Bewerbungstraining für WiMis

"Eigentlich wollte ich an der Uni bleiben"


Nachdem die Zentraleinrichtung Studienberatung "Bewerbungstrainings" seit Jahren vor allem für Studierende anbietet, hat das Referat "Weiterbildung" im Rahmen seines "Mittelbau-Programms" in Zusammenarbeit mit der "Arbeitsstelle Hochschuldidaktische Fortbildung und Beratung" im vergangenen Sommersemester erstmals ein Bewerbungstraining für Angehörige des akademischen Mittelbaus durchgeführt. Das eineinhalbtägige Training wurde von Dr. Christine Kalb geleitet. Das Interesse an diesem Training war sehr hoch. Mehr als 50 Anmeldungen sind Ausdruck eines ganz offensichtlich vorhandenen, in der universitären Weiterbildung aber bislang unberücksichtigten Problems. Auch der zweite Kurs im Dezember ist schon längst ausgebucht.

Wissenschaftliche Mitarbeiter haben in der Regel keine realistischen Vorstellungen vom außeruniversitären Arbeitsmarkt. Viele interessieren sich angesichts der düsteren Stellensituation im Hochschulbereich für diesen Jobmarkt nur notgedrungen. Und so gesellt sich dann nicht selten zum objektiven Problem eines geringen Stellenangebots noch das subjektive Problem von vielen Suchenden: die mangelhafte Vorbereitung.

Die Palette der zu konstatierenden Fehler ist groß:

Kurzum: Es herrscht bei vielen Hochschulabsolventen eine absolute Unkenntnis über die "Regeln", die es zu berücksichtigen gilt, wenn man sich außerhalb der Universität "vermarkten" muß.

Auf diese Probleme konzentrierte sich das Bewerbungstraining. Folgende Inhalte standen im Mittelpunkt: Gründliche Recherche vor der Bewerbung, auch unter Berücksichtigung des neuen "Online-Stellenmarkts", das Verfassen von Lebenslauf und Anschreiben sowie die Vorbereitung auf die beiden gängigen Auswahlverfahren "Vorstellungsgespräch" und "Assessmentcenter" (am Beispiel zweier Simulationen / Rollenspiele). Bilanziert man den Verlauf des Trainings, so läßt sich festhalten: Hauptmanko bei den Anschreiben war der fehlende Bezug zum potentiellen Arbeitgeber. Das heißt: Auf die in der Stellenanzeige geforderten "Wünsche" des Arbeitgebers wird nicht eingegangen. Stattdessen überwiegt die Selbstdarstellung. In gewohnt wissenschaftlicher Manier stellt man dar, was man wo, wie lange und mit welchem Erfolg studiert hat. Warum und weshalb gerade diese Qualifikation für den vermeintlichen Arbeitgeber interessant sein könnte, darüber schweigen sich die meisten Anschreiben aus. Die durchaus richtige Ich-Botschaft ("was kann ICH") wird zwar übermittelt, nicht aber die mindestens ebenso wichtige Du-Botschaft ("was nützt DIR mein Können"). Die Anschreiben sind zu lang, soziale Kompetenzen bleiben unerwähnt, die Darstellung der eigenen Qualifikation ist oftmals zu abstrakt, unverständlich und ö arbeitsplatzbezogen ö irrelevant.

Bei den Interview-Simulationen zeigte sich, daß es Bewerber/n/innen häufig schwer fällt, den Arbeitgebern zu vermitteln, daß sie die Stellen wirklich wollen. Wer in einem Vorstellungsgespräch unterschwellig zu erkennen gibt, daß er / sie eigentlich lieber an der Universität bleiben würde, verspielt seine / ihre Chancen von vornherein.

Abschließend noch ein Wort zum Thema "Online-Stellenmarkt": Etwa die Hälfte der Teilnehmer des Trainings verfügten über eine Zugangsberechtigung zum Internet, d.h. sie besitzen die Möglichkeit, sich in dem rasant wachsenden Stellenmarkt im Internet zu orientieren. Welche Bedeutung der "Online-Stellenmarkt" zukünftig für Bewerber mit Hochschulabschluß haben wird, bleibt abzuwarten. Firmen sehen in diesem Markt eine Ergänzung des herkömmlichen Personalrekrutierungsverfahrens via Anzeigen in Printmedien. Man vermutet, daß ganze Branchen des akademischen Stellenmarktes aus den Printmedien ins Internet abwandern werden. Bereits jetzt bieten zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften ihren Stellenmarkt oder nützliche Hinweise zum Thema "Bewerbung" im Internet an. An den Universitäten Münster und Bremen existieren Initiativen, die Hochschulabsoventen kostenlose Möglichkeiten bieten, ihre Qualifikation im World-Wide-Web zu präsentieren.

Das Training wurde von den Teilnehmern als sehr gewinnbringend eingeschätzt, viele hätten gerne noch ein, zwei Tage länger trainiert. Im Sommersemester 1997 wird voraussichtlich ein weiterer Kurs angeboten. Einzelheiten sind dem Programmheft zu entnehmen. Im Januar wird es vom Referat "Weiterbildung" an die Wissenschaftlichen Mitarbeiter/innen versandt. Wer nach eingegangener Anmeldung an diesem (auf 15 Teilnehmende beschränkten) Training dann schließlich teilnehmen kann, entscheidet die Lostrommel.

Joachim Stary

Das von Joachim Stary verfaßte Informationspapier "Stellenm@rkt online" ist bei der "Arbeitsstelle Hochschuldidaktische Fortbildung und Beratung" der FU, Habelschwerdter Allee 34a, 14195Berlin, erhältlich.


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