Die Freie Universität wird 50 - Vorschau auf die Feiern 1998

Sich die Freiheit nehmen, etwas Besonderes zu sein


Wer fünfzig wird, feiert. Sei es goldene Hochzeit, ein Firmenjubiläum oder einfach ein rauschendes Geburtstagsfest. In der Regel wird ein Loblied auf den Jubilar gesungen - bisweilen mit kleinen Spitzen versetzt - die die anwesenden Festgäste zur Heiterkeit bringen. Wie die Feier im Einzelnen auch gestaltet ist, der Jubilar wird im Tagesgeschäft einen Moment lang innehalten, die vergangenen 50 Jahre Revue passieren lassen und Wünsche für die Zukunft träumen. Was für Firmen und Jubilare gilt, gilt für Universitäten nur im beschränkten Maß. Die Freie Universität hat sich immer die Freiheit genommen, etwas Besonderes zu sein und macht dies auch beim Feiern im kommenden Jahr. Das beginnt damit, daß die Freie Universität von ihrem Selbstverständnis her älter ist, als sie sich feiert. So führt sich die Freie Universität auf die von Wilhelm von Humboldt gegründete Universität zurück, die das damalige Hochschulwesen revolutionierte. Doch gefeiert wird im kommenden Jahr der Neubeginn von 1948, als die Freie Universität als Reaktion auf die politischen Restriktionen an der damaligen Berliner Universität auf studentischen Druck entstand und damit politische Impulse für die ganze Bundesrepublik setzte. Im April 1948 wurde den ersten Studenten ohne Rechtsverfahren die Studienerlaubnis an der späteren Humboldt-Universität entzogen. Daran erinnert im kommenden Jahr eine Zentrale Immatrikulationsfeier am 16. April kommenden Jahres, die im AudiMax des Henry-Ford-Baus für die neuen Studenten stattfinden wird. Studenten der ersten Stunde sollen besonders geehrt werden. Den Festvortrag hält der Verfassungsjurist und ehemalige FU-Student, Ernst Benda, zum Thema "Relegation versus Immatrikulation: Freies Studium an einer freien Universität". Mit der Immatrikulationsfeier möchte die FU dabei eine alte-neue Tradition begründen und ihre Studenten künftig einmal im Jahr feierlich begrüßen.

Das Jubiläumsjahr endet mit dem offiziellen Gründungstag der Freien Universität, dem 4. Dezember, der nicht wie vor fünfzig Jahren im Titania-Palast, sondern ebenfalls im Audi-Max des Henry-Ford-Baus mit einem Zentralen Festakt begangen wird. Wer der FU den "Weg in eine neue Welt - offen nach West und Ost" - zeigt, steht noch nicht mit letzter Gewißheit fest. Sowohl der amerikanische Präsident Clinton als auch der Präsident der tschechischen Republik sind angefragt. Auf jeden Fall wird der Zentrale Festakt mit viel Prominenz am Abend mit einem Ball im Schauspielhaus am Gendarmenmarkt ausklingen, und danach mit einem Wochenende für Ehemalige weitergehen, für das es ein umfangreiches Besichtigungs- und Veranstaltungsprogramm geben wird.

Zwischen den beiden "zentralen" Jubiläumsdaten liegen Veranstaltungen, die sowohl von den einzelnen Fachbereichen, als auch von der "Zentrale" koordiniert werden. So organisiert beispielsweise das Institut für Theaterwissenschaften im Sommer ein Studenten-Theaterfestival, an dem sich studentische Theatergruppen aus aller Welt beteiligen. Am 4. Juli wird der Botanische Garten sich in ein Atrium für ein Sommerfest verwandeln. Außerdem sind im Juni/Juli Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen zu brennenden Zeitfragen geplant. Den Auseinandersetzungen mit der 68er-Zeit, die die FU lange Zeit gespalten hat, wird dabei eine Schlüsselrolle zukommen. Der November steht ganz im Zeichen der Internationalität, die an der FU von jeher großgeschrieben wird. So lädt die FU alle ihre bilateralen Partneruniversitäten zu einer internationalen Woche nach Berlin ein. Eine Bildungsmesse steht ebenso auf dem Programm wie eine öffentliche Podiumsdiskussion über Zukunft universitärer Bildung im kommenden Jahrtausend. Der Freien Universität bläst seit einigen Jahren ein scharfer Wind ins Gesicht, die kommenden Jahre werden von Verteilungskämpfen, mehr Wettbewerb, weniger Finanzmittel gekennzeichnet sein. Wer in einer solchen Situation 50 wird, muß den Blick nach vorne richten. Die FU kann sich zugute halten, schon immer besondere Situationen besonders gemeistert zu haben. Das Jubiläum dient deshalb auch dem Zweck der Selbstfindung der FU, dem Erzeugen eines stärkeren Corporate-Gefühls. Wie ein roter Faden zieht sich deshalb das Nachdenken über Vergangenheit und Zukunft der Freien Universität durch das Programm. Wer sich erneuern und gleichzeitig auf seine Traditionen berufen will, braucht Visionen einer neuen Universität - wie ein hochkarätig zu besetzender Workshop heißt, der am 14 und 15. November stattfinden soll.

Felicitas v. Aretin


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