Wolfgang Roth
"Als â61 die Mauer gebaut wurde, dachte ich mir, daß ich
eigentlich nach Berlin gehen müßte." Kurze Zeit erst hatte Wolfgang Roth
in Tübingen Wirtschaft und Politik studiert, als er seinen Vorsatz in
die Tat umsetzte. Er kam an die FU und wurde politisch aktiv.
Von Kindesbeinen an sei er Sozialdemokrat gewesen. Und so war der
Eintritt in die SPD 1962 für den damals 21-jährigen reine Formsache. An
der FU engagierte sich Roth als Finanzreferent im AStA, bevor er 1964 an
dessen Spitze gewählt wurde. "Wir hatten damals einen großen Einfluß auf
die Uni, beispielsweise auf die Berufung von Professoren", erzählt Roth.
Lachend erinnert er sich dann daran, wie 1963 der frischgewählte
AStA-Vorsitzende Eberhard Diepgen zu Fall gebracht wurde, als dessen
Kontakte zu Burschenschaften bekannt wurden. "In einer Riesenaktion" -
nämlich durch eine Urabstimmung, an der sich nicht weniger als 72 % der
Studenten beteiligten - wurde Diepgen abgewählt.
Mehr noch als der Protest gegen Professoren und Institutionen ist
für ihn "die abgrundtiefe Enttäuschung über Kennedys Politik und den
Vietnamkrieg" unweigerlich mit dieser Zeit verbunden.
Nach zwei Jahren in der Hochschulpolitik widmete sich Roth wieder
ganz seinem Studium, um es 1968 als Diplom-Volkswirt abzuschließen. Von
dem hohen Niveau der Wirtschaftsfakultät weiß er noch heute zu
schwärmen; auch das OSI hat er als "interessante Fakultät mit
exzellenten Leuten" in Erinnerung. Zu einigen seiner ehemaligen
Professoren blieb der Kontakt bis heute bestehen.
Sein Berufsweg führte ihn vom Kommunalwissenschaftlichen
Forschungszentrum des Deutschen Städtetages über die
Wohnungsbaugesellschaft "Neue Heimat" bis ins eigene
Planungsberaterbüro. Gleichzeitig kletterte er auf der politischen
Karriereleiter nach oben. Vom Bundesvorsitzenden der Jusos schaffte er
1974 den Sprung in den Parteivorstand der SPD. Zwei Jahre später
brachten ihm die Bundestagswahlen einen Sitz im Bundestag. Dort
profilierte er sich als wirtschaftspolitischer Sprecher. Nach 18 Jahren
Bundestag zog er einen Schlußstrich. Seitdem ist Wolfgang Roth
Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank (EIB) in Luxemburg und
für die Aktivitäten in Deutschland sowie in Mittel- und Osteuropa
zuständig. Die EIB, die als Finanzinstitut der EU die Förderung der
europäischen Integration zur Hauptaufgabe hat, stellt langfristige
Kredite für Investitionen in Industrie und Infrastruktur, insbesondere
in strukturschwachen Regionen zur Verfügung.
Bank statt Bundestag - für Roth hatte der Wechsel in die Wirtschaft
einen einfachen Grund: "Mit 50 habe ich mir überlegt, daß ich noch etwas
anderes machen möchte und nicht bis zu meinem Grabe im Bundestag bleiben
will."
Christina Engel
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