So fern und doch so nah

FU-Informatiker schaffen Grundlagen für die Fachliteraturrecherche am Bildschirm


Die Technik ist schon vorhanden: Über das Internet lassen sich Informationen durch die ganze Welt verschicken, Universitäten speichern ihre technischen Berichte und Forschungsvorhaben in lokalen Computernetzen ab, und Verlage beginnen, ihre Fach zeitschriften auch elektronisch bereitzustellen. Möchte man im Internet aber recherchieren und sich die vorhandenen Fachinformationen besorgen, so gibt es ein Problem: Zwar sind dort viele Informationsdienste versammelt, doch man findet sie nur, wenn man sie schon kennt.

Das Großprojekt MeDoc hat sich nun zum Ziel gesetzt, diesen Wildwuchs zumindest für die Informatik-Fachliteratur einzudämmen und eine einheitliche und benutzerfreundliche Bibliothek aufzubauen. An dem Kraftakt sind die Gesellschaft fü r Informatik, das Fachinformationszentrum Karlsruhe, der Springer-Verlag sowie sechs universitäre Arbeitsgruppen beteiligt. Die Freie Universität ist durch Heinz Schweppe vertreten, der die Professur für Datenbanken und Informationssysteme innehat. Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie fördert das Projekt für die kommenden zwei Jahre mit knapp drei Millionen Mark..

Rund 250.000 DM davon fließen an die Freie Universität, die von dem Geld einen Wissenschaftlicher Mitarbeiter finanziert; hinzu kommen Fahrtkosten, denn das Projekt wird in acht Städten gleichzeitig vorangetrieben. Was nicht ideal für die Kommunikation untereinander scheint, kann zumindest als dezentrale Technologieförderung verstanden werden, die die nötige Breitenwirkung erwarten läßt..

"Das ganze hat auch experimentellen Charakter", dämpft Professor Schweppe die hohen Erwartungen an Datenbanken im Internet. Heute wisse noch keiner so recht, wie sich der Umgang mit elektronischen Medien entwickeln werde. Auch bei der Fachi nformation steht ein Umbruch bevor. "Wir wissen nur, daß der Zugriff auf Information am Bildschirm wünschenswert ist", sagt Schweppe. "Die Technik ist jedenfalls da.".

Das Projekt MeDoc hat das Ziel, den Informatikern eine gut ausgestattete elektronische Bibliothek aus Volltexten bereitzustellen. Entsprechend ist MeDoc dreigeteilt. Einige der Beteiligten stellen die Informatik-Literatur zusammen, die die aufzubauende Bi bliothek enthalten soll. Dazu gehören neben Zeitschriften, technischen Berichten auch Videos und Computerprogramme. Andere Wissenschaftler haben die Aufgabe, Datenbanktypen zu testen und neue Nutzungsformen des elektronischen Publizierens zu erproben . Die Berliner Gruppe arbeitet zusammen mit Kollegen der Universitäten Dortmund, Oldenburg und Hagen am dritten Teilprojekt, das als das Herzstück von MeDoc gilt, da es hier um eine zentrale Forschungsleistung geht. Die Berliner Außenstell e des Fachinformationszentrums Karlsruhe unterstützt die Wissenschaftler dabei..

Ziel der Arbeitsgruppen ist es, einen sogenannten "Information Broker" aufzubauen. Dieses Vermittlungssystem soll die Recherche im Internet vereinfachen. Der Benutzer ruft es auf, um dann in mehreren Datenbeständen gleichzeitig suchen zu k& ouml;nnen. Der Broker nimmt Anfragen entgegen, ermittelt die Anbieter, die über passende Informationen verfügen und verschickt entsprechend Anfragen. Die Informationsquellen können auf der ganzen Welt verstreut sein. Am Ende gibt der Broker nicht nur aus, wo sich beispielsweise die gesuchten Aufsätze befinden, man kann sie sogar elektronisch abrufen und auf dem eigenen Drucker ausgeben..

Auch wenn diese Ideen grundsätzlich zu verwirklichen sind, ist dies noch Zukunftsmusik. Bislang konnte ein Datenbank-Prototyp erstellt werden, der eingeschränkt die gewünschten Funktionen erfüllt. Sein Name ist Ariadne. "Wir m&uum l;ssen nun noch etwas richtig Brauchbares daraus machen", erklärt Heinz Schweppe sein Ziel der nächsten zwei Jahre. Die Zukunftsmusik ist allerdings schon leise zu hören: Viele Werkzeuge gibt es bereits und müssen nur in einer Dat enbank zusammengefaßt werden. Dabei stellt sich eine Reihe von Problemen, die Schweppe in seiner Arbeitsgruppe lösen möchte..

Fast jede Datenbank hat beispielsweise eine eigene Anfragesprache, so daß die Benutzereingabe stets umformuliert werden muß, bevor sie an andere Datenbanken weitergereicht wird. Außerdem sind die Daten meist nach verschiedenen Systematik en abgelegt und können nur schwer verglichen werden..

Ein weiteres Problem stellt die Qualitätskontrolle der im Internet verfügbaren Aufsätze dar. "Manchmal werden die dort verzeichneten Artikel noch verändert, verschwinden ganz und tauchen wieder auf", erzählt Schweppe. Se in Wunsch: Wie bei wissenschaftlichen Zeitschriften soll auch in der MeDoc-Bibliothek jeder Sammelpunkt seinen eigenen Referenten haben, der die Qualität der Artikel kontrolliert. Bislang aber scheiterte ein solcher Versuch schlichtweg an der gro&szl ig;en Menge der neuesten Internet-Veröffentlichungen..

Dies zeigt, daß die Informatiker vor einem sehr ehrgeizigen Projekt stehen. Obwohl MeDoc erst vor acht Monaten aus der Taufe gehoben wurde, läuft bereits der Prototyp, und zehn als Pilotanwender beteiligte Universitäten und Fachhochschulen testen das System. Im März startet die Entwicklungsphase, wo neue Werkzeuge integriert und teilweise neu programmiert werden. Heinz Schweppe hat keine Zweifel, daß das Projekt bald Früchte tragen wird. "Auch wenn MeDoc in zwei Jahren nicht das Super-System ist, so wird es doch Einfluß auf die Nutzung der elektronischen Medien in der Fachinformation haben.".

Obwohl es einen Wildwuchs und die unterschiedliche Qualität von Informationsquellen im Internet gibt, glauben die MeDoc-Wissenschaftler für den begrenzten Bereich der Informatik einen Qualitätsstandard setzen zu können. Es gehe schlie& szlig;lich auch um eine Kultur der elektronischen Medien - wie Informationen bereitgestellt werden und wer sie auf welche Art nutzt. Das beginnt schon mit der Präsentation der Universitäten im Internet. Oft werde der Datenschutz sehr ernst genom men und die Telefonnummern der Mitarbeiter zum Beispiel nicht verzeichnet. "Dann ist ein Zusammenkommen natürlich nicht mehr möglich", sagt Schweppe. Nur ein Mittelweg zwischen großer Vorsicht und lachsem Umgang ist sinnvoll. Mit dem Projekt MeDoc lassen sich die Informatiker auf den dramatischen Umbruch in der Informationsnutzung ein, um ihn mitzugestalten. Das Projekt könnte wegweisend sein auch für andere Disziplinen, die die elektronischen Medien für die Fachin formation nutzen wollen..



Vasco Alexander Schmidt

Wer sich näher über MeDoc informieren möchte, kann im World Wide Web (WWW) eine Projektdokumentation abrufen, die regelmäßig aktualisiert wird. Die Einstiegsadresse heißt http://medoc.informatik.tu-muenchen.de.


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