Deutschland vor dem Hintergrund des Ost-West-Konflikts in seiner Gesellschaft
Zwischen Sozialstruktur und Stereotypen
Dieser Text wurde für einen Vortrag vor einer Delegation aus Marokko entworfen. Die Delegation sollte über die neuere Deutsche Geschichte seit der Wiedervereinigung aufgeklärt werden – an Vorkenntnissen konnte nur wenig vorausgesetzt werden. Die einzelnen Stichpunkte sollen einen Überblick zu den immer noch deutlichen ökonomischen, sozialen und kulturellen Unterschieden zwischen Ost- und Westdeutschland vermitteln. Ich würde mich über Rückmeldung, Kritik und Ergänzungen zu dieser Liste freuen. Vollständigkeit ist sicher nicht zu erreichen – statt dessen sind Angemessenheit und Ausgewogenheit die Hauptziele dieser knappen Aufstellung von Stichpunkten.
Autor: Lars Frers (2005)
Ich veröffentliche diesen Text unter der
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Inhalt
- Geschichte bis 1989
- Der Beitritt
- Wirtschaftliche Entwicklung seit 1989
- Soziale Konflikte
- Kulturelle Konflikte
- Weitere Unterschiede
- Zusammenfassung
Geschichte vor dem Beitritt
- 1949 Gründungen BRD und DDR, verschiedene Besatzungszonen
Siegermächte: Sowjetunion, Vereinigte Staaten von Amerika, Großbritannien und Frankreich - sechziger Jahre: 1961 Mauerbau, Kalter Krieg
- siebziger Jahre: Anerkennung & Zwei-Staaten-Konzept
- achtziger Jahre: Perestroika und Krise
Gorbatschow, Honecker, Kohl - Gründe für den Mauerfall
- Missachtung der Bürgerrechte (Reisen etc.)
Freiheit - Repression
- wirtschaftliche Probleme
- kein Reformwille in der Regierung
- allgemeine Entwicklung in Osteuropa
- Missachtung der Bürgerrechte (Reisen etc.)
- Montagsdemonstrationen
erst: für Wandel innerhalb des Sozialismus
Der Beitritt
- Mauerfall November 1989
- 2+4 Vertrag
Anerkennung der Staatsgrenzen durch die Siegermächte - Betritt Oktober 1990
Wiedervereinigung, Vereinigung oder Beitritt? (rechtlich: Beitritt) - Enthusiasmus
vor allem im Osten und in den Medien
in der westdeutschen Bevölkerung, selbst auf der Mauer, in einigen Fällen auch schon Skepsis und / oder Desinteresse
Wirtschaftliche Entwicklung seit 1989
- starkes Gefälle des Lebensstandards
- Umstrukturierung der DDR-Betriebe: Privatisierung und Marktwirtschaft
Treuhand- technologisch
veraltete Technologien, Verringerung der Anbindung an osteuropäische Standards - organisatorisch
staatliche Großbetriebe mit hohem Arbeitskräfteeinsatz vs. private Betriebe unterschiedlicher Größe mit starker Rationalisierung, Landwirtschaft - wirtschaftlich
Gewinnmaximierung vs. Planerfüllung - bald sehr hohe Arbeitslosigkeit – mehr als doppelt so hoch wie im Westen
Arbeitslosigkeit als persönliches und familäres Unglück
- technologisch
- Transferleistungen von West nach Ost: bisher mehr als 1 Billion Euro (auf verschiedenen Ebenen)
Alltagsgespräche: Solidaritätszuschlag - abnehmender Anteil der Frauen an der werktätigen Bevölkerung
Soziale Konflikte
- Abwanderung nach Westdeutschland
- hohe Mobilität der Ostdeutschen
- bis 1991 2 Mio., bis heute insgesamt ca. 4 Mio. von ursprünglich ca. 17 Mio.
- Alte bleiben zurück
- Entvölkerung auf dem Land und in besonders wirtschaftsschwachen Gebieten
Schrumpfende Städte
- Restitution von Eigentum
- Zugriff auf Stasi-Akten
- neue Zuwanderung nach Ostdeutschland
- vorher vor allem aus den sogenannten
sozialistischen Bruderländern
vor allem Vietnam, auch Afrika - keine Gastarbeiter wie in Westdeutschland
dort erste Zuwanderung aus Südeuropa: Türkei, Italien, Griechenland, ehem. Jugoslawien - Asylbewerber und Aussiedler
- Brandanschläge
nicht nur im Osten
- vorher vor allem aus den sogenannten
- Rechtsradikale in Ostdeutschland
- Präsenz im öffentlichen Raum
weniger geworden?
mediale Präsenz und / oder Stereotyp? - Parteien in einigen regionalen Parlamenten vertreten
Verbindung zwischen gewalttätiger Szene und Parteien?
Kulturelle Konflikte
- Stereotypische Ostdeutsche
- unkreative und nicht-leistungsorientierte Ostdeutsche
- Anspruchshaltung
- Männer: Stasi-Spitzel, Frauen: Sarah Wagenknecht
vor allem im ersten Jahrzehnt - später auch: Rechtsradikale
- Zonen-Gabi mit der Gurke
Meine erste Banane
, Naivitätsunterstellung
- Stereotypische Westdeutsche
- Arrogante Besserwessis
- Chefetage mit Westlern besetzt: bessere Bezahlung, unabhängig von Qualifikation
kolonialer Gestus - unsolidarische Einzelgänger
- Materialisten
- Wegfall Ost
Ostalgie- weniger direkte Austausch- und Nachbarschaftsbeziehungen
- schlechtere Versorgung mit kommunalen Leistungen wie KiTas, Gemeinderäumlichkeiten etc.
Familienverhältnisse und Rolle der Frau im Allgemeinen - höhere Preise für Grundbedürfnisse
- Entwertung von Idealen
vor allem Solidarität - Entwertung vorheriger Tätigkeiten
vor allem in den verschiedenen Partei- oder parteinahen Organisationen
- Aufschwung Ost: höherer Lebensstandard
- Straßenbau
- Kommunikationstechnologien und neue Produkte
vor allem Technologie, Autos und bestimmte Nahrungsmittel - Aufwertung der Wohnungen
Hier ist ja alles Grau in Grau.
(vs.Hier ist ja alles so grell und künstlich.
) - Reisetätigkeit
weiterhin: Ostdeutsche reisen sehr viel häufiger nach Osteuropa (auch finanzielle und praktische Gründe)
- Angleichung der Lebensstile
Medien, Werbung, Konsum - Geringer sozialer Austausch
Die Mauer in den Köpfen
, Rede des Bundespräsidenten
unterschiedlicher Erfahrungshintergründe und Alltagsgespräche
Weitere Unterschiede
- weniger Religiösität in Ostdeutschland
- römisch katholisch: 30%
- evangelisch: 30%
- konfessionslos: 30%
- islamisch: 4%
Kirchen als Versammlungsorte der BürgerrechtlerInnen in der DDR - Siedlungsstruktur: neue Vorstädte und Plattenbausiedlungen
in Ost und West
Zusammenfassung
- angehobener Lebensstandard bei gleichzeitiger hoher Arbeitslosigkeit im Osten
wo sind dieblühenden Landschaften
Kohls? - Abwanderung
- Kultureller Wandel
gemeinschaftliche Strukturen werden durch marktförmige Strukturen ersetzt - Problem der
Unterlegenheit Ost
- emotionales Thema, schwere objektive Einschätzung
Weiterführendes
- Statistisches Bundesamt. http://www.destatis.de/
- Wikipedia. Deutsche Wiedervereinigung. http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Wiedervereinigung