Der deutsche Film - ein Dinosaurier?

Filmfaible führte in die Filmwirtschaft - RenŽe Gundelach, FU-Absolventin von 1969 mit Volkswirtschaftsdiplom


"Filmemachen ist wie Lottospielen, nur ist die Wahrscheinlichkeit, daß man gewinnt, etwas größer. Die Qualität eines Films ist planbar, der kommerzielle Erfolg hingegen nicht." RenŽe Gundelach, freie Filmproduzentin, weiß, wovon sie spricht: Sie produziert selbst, berät Filmschaffende und Filmprojekte, erstellt filmwirtschaftliche Gutachten und übernimmt die gesamte Filmgeschäftsführung für große Produktionsfirmen.


RenŽe Gundelach: "Wenn man den deutschen Film will, muß man ihn auch subventionieren."

Die diplomierte Volkswirtin ist eine der wenigen Produzenten in Deutschland, die auf die Produktion von Kinofilmen spezialisiert ist und sich im Wirrwarr der verschiedenen Finanzierungs- und Fördermöglichkeiten für Kinofilme zurechtfindet. "Der deutsche Kinofilm ist so etwas wie ein Dinosaurier", beurteilt RenŽe Gundelach die anhaltende Krise in der Filmwirtschaft. "Er ist unwirtschaftlich und vom Aussterben bedroht."

Nur gut die Hälfte der produzierten deutschen Filme kommt überhaupt in die Kinos. Von den Filmen, die tatsächlich zur Aufführung gelangen, spielt nur ein Bruchteil die Kosten durch ausreichende Besucherzahlen wieder ein. Im Gegensatz zum US-amerikanischen Film, der seine Marktmacht und Marktpräsenz in Deutschland in den letzten Jahrzehnten immer weiter ausbauen konnte, ist die Marktstellung des deutschen Kinofilms marginal. Nicht selten wird das System der staatlichen Filmförderung für die Krise in der Filmwirtschaft mitverantwortlich gemacht, so daß einige Kritiker sogar dafür plädieren, die Filmförderung ganz abzuschaffen.

RenŽe Gundelach wehrt sich vehement gegen eine Abschaffung der Filmförderung: "Die Konsequenz wäre, daß überhaupt keine Filme mehr produziert würden. Wenn man den deutschen Film will, muß man ihn auch subventionieren." Als Wirtschaftlerin ist es für sie völlig klar, daß dabei eben auch "Flops" subventioniert werden. Und doch gibt es ihrer Meinung immer wieder Filme, die beweisen, daß es sich lohnt, den Nachwuchs zu fördern. "In ganz vielen Filmen, die kaum das Licht der Kinowelt erblicken, stecken einfach hervorragende Talente." Sie selbst arbeitet und hat immer gerne mit Nachwuchsleuten gearbeitet. Mit vielen - heute bekannten Regisseuren wie Wim Wenders und Rosa von Praunheim - hat sie deren erste Filme produziert.

Heute gibt sie ihr Wissen und ihre langjährige Erfahrung in der Filmproduktion als Professorin an der Hochschule für Film und Fernsehen "Konrad Wolf" in Potsdam-Babelsberg weiter. Dort ist sie Leiterin des Studiengangs für Film- und Fernsehproduktionen und bildet angehende Produzenten aus.

1968 stieg RenŽe Gundelach in die Filmproduktion ein, noch bevor sie ihr VWL-Studium an der FU abgeschlossen hatte. In ihrem künftigen Beruf wollte sie Kunst und Wirtschaft miteinander verbinden. Als sie ihre eigene Produktionsfirma gründete, war sie gerade 25 Jahre. Turbulente Zeiten waren das damals. Sechs Jahre zuvor war sie aus Witten an der Ruhr nach Berlin gekommen. "Nach allem, was ich gehört hatte, bedeutete Berlin für mich Freiheit. Die Freie Universität war eine Verlockung - da wollte ich hin." Eigentlich hatte sie Journalistin werden wollen, kam aber schnell zu dem Schluß: "Nein, schreiben kann ich nicht."

Trotzdem, sie beschäftigte sich intensiv mit Massenkommunikation, belegte Seminare bei den Publizisten, verdiente sich in der dortigen Bibliothek als studentische Hilfskraft ihren Unterhalt - bis sie schwanger wurde: "Da flog ich sofort raus, denn einen Mutterschutz gab es damals noch nicht." 1966 brachte sie Zwillinge zur Welt, lebte mit ihnen in einer Wohngemeinschaft in Lichterfelde. In dem großen Haus, in dem sie noch heute wohnt, waren ein Kinderladen und später ihr Büro untergebracht. Wie sie Job, Uni und Kinder damals unter einen Hut brachte, ist ihr heute auch ein Rätsel.

Es scheint sich wie ein roter Faden durch ihr Leben zu ziehen, mehrere Aufgaben gleichzeitig zu bewältigen. Neben ihrer Arbeit als freie Produzentin war sie nach ihrem Studienabschluß geschäftsführende Gesellschafterin des Basis-Film Verleih. Einige Zeit zählte sie zu den wissenschaftlichen Mitarbeitern von Professor Reinhard Selten (Spieltheorie) - darauf ist sie heute besonders stolz. Später gründete sie Road Movies Filmproduktion GmbH und leitete die Geschäfte von Wim Wendersâ Filmproduktion. Sie saß im Verwaltungsrat, in der Richtlinienkommission und der EG-Kommission der Filmförderungsanstalt und ist seit 1990 Präsidentin der European Film Producer Association in Paris.

Bei allem Erfolg bedauert sie es heute, eine ganz bestimmte Sache nicht zu Ende gebracht zu haben: Ihre Dissertation über die Filmwirtschaft. Doch das âKlagenâ darüber hat schon im nächsten Moment ein Ende, schelmisch fügt sie hinzu: "Aber ich bin ja auch so Professorin geworden."


Christina Engel


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