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Elmar Weingarten
Musik war nur sein Hobby. Der Junge ging gerne in Konzerte, spielte ein wenig Klavier. "Ob das reichen würde, wußte ich nicht", erinnert sich Elmar Weingarten. Es hat gereicht. Der promovierte Soziologe ist Intendant eines der großen Orchester der Welt, des Berliner Philharmonischen Orchesters.
"Wenn es dir auf der Schule gefällt, dann kann diese nicht die richtige sein", meinte der Vater, nahm den 14jährigen von der Nürnberger Rudolf-Steiner-Schule und schickte ihn aufs mathematisch-naturwissenschaftliche Gymnasium. Das richtige Studium war in den Augen des Versicherungsdirektors Volkswirtschaftslehre.
Der Gymnasiast schrieb sich hierfür 1962 an der Uni Köln ein. Hier war die Soziologie mit dem Spezialzweig Musiksoziologie integriert in die Wirtschaftswissenschaften.
In den ersten zwei Semestern machte Weingarten alle möglichen wirtschaftswissenschaftlichen Scheine, dann ließ er "das ganze Zeug" und studierte, wozu er nach Köln gekommen war: Musiksoziologie und Theaterwissenschaften hauptsächlich. Was außerdem noch zu tun blieb, lief nebenher. Diplomvolkswirt wurde er mit einer Arbeit zur Entwicklung des musikalischen Geschmacks.
Doch noch einmal verklang die Musik hinter anderem. Weingarten ging als Assistent für Soziologie nach Düsseldorf, von dort nach Regensburg. Er arbeitete in der Psychiatrie, ihn interessierten Familien von Schizophrenen und wie jene auf abweichendes Verhalten reagieren. Ein Thema, zu dem er 1975 promovierte. In Konzerte ging er kaum.
1975 kam er nach Berlin, ans Institut für Soziale Medzin der FU zum Bewerbungsgespräch. Und zum ersten Mal in die Philharmonie - "Block H, das weiß ich noch genau" - zu einem Klavierkonzert von Mozart mit Emil Gilels und den Berliner Philharmonikern unter Karl Böhm. Weingarten bekam die Stelle als Assistenzprofessor und blieb zehn Jahre. Er war Leiter einer Forschungsgruppe, die untersuchte, wie Intensivmedizin trotz hochentwickelter Technik patientenorientiert bleiben kann.
"Ich war kein herausragender Wissenschaftler, zwar leidlich erfolgreich, doch ohne den Eindruck, entscheidend Neues herauszufinden", blickt er zurück. Weingarten macht etwas Neues, wird Leiter der Musikabteilung bei den Berliner Festspielen.
Am ersten Tag habe ihn dann schon ein komisches Gefühl beschlichen: "Als Promovierter mußte ich alle mögliche Sachen machen, z.B. Stühle rücken." In der Hauptsache aber ging es im neuen Job darum, zu organisieren, Musiker zu engagieren. Und der Neuling im Musikgeschäft hat "richtig großes Glück". Er schafft es, den jüdischen Pianisten Horowitz, der nach 1945 nie wieder nach Deutschland kommen wollte, nach Berlin und Hamburg zu holen.
Seit September 1996 ist Weingarten Intendant der Philharmoniker. Zuvor hat er vier Jahre Intendantenerfahrung beim Radio-Symphonie-Orchester gesammelt. Die Presse lobte den Neuen, verspürte frischen Wind. Dem war das gar nicht so lieb. Vielmehr will er dem anspruchsvollen aber auch sehr konservativen Philharmonie-Publikum behutsam beibringen, daß es wichtig ist, "die Ohren aufzumachen und auch ins 20. Jahrhundert hineinzuhören". Weingarten weiß, daß das schwer sein wird: "Alban Berg ist für viele schon eine Zumutung". Der Intendant hat ihn im diesjährigen Programm. Weingarten will die Leute gewinnen, auch erziehen. "Man muß aktiv sein", sagt er.
Der 55jährige ist es. Mit Ausnahme von sechs Wochen Sommerpause im eigenen Haus in Frankreich, lebt er beinahe täglich von 9 Uhr morgens bis 11 Uhr abends für die Musik. Wenn er in Berlin ist, dann hört er jedes Konzert in der Philharmonie. An diesen Abenden erfährt er immer neu, was ihn fasziniert am Musikberuf: "Im Gegensatz zur Wissenschaft, wo man in der Vorlesung auch mal fünf Minuten schwafeln kann, muß ein Musiker immer auf den Punkt Spitzenleistungen erbringen."
Holger Heimann
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