Schwarzer "Rauch" aus heißen Quellen

Geologen schicken stählerne Spinne in die Tiefsee


"Schwarze Raucher" haben nichts mit illegalem Nikotinkonsum zu tun, sondern mit viel faszinierenderen Dingen: mit fremden Lebensformen in der Tiefsee, Gold und Silber oder dem Weltklima. Doch wenn Peter Halbach, Professor für Rohstoff- und Umweltgeologie an der FU, darüber spricht, klingt es nüchterner. Bei seiner jüngsten Mittelmeerreise wurde ein neuartiges Gerät getestet, das seine Arbeitsgruppe entwickelt hat. Die Hydro-Bottom-Station (HBS) ist ein sechsbeiniges Gerät zur "Beprobung von dispersen hydrothermalen Emanationen". Die stählerne Spinne bringt im wahrsten Sinne des Wortes Licht ins Dunkel der Tiefsee.

An einem Spezialkabel hängend sinkt sie durch absolute Lichtlosigkeit. Dorthin, wo am Anfang der Nahrungskette der Tod steht. In dauernder Nacht gibt es keine pflanzliche Produktion. Die meisten Lebewesen sind auf abgestorbene Mikroorganismen angewiesen, die als feiner "Schnee" auf den Meeresboden rieseln.

Hinab in noch lebensfeindlichere Regionen: Giftige Schwaden dringen aus Klüften. Sie sind äußerst salzig, stinken nach faulen Eiern oder sind mit dem Treibhausgas Methan angereichert. Vor allem an Mittelozeanischen Rücken, wo Erdkruste neu gebildet wird und unterseeische Vulkane brodeln, liegt das heiße Erdinnere so nah, daß sich Meerwasser extrem aufheizt und es zu vielgestaltigen chemischen Reaktionen in der Gesteinskruste kommt. Dort entdeckte man vor wenigen Jahren "Archae-Bakterien", die ohne Licht und Sauerstoff quasi in siedendem Wasser leben. Sie bilden die Grundlage einer eigenen kleinen Nahrungskette - damals eine wissenschaftliche Sensation.

Bis zu 4000 Meter tief kann die Hydro-Bottom-Station an einem Kabel vom Forschungsschiff auf den Meeresboden abgesenkt werden. Ferngesteuert wird dort unten eine Lanze ausgefahren (im Foto links), um Wasserproben zu entnehmen. Mit Kameras verfolgen die Wissenschaftler diese Aktionen (im Foto rechts).

Doch das Umfeld der "hydrothermalen Emanationen" - was soviel bedeutet wie hervorquellende heiße Lösungen - hat mehr zu bieten als neue Lebensformen. Es erlaubt einen Blick auf die Entstehung von Erzlagerstätten, auch Gold- und Silbervorkommen, und könnte von wirtschaftlicher Bedeutung sein. Durch den Austritt von Kohlendioxid und Methan, einem der aggressivsten Treibhausgase, gewinnen diese Quellen zusätzlich Bedeutung für das "Global Warming".

Grundsätzlich suchen sich die heißen Lösungen zwei Wege: Entweder schießen sie wie aus einem Ventil (fokussiert) heraus oder sie dringen aus vielen kleinen Klüften und Poren (dispers) an den Meeresboden. An den "Ventilen" bilden sich durch rasche Ausfällung von Elementen Schlote, die quasi "qualmen". Sulfidische Lösungen, die das Salz des so faulig stinkenden Schwefelwasserstoffs enthalten, sind an schwarzem "Rauch" zu erkennen. "Qualmt" es weiß, sind entweder Salze der Schwefelsäure (sulfatische Lösungen) oder Kieselsäure (silikatisch) am Werk; daher auch die Namen "black" oder "white smoker".

Rund zehnmal häufiger als solch spektakuläre Austritte sind freilich die "dispersen Emanationen", sie wirken wie ein "Flächenbrand" auf dem Ozeanboden. Ihre hydrothermale Wolke läßt sich über Kilometer hinweg von den Forschern an ihren Ursprung zurückverfolgen. "Wir kennen außerdem das tektonische Gefüge der Erde so genau, daß wir mit Tiefseekarten und Echolot recht nah an die untermeerischen Störzonen heranfahren können", sagt Prof. Halbach. Dann schlägt die Stunde der HBS: Das drei Meter hohe Gerät wird an einem Spezialkabel auf den Meeresgrund gesetzt. Es steckt voller High-Tech. Ferngesteuert kann es nun eine Lanze ausfahren, Wasserproben nehmen und sofort einige Parameter analysieren. Zusätzlich erlauben Kameras den Blick auf den Seeboden, und insgesamt 60 Liter Proben können nach oben zur Feinanalyse gebracht werden.

Ausgedacht haben sich die Berliner die "Spinne", realisiert wurde sie in Kiel von den Firmen GEOMAR und THETIS in Zusammenarbeit mit der TU Clausthal. Die FU und ihre Wissenschaftspartner aus Deutschland und Frankreich nutzen sie. Das Geld, rund 840.000 DM an Drittmitteln für die FU, kam vom Bundesministerium für Forschung und Technologie.

Die nächsten Einsätze führen in den Nord-Atlantik und das Fiji-Becken in der Südsee. In rund 2000 Metern Tiefe existieren dort bis zu einem Kilometer lange Hydrothermal-felder.

Halbach interessiert besonders die Schnittstelle von Geologie, Chemie und Biologie. Mit den "aktuo-geologischen Beobachtungen können wir viel über fossile Lagerstätten lernen", sagt der Professor, "das hilft auch bei der Erschließung an Land". Sein Mitarbeiter, Diplom-Geologe Thomas Kuhn, ergänzt: "Diese Untersuchungen bringen uns in der Bilanzierung der Elemente im Ozean weit voran." Wie wichtig ihr Gerät ist, zeigen die Anfragen aus dem Ausland. Andere Forschergruppen wollen auch mit der "Spinne" arbeiten.

Zur Klimarelevanz der austretenden Gase hat Halbach übrigens gute Nachrichten: "In so großen Tiefen richten weder Methan noch CO2 Schaden an. Sie bleiben im Wasser der Tiefsee gelöst und kommen nicht an die Atmosphäre."

Josef Zens


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