Kalhammer 1989

Kalhammer, Hubert:
Wallfahrtskirche Sammarei.
Patrozinium Mariä Himmelfahrt 15. August.
Bistum Passau - Gemeinde Ortenburg - Landkreis Passau.
Passau: Kunstverlag-Peda 1989.


Aus diesem Wallfahrtskirchenführer werden im folgenden die für uns wesentlichen Beschreibungen, teilweise gekürzt, wiedergegeben (S. 2-29):

  • Name und Geschichte:

    Der für einen niederbayerischen Ort ungewöhnlich klingende Name "Sammarei" entpuppt sich bei genauerem Hinhören als ein im bayerischen Dialekt abgewandelter Ortsname kirchlichen Ursprungs. Er leitet sich her von dem Lateinischen "Sancta Maria" (Heilige Maria) und wurde über Sankt Marei zu Sammarei. Eine Besitzbeschreibung des Zisterzienserklosters Aldersbach aus den Jahren 1233-1343 erwähnt für das Jahr 1296 den Erwerb eines "praedium (Hof) ad sanctam Mariam". Dabei steht am Rand verzeichnet: "datz sant marein". Weiterhin berichtet eine Urkunde des Aldersbacher Tochterklosters Fürstenzell vom Jahre 1381, dass sich der Hof "ze Sandmarein" als Pfand vom Kloster Aldersbach in Händen des Ritters Sweikker des Tuschl befunden habe. Diese beiden frühesten Nennungen von Sammarei sind ein Hinweis darauf, dass hier schon seit dem hohen Mittelalter ein wenn auch bescheidenes Heiligtum der Muttergottes stand, das dem an der Wolfach gelegenen Einödhof des Klosters Aldersbach den Namen gegeben hat. Bei der Weihe der Wallfahrtskirche im Jahre 1631 wurde der Altar in der Kapelle der schmerzhaften Gottesmutter geweiht, und der Bildhauer Jakob Bendl schuf im Jahre 1640 für die Kapelle eine Pietà. Somit darf angenommen werden, dass in der Holzkapelle zu Sammarei ursprünglich eine schmerzhafte Muttergottes verehrt wurde.

  • Entstehung der Wallfahrt:

    Von der Entstehung einer Wallfahrt in Sammarei ist erst die Rede nach dem Brand des dortigen Bauernhofes im Winter des Jahres 1619. Ein zeitgenössischer Bericht dazu stammt von dem späteren Aldersbacher Abt Gerard Hörger (1651-1669). Er war unter Abt Michael Kirchberger (1612-1635), dem Erbauer der Sammareier Wallfahrtskirche, in Aldersbach eingetreten und war später dessen Beichtvater. Hörger beschreibt in seiner Chronik der Aldersbacher Äbte ausführlich den Ursprung der Wallfahrt zu Sammarei: Bei dem Bauerngut zu Sammarei stand zwar schon vor dem Jahre 1521 eine hölzerne Kapelle. Sie fand jedoch wenig Beachtung, bis im Jahre 1619 das Bauerngut durch ein Feuer eingeäschert wurde. Brennende Äste der umstehenden Bäume fielen auf das Dach der Kapelle, ohne sie in Brand zu stecken. Ja, ein Apfelbaum, der ganz nahe bei der Kapelle stand und den das Feuer ausgedörrt hatte, hat im folgenden Jahr wieder ausgeschlagen, geblüht und Frucht getragen. Die Äpfel mit Quittengeschmack überschickte Abt Michael der Kurfürstin Elisabeth mit der Bitte, sie wolle bei Kurfürst Maximilian die Erlaubnis erwirken, um die so ausgezeichnete Kapelle herum eine Kirche erbauen zu dürfen. Nach vielem Berichts- und Briefwechsel wurde die Erlaubnis erteilt.

  • Bau der Wallfahrtskirche:

    Am 1. April 1629 konnte Abt Michael Kirchberger im Beisein des kurfürstlichen Maurermeisters Isaak Bader, der den Kirchenbau zu Sammarei führte, feierlich den Grundstein zur neuen Kirche legen. Bereits zwei Jahre später, am 21./22. September 1631, wurde die neuerbaute Kirche durch den Regensburger Weihbischof Otto Heinrich mit Erlaubnis des Passauer Bistumsverwalters Marquard von Schwendi geweiht. Die Innenausstattung scheint noch nicht vollendet gewesen zu sein, da erst im Jahre 1640 der Pfarrkirchener Bildhauer Jakob Bendl für die Gnadenkapelle einen Altar und ein Vesperbild anfertigte und 1647 die Kanzel.
    Das rasche Aufblühen der Wallfahrt während und nach dem Dreissigjährigen Krieg veranlasste das Kloster Aldersbach zu intensiver seelsorglicher Betreuung. Im Jahre 1690 legte Abt Engelbert Fischer (1683-1705) den Grundstein zum stattlichen Wallfahrtspriesterhaus, in dem zeitweise vier Aldersbacher Zisterzienser wirkten.
    Einen schweren Schlag bedeutete die Aufhebung des Klosters Aldersbach im Jahre 1803. Die Wallfahrt wurde zunächst von ehemaligen Konventualen weiterbetreut.Erst 1862 wurde die Wallfahrt der Pfarrei Rainding als Nebenkirche eingegliedert und der Pfarrhof von Rainding nach Sammarei in das ehemalige Wallfahrtspriesterhaus verlegt. Die Wallfahrtsseelsorge obliegt seit dieser Zeit dem jeweiligen Pfarrer von Rainding.

  • Das Geläute der Wallfahrtskirche (S. 29-30; Angaben von Domkantor Heinz-Walter Schmitz aus Passau):

    Das Geläute hat eine aussergewöhnliche Zusammenstellung. Es besteht aus vier Läuteglocken, einer kleinen Totenglocke und einem zwölftönigen Glockenspiel. Dieses diatonische Glockenspiel aus Eijsbouts, Aasten/Holland stammt aus dem Jahre 1987 und ist das einzige derartige Spiel in ganz Niederbayern. Stündlich erklingt vom Turm ein dem Kirchenjahr angepasstes Marienlied, so:
    º Freu dich, du Himmelskönigin
    º Wunderschön prächtige
    º Meerstern ich dich grüsse
    º Alle Tage sing und sage
    º Maria, dich lieben
    º Gegrüsset seist du Königin
    º Maria, wir dich grüssen
    º Zu Bethlehem geboren
    º Sagt an, wer ist doch diese

  • Das Innere der Wallfahrtskirche:

    Das Innere der Kirche ist ein lichtdurchfluteter Längsraum. Am Chorbogen wird er durch eine fünfteilige Altarwand abgeschlossen, die über die ganze Breite des Raumes geht und den Blick in den Chorraum versperrt. Allerdings wurde bei der Renovierung von 1978der im 19. Jahrhundert eingefügte Tabernakelaufbau wieder entfernt, so dass eine Öffnung mit Kunstschmiedegitter, wie ursprünglich, den Blick in die sich dahinter befindene Gnadenkapelle freigibt.

  • Die Gnadenkapelle:

    Durchschreitet man einen der beiden Durchgänge unter den Hochalterflügeln, so steht man in einem schmalen, über und über mit Votivtafeln behangenen Gang, der die Gnadenkapelle halbkreisförmig umzieht. Die hölzerne Feldkapelle mit Holzschindeldach und Dachreiter in der Mitte des Chorraumes bildet das Herzstück der Wallfahrtskirche. Über ihr wurde von 1629-1631 die Wallfahrtskirche erbaut. Die Kapelle wird bereits 1521 erwähnt. Sie ist in wesentlichen Bestandteilen heute noch die Kapelle, die beim Brand von 1619 unversehrt erhalten geblieben ist. Der Zugang befindet sich an der Südseite. Das gebrochene Tageslicht, das aus dem Kirchenschiff und durch die vier Dachluken einfällt, taucht den Raum in ein heimeliges Dämmerlicht. Das Rokokoaltärchen mit zwei seitlichen Durchgängen, die das Umschreiten des Gnadenbildes ermöglichen, ist nicht mehr der ursprüngliche Altar von Bendl. Der jetzige Altar von 1772 ist eine gefällige Rokokoanlage mit gedrehten Säulen. Das Tabernakelgehäuse hat in seinem Sockel eine mit einem Gitter verschlossene Nische, in der sich eine holzgeschnitzte Pietà befindet.

  • Das Gnadenbild:

    Nachweislich seit 1631 wurde das heutige Altarbild in der Kapelle zum Kultbild. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurde es bereits mehr als die Pietà verehrt. Es gilt seither als das eigentliche Sammareier Gnadenbild. Das auf Leinwand gemalte Ölbild, dessen Maler und Entstehungszeit nicht gesichert sind, gilt als Kopie eines spätgotischen Holztafelbildes in der Maurerkapelle der Sankt-Jakobs-Kirche in Straubing. Dieses Holztafelbild wird seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert Hans Holbein dem Älteren zugeschrieben. Seit 1985 ist ein ähnliches Bild von dem Niederländer Adrian Isenbrandt von 1551 bekannt, das sich heute im Szépmúvészeti Múzeum in Budapest befindet. Die Sammareier Kopie dürfte bereits vor der Erstellung des ursprünglichen Gnadenaltares entstanden sein, denn sie trägt auf der Rückseite die Aufschrift 1631. Zudem erscheint dieses Kultbild schon auf einer Reihe von Votivtafeln des 17. Jahrhunderts. Im Bildaufbau zeigt es grosse Verwandtschaft mit dem bekannten Mariahilfbild des Lukas Cranach. Wie dieses darf es den sogenannten byzantinischen Gnadenbildtypen zugeordnet werden. Das Sammareier Gnadenbild zeigt Maria als sitzende Halbfigur. Das in den zarten Schleier gehüllte Kind steht mit beiden Füssen auf dem Schoss der Mutter und schmiegt sich an ihre rechte Seite. Es liebkost und herzt die Mutter. Das offene, über beide Schultern fallende Haar Mariens ist mit einem weissen, auf der Höhe des linken Ohres zurückgeschlagenen Kopftuch bedeckt. Maria trägt ein rotes Kleid und einen roten Mantel, der an der linken Schulter mit einer Schmuckagraffe am Kleid befestigt ist. Am Vorstoss der Ärmel und am Halsausschnitt ist ein blaues Unterkleid sichtbar.

  • Die Votivtafeln:

    Der Innenraum und das Äussere der Gnadenkapelle, aber auch der Chorumgang sind mit Votivtafeln aus vier Jahrhunderten dicht behängt. Nahezu 1300 Bilder auf Leinwand, auf Holzbrettchen und hinter Glas gemalt, künden noch heute von Not und Elend unserer Vorfahren, aber auch von ihrem tiefen Vertrauen zur Gottesmutter von Sammarei. Die ältesten Tafeln reichen noch zurück in die Zeit der Erbauung der Kirche. Zum besseren Verständnis dieser Votivtafeln darf gesagt werden, dass sie aufgrund eines Gelöbnisses in menschlicher Notlage angefertigt und aufgehängt wurden (daher die Aufschrift: EX VOTO). Trotz der Vielfalt der Bilder liegt ihnen ein idealtypischer Bildaufbau zugrunde. Vier Elemente kennzeichnen das Votivbild: das in der Himmelssphäre schwebende Gnadenbild, der darunter kniende Votant, der Gelöbnisanlass und eine erklärende Bildinschrift. Allerdings wird das eine oder andere Element oft verkürzt dargestellt oder auch ganz weggelassen.