staat und Hochschule gemeinsam bestellt werden.
Kritiker werden jetzt den FU-Senat schelten, weil er, anders als das Kuratorium an der Humboldt-Universität, nicht den Mut gefunden habe, sich selbst zu entmachten. Darüber wird man sich nicht allzusehr verwundern dürfen: Immerhin tagt dieses Gremium nicht zweimal im Semester, sondern zweimal im Monat, und seine Mitglieder sitzen nicht zugleich in hundert anderen Runden. Die Frage , wie das Selbstbewußtsein, das der Akademsiche Senat hier vorgeführt hat, auf das Verhalten des Kuratoriums wirken könnte, das im nächsten Monat über den Entwurf zu entscheiden hat, vermag derzeit wohl niemand zu beantworten.
In der Wissenschaftsverwaltung , die das Statut am Ende zu genehmigen hat, wird man sich jedenfalls an den Gedanken gewöhnen müssen, daß aus Sicht der Hochschule die gravierenden Probleme gar nicht in dem vielgescholtenen Gremienwirrwarr liegen, sondern im übermächtigen Staatseinfluß. Dem Bestreben, sich hier abzukoppeln, wird Wissenschaftssenator Peter Radunski wohl in einem entscheidenden Punkt einen Riegel vorschieben: Das Recht, Professoren zu berufen, muß beim Staat verbleiben, stellte er bereits bei den Beratungen in der Humboldt-Universität klar.
Josef Tutsch.
Der Autor dieses Artikels berichtet regelmäßig über die Akademischen Senatssitzungen für die "Berliner Morgenpost".
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