Entrepreneurship ist nicht Vetternwirtschaft: In der National School of Administration and Management in Vietiane diskutierten laotische und deutsche Wirtschaftsexperten über die Möglichkeiten einer behutsamen ökonomischen Entwicklung .
Auf Einladung des Lao-German Economic Training and Advisory Project, das von der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) unterstützt wird, leitete der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Günter Faltin ein einwöchiges Seminar in der laotischen Hauptstadt Vientiane zum Thema "Entrepreneurs in a Market Economy". Der französische Ausdruck Entrepreneur bezeichnet den Gründer eines Unternehmens, der mit einer neuen Idee auf den Markt kommt. Wie bedeutsam Entrepr eneure sind zeigt sich in der Tatsache, daß weltweit heute nicht mehr die Großunternehmen als arbeitsplatzschaffend angesehen werden, sondern es werden die Unternehmensgründer beachtet, die mit viel Engagement und offenen Augen für d ie Möglichkeiten des Marktes kleine, intelligente, flexible, auch ökologischen Bedingungen gerecht werdende Unternehmen gründen und dadurch neue Arbeitsplätze schaffen. Prof. Faltin, im FU-Arbeitsbereich Wirtschaftspädagogik t&aum l;tig, hat seit 15 Jahren Erfahrungen als Experte für Entrepreneurship in Asien sammeln können. Zuletzt war er im Rahmen einer zweijährigen DAAD-Gastprofessur an der Universität von Chiang Mai, Nordthailand, wo er mit dem Aufbau eines auf Theorie-Praxis-Transfer angelegten Instituts (UNISERV) für Entrepreneurship beauftragt war.
Haupteinkaufsstraße in der laotischen Hauptstadt: Noch läßt der Wohlstand in einem der ärmsten Länder der Welt auf sich warten.
Laos heißt offiziell noch immer Demokratische Volksrepublik Laos (Lao P.D.R.) und verfügt seit der Machtübernahme durch die kommunistisch ausgrichtete Partei Pathet Lao im Jahre 1975 über eine zentralistische Gesellschaftsstruktur. Seit jedoch deren Führer, Kaysone Phomvihane, 1992 starb, öffnet sich das Land, in dem 4,6 Mio Menschen leben und das ungefähr so groß wie Großbritanien ist, für ein marktwirtschaftliche Entwicklung. Die Vorbilder des reinen Berglandes, das über keinen Meereszugang verfügt und dessen Lebensnerv der Mekong ist, liegen vor der Haustür. So schickt sich z.B. Thailand laut einer Weltbankstudie an, bis zum Jahre 2005 zu den großen Wirtschaftsnationen in Europa aufzuschließen. Für Laos, das 1997 Mitglied in der asiatischen Wirtschaftsgemeinschaft ASEAN werden möchte, ist der Mekong nicht nur Hauptverkehrstraße und reiche Nahrungsquelle, sondern auch Energielieferant. Der Tourismus als Wachstumsbranche hingegen steckt noch in den Kinderschuhen, obwohl die wunderschönen Bergregionen, in den einige kleine Tourismusziele Natur pur ermöglichen, und die faszinierenden Tempelanlagen (Wat genannt) Laos zum interessanten Reiseland machen.
Der Bereich Tourismus ist für die Verbindung von Kultur und marktwirtschaftlicher Entwicklung eine zentrale Größe. Marktwirtschaft ist ein Konzept, dessen kultureller Hintergrund oft übersehen wird. Die europäischen Form der Marktwirtschaft, die geprägt ist von Individualismus und Wettbewerb, trifft in Asien auf ein Wertesystem, das an der Familie und dem Wohl der Gemeinschaft orientiert ist und das zu einem großen Teil auf dem Vertrauen in die Familienmitglieder aufbaut. Eine Übertragung marktwirtschaftlicher Ideen muß also auf die kulturellen Besonderheiten eingehen. Nicht nur weil dies eventuell sozial wünschenswert, sondern auch weil es wirtschaftlich vernünftig ist. Die Managementstrukturen des Oriental Hotel Bangkok - eiens der besten der Welt - sind ein Beispiel für erfolgreich praktiziertes Entrepreneurship: Theoretisch begründet hat sie der US-Wissenschaftler Francis Fukuyama in seinem vielbeachteten Buch "Konfuzius und Marktwirtschaft" (Kindler Verlag).
In westlichen Gesellschaften, in denen eher Fremde miteinander arbeiten, organisieren Verträge die Zusammenarbeit; aber diese Verträge, so der Asienexperte Fukuyama, produzieren hohe Kosten (im Fachjargon der Ökonomen Transaktionskosten genannt) und daher sind die effektivsten Organisationen solche Gemeinschaften, die diese Form der Kosten niedrig halten. Die in den Ländern Asiens noch eher funktionierenden Familienbande sind daher ein wirkliches Plus für die Unternehmensorganisation.
Wat Si Saket: Die Tempelanlage ist eine von vielen Baudenkmäern, die Ziele eines sensitiven Tourismus sein könnten.
Die Furcht vor der Entfremdung der eigenen Kultur bedeutet für alle Projekte, die versuchen Laos zu unterstützen, sehr sensibel auf die vorhandenen Vorurteile der Laoten gegen Marktwirtschaft einzugehen. Wenn es gelingt, die betriebswirtschaf tlichen Vorteile z.B. der Familienorientierung zu nutzen, können die kulturellen Werte der Laoten bewahrt werden. Familienunternehmen sind keineswegs rückständig; die Familie kann vielmehr als soziales Kapital des Unternehmens betrachtet we rden und einen bedeutenden Faktor schon bei der Unternehmensgründung darstellen.
Der Großteil von Faltins Seminar war darauf ausgerichtet, gemeinsam mit den laotischen Teilnehmern, die sich hauptsächlich aus Vertretern der Wirtschaftsverwaltung, Studenten und Dozenten der Universität zusammensetzten, die Bedeutung d er unternehmerischen Idee für den Erfolg einer Existenzgründung deutlich zu machen. In Workshops entwickelten die Teilnehmer eigene Geschäftsideen, vor allem im Bereich des Tourismus - ein Bereich, indem das Zusammenwirken von Kultur und En trepreneurship besonders deutlich wird: So kann ein kultursensitiver Tourismus, der dem Besucher die Begegnung mit der buddhistischen Kultur in einer Weise erlaubt, die die Fehler der westlich orientierten Touristikunternehmen und der Großhotellerie vermeidet, eine gute Chance für Unternehmensgründer sein.
Und eines, was sich seit Jahren in den USA deutlich abzeichnet, gilt auch in Asien: Frauen sind immer mehr der Motor des unternehmerischen Booms. So brachten Teilnehmer des Seminars Zeitungsberichte mit, die über die Erfolge chinesischer Grün derinnen berichteten.
Sven Ripsas
Der Autor ist Mitarbeiter im FU Forschungsprojekt "Universität und Entrepreneurship" und war Co-Referent im Seminar in Laos