Brüssel, den 22. April 1999

 

EU-Unterstützungsprogramm für Deserteure und Kriegsdienstverweigerer der jugoslawischen Armee

Die Forderung nach einem EU-Unterstützungsprogramm für Deserteure und Kriegsdienstverweigerer der jugoslawischen Armee hat der Berliner SPD-Europaabgeordnete Dr. CHRISTOF TANNERT auf der heutigen Pressekonferenz bekräftigt und erläutert. Anläßlich der Präsentation seiner neuen Studie über "Militärdienst und das Recht auf Kriegsdienstverweigerung in den Staaten des westlichen Balkans" (abrufbar auf dem Internet: unter http://www.christof-tannert.de auch in Englisch und auszugsweise in Serbo-Kroatisch) fordert TANNERT, Mitglied des Menschenrechtsausschusses des Europäischen Parlaments, erneut "alle Mitgliedstaaten auf, entsprechend dem Gebot der Menschlichkeit endlich Deserteuren und Militärdienstverweigerern aus Jugoslawien Asyl zu gewähren." Er stützt sich mit dieser Forderung auf eine Entschließung des Europäischen Parlaments, die schon 1993 zur Unterstützung von Deserteuren und Kriegsdienstverweigerern aus dem ehemaligen Jugoslawien aufrief, die aber bisher von den Mitgliedstaaten nicht umgesetzt wurde.

Auch wenn keine genauen Zahlen für Deserteure vorliegen, gibt es Indizien, die auf eine sehr hohe Zahl schließen lassen. 200 000 Deserteure aus der Zeit des Bosnienkrieges und seither hatte die Jugoslawische Regierung im Herbst letzten Jahres zu den Waffen zurückgerufen und bis Ende des Jahres Straffreiheit zugesichert. In Ungarn leben Tausende von Flüchtlingen, die sich nicht trauen, sich als Deserteure zu deklarieren - auch weil sie wohl hofften, daß die Kriegshandlungen von kurzer Zeitdauer sein werden. Ihre Situation wird mit jedem Tag brenzliger. Hunderte werden in Nordjugoslawien gefangen gehalten. Deshalb fordert Christof TANNERT: "Die Regierungen sollen handeln und durch die Unterstützung von Desertion und Militärdienstverweigerung die militärische Macht der jugoslawischen Armee schwächen."

Im Vorwort zur Studie, die Albanien, Bosnien-Herzegovina, Jugoslawien, Kroatien und Mazedonien umfaßt, schreibt TANNERT: die Regierungen sollen "ein EU-Programm auflegen, das den Deserteuren den Beginn einer neuen wirtschaftlichen Existenz ermöglicht und sie auf ihre Rückkehr und zum Aufbau einer zivilen und demokratischen Gesellschaft vorbereitet. Wenn 50 000 Deserteure aus Jugoslawien dafür je 5 000 Euro erhielten, so würde diese Art Demobilisierung 250 Millionen Euro erfordern. Der aktuelle Einsatz der Bundeswehr wird vorsichtigen Schätzungen zur Folge das Dreifache kosten."

Der Abgeordnete TANNERT verwies in diesem Zusammenhang auch auf seinen Entwurf eines "Kodex für das Recht auf Kriegsdienstverweigerung in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union", den er als Initiativbericht für den Menschenrechtsausschuß anregte: "Daß die Harmonisierung dieses Rechtes in der EU nötig ist, zeigt der aktuelle Fall des 36-jährigen Familienvaters Lazaros Petromelidis, der 1992 den Kriegsdienst verweigert hatte."

Petromelidis wurde letzte Woche, am 15. April, in Pireäus zu vier Jahren Gefängnis verurteilt, weil er zwar Zivildienst leisten wollte, aber nicht für die Dauer von 39 Monaten anstelle der 4 Monate Militärdienst mit der Möglichkeit, sich von den restlichen 8 Monaten freikaufen zu können, wie dies für Wehrpflichtige seines Alters und Familienstandes in Griechenland per Gesetz vorgesehen ist. Die heute veröffentlichte Studie wurde in Ergänzung zu seiner Untersuchung über "Kriegsdienstverweigerung und Zivildienst in den Beitrittsstaaten der Europäischen Union" erstellt, die 1998 unter dem Titel "Das Menschenrecht Kriegsdienstverweigerung und das Europäische Parlament" publiziert wurde.

Quelle: Homepage von Christof Tannert