Protestaktionen: Sympathiewelle rauscht durch die Medien

Damit es nicht noch schlimmer wird


Wenn in Berlin die Studierenden auf die Straße gehen, ist ihnen die Aufmerksamkeit der Medien sicher. So auch in den vergangenen Wochen. Von Flensburg bis Passau, von Frankfurter Allgemeine bis Frankfurter Rundschau hallte der Protest gegen die Sparbeschlüsse des Berliner Senats durch den Blätterwald, begleitet von viel Verständnis und nahezu ausnahmslos wohlwollenden Kommentaren. Und das, obwohl die in die Defensive geratenen Berliner Politiker nicht müde wurden, den angeblich privilegierten Status der Studierenden und Wissenschafter zu geißeln und ihnen damit das moralische Recht auf Widerstand abzusprechen.


Hurra, wir leben noch! Transparente vor dem Roten Rathaus erinnern Politiker an ihre Verantwortung für die Wissenschaft.

Die Welle der öffentlichen Sympathie, von der die Aktionen getragen wurden, riß so auch viele zunächst noch zögernde Dozenten mit ins Freie. Wie hätten sie sich auch diesem neuen "Wir haben keine Chance, aber die nutzen wir"-Gefühl entziehen können? Statt verkrampfter Mienen, entwaffnendes Lachen, statt weltfernes Klassenkampfkau-derwelsch, unprätentiöse Bestandsaufnahme des politischen Desasters, statt geballter Faust zum sozialistischen Gruß, Radeln für Radunski und Flitzen für die Uni: Die Studierendengeneration von heute kämpft nicht für die Weltrevolution - wie einst ihre Eltern - aber sie kämpft auch nicht nur isoliert für ihre eigenen Interessen, sondern gegen den Sozialabbau im reichsten Staat Europas. Und sie hat begriffen, daß der bornierte Grundsatz früherer Unistreiks, schlechte Presse sei immer noch besser als gar keine, heute angesichts allgemeiner dramatischer Sparmaßnahmen nur noch ein Spiel mit dem Feuer wäre, das sie selbst erfassen könnte.

Die Studierenden liefern den Medien erstmals nicht nur Schlagzeilen, sondern vor allem Bilder: Dort, wo Klageweiber symbolisch "Frau Arbeit", "Miss Bildungsfreiheit" und "Frau Zukunft" zu Grabe trugen, wo sich Studierende in einem 24-Stunden-Rundlauf die Wut aus dem Leib rannten und wo das "Streikquartett" den Politikern was geigte, waren Pressefotografen und Fernsehteams nicht weit.

Von einigen frustrierten Streikbefürwortern abgesehen, setzte niemand auf Einschüchterung der Politik und der ·ffentlichkeit durch Aussperrung der eigenen Leute. Sonderprogramme - 1988/89 noch ein probates Mittel zur Befriedung des Un(i)muts - lassen sich nicht mehr erzwingen.

Auch in einem anderen Punkt geben sich die meisten keiner Illusion hin: Das Haushaltsjahr 1996 ist gelaufen. Die Absenkung des Staatszuschusses - sprich: die Einsparungen - wird der Senat nicht mehr zurücknehmen. Die Berliner Hochschulen müssen sich dauerhaft mit den knapperen Mitteln einrichten.

"Wozu dann aber noch kämpfen," fragen sich viele nach den zwar lustvollen, aber auch kräftezehrenden Aktionen und Diskussionen. Die Antwort ist ebenso ernüchternd wie realistisch: Damit es nicht noch schlimmer wird! Die Nachrichten aus der Finanzverwaltung des Landes verheißen nichts Gutes: Für 1997 sind weitere Kürzungen von 40 Mio. DM im Bildungsbereich vorgesehen.

Wen wundert's da noch, daß sich Wissenschaftssenator Radunski von den Protesten unbeeindruckt zeigt und bei jeder Gelegenheit ankündigt, sich weiterhin für die Einführung von Studiengebühren starkzumachen. In einem Interview mit uniRadio bezeichneter er sich selbst als ºberbringer schlechter Nachrichten, dem man in der Antike den Kopf abgeschlagen hätte. Zwar erkennt auch er, daß die Sparmaßnahmen einseitig auf Kosten der Studierenden gehen, doch seine Vorschläge zur Beteiligung der Professorenschaft an der Lastenverteilung ist nur scheinbar eine Patentlösung: Die Erhöhung der Lehrverpflichtung von acht auf zehn Semesterwochenstunden, längere Intervalle zwischen den Forschungssemestern und eine Nullrunde in den gegenwärtigen Tarifverhandlungen wären diskussionswürdige Reformvorschläge, wenn die Voraussetzung stimmen würde. Diese Voraussetzung hieße Planungssicherheit. Sie gibt es aber schon lange nicht mehr. Spätestens seit der jüngsten Sparrunde dürften auch die letzten Illusionen zerstoben sein, daß sich der Senat mit kostenneutralen Effizienzsteige-rungen begnügen würde. Er will nur eins: Geld sehen - koste es was es wolle. Die FU ist jedenfalls gut beraten, sich nicht spalten zu lassen und dem Herrn Senator voreilig zu applaudieren.

Uwe Nef


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