Leibniz-Preis für Emo Welzl

Der diskrete Charme des Mathematikers


Wofür er den Preis bekommen hat, konnte er anfangs gar nicht sagen. "Ich habā mich noch nicht so richtig damit beschäftigt", erklärte Emo Welzl noch eine Woche nach seiner Auszeichnung. Und der Informatik-Professor und frischgebackene Leibniz-Preisträgers spricht stets so ruhig und überlegt, daß man dem 36jährigen seine Wissenslücke gerne abnimmt. Doch es ist Bescheidenheit. Jeder Wissenschaftler kennt den höchsten deutschen Forscherpreis, und es ist bekannt, daß er für wissenschaftliche Gesamtleistungen vergeben wird. Um so erstaunlicher, daß der junge Professor unter den Preisträgern ist. "Gewundert habā ich mich, daß meine Kollegen gar nicht so überrascht waren wie ich", erinnert sich Emo Welzl an den 9. Dezember, an dem er von der Auszeichnung erfuhr. Doch es gibt einen einfachen Grund: Sie hatten ihn ohne sein Wissen für den "deutschen Nobelpreis" vorgeschlagen. Welzl vermutet, daß es die gleichen waren, die ihn vor sieben Jahren an die Freie Universität holten. Damals habilitierte sich Welzl an der Universität Graz und wechselte mit 29 Jahren an die FU Berlin als deren jüngster C4-Professor. "Das war schon mutig, mich zu berufen", meint Welzl. Die FU hätte die Stelle auch mit einem etablierten Wissenschaftler besetzen können. Der Fachbereich lag mit seiner Wahl allerdings goldrichtig: Auf dem Gebiet der theoretischen Informatik hat sich Welzl längst einen Namen gemacht. 1992 erhielt er zusammen mit einem israelischem Kollegen den Max-Planck-Forschungspreis. Und nun den Leibniz-Preis.

Für die kommenden fünf Jahre stehen ihm damit 1,5 Millionen Mark mehr für seine Forschung zur Verfügung. "Das reicht für drei Mitarbeiter-Stellen", erklärt Welzl. Ihm schwebt vor, mit dem neuen Team eine Bibliothek von Computerprogrammen aufzubauen, die seine neu entwickelten Methoden benutzen. "Dann finden wir hoffentlich mehr Beachtung", hofft der Professor mit dem sympathischen österreichischen Akzent. Bisher nämlich habe er sehr theoretisch gearbeitet. Den Computer benutze er meist nur als Schreibmaschine und für die elektronische Post. Papier und Bleistift reichen oft für die Forschung aus. "Und die Kollegen sind wichtig", ergänzt Welzl.

Wer sich den theoretischen Informatiker als einsamen Grübler vorstellt, liegt falsch: Er mag die Teamarbeit. "Wenn man mit fünf Leuten diskutiert, bleibt man nicht so in Trivialitäten stecken." Welzls Bürotür steht deshalb meist offen, und seine Arbeitsgruppen treffen sich allein dreimal in der Woche zum sogenannten "Mittagsseminar". Montags zieht es über 30 Mathematiker aus ganz Berlin in das Informatikgebäude. Dann tagt das Graduiertenkolleg "Algorithmische diskrete Mathematik", dessen Sprecher Welzl ist. In der Forschung dreht sich alles um Algorithmen. Sie sind das formale Gerüst hinter einem Computerprogramm. Ziel ist es, die Programme schneller zu machen. Welzl interessiert sich vor allem für Probleme aus der algorithmischen Geometrie. Anwendungen finden sich in der Computer-Grafik, dem Schaltkreisentwurf, der Mustererkennung und der Kartographie.

Eine seiner Arbeitsgruppen etwa beschäftigt sich mit dem Beschriften von Karten. Das Münchner Wasseramt schickte den Wissenschaftlern eine Karte mit Grundwassermeßpunkten. Der Behörde war es nicht gelungen, die oft dicht beieinanderliegenden Punkte zu beschriften, ohne daß Buchstaben übereinanderliegen. Die Mitarbeiter von Emo Welzl haben das Problem nun mathematisch gefaßt und Algorithmen gefunden, die das Problem lösen und vor allem schnell sind. "Oft ist dafür auch der Zufall nützlich", erklärt Welzl. Denn alle Möglichkeiten nach und nach auszuprobieren, würde zu lange dauern. "Manchmal würfelt deshalb der Computer und entscheidet danach, wie es weitergeht." So seien die Arbeitsschritte des Rechners zwar nicht mehr voraussehbar, aber die Probleme könnten im Mittel schneller gelöst werden.

Die FU-Wissenschaftler um Welzl gehören zu den aktivsten Forschern auf dem Gebiet der sogenannten "probabilistischen Algorithmen". "Es ist schwer, einen anderen Ort zu finden, wo es so ein Potential gibt wie in Berlin", findet der Professor. Auch wenn dem Österreicher "manchmal die Berge abgehen", will er vorerst in Berlin bleiben. Außerdem komme sein Sohn bald in die Schule. Gut für die Freie Universität, so kann sie auch in Zukunft auf den ausgezeichneten Informatiker setzen.
Vasco Alexander Schmidt


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