Belzig/St. Gertraud (ehem. Hospitalkapelle) (Ev. Friedhofskirche)

Kirchenkreis Lehnin-Belzig

Die kleine, ursprünglich der Heiligen Gertraud geweihte Kirche war im Mittelalter eine Hospitalkapelle und wird heute als Friedhofskapelle genutzt. Sie zeigt typisch hochgotische Stilelemente (Spitzbogenportal, Blendgiebel), die jedoch durch den Anbau eines renaissancezeitlichen Chores verändert wurden. Im Inneren bewahrt sie stark verblasste Reste von spätgotischen Wandmalereien. Das genaue Gründungsdatum des Hospitals und der Kapelle ist nicht bekannt (vermutl. 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts).

Patrozinium: St. Gertraud (von Nivelles)

Lage der Kirche: Die Stadt Belzig entstand aus zwei Siedlungskernen, einer Marktsiedlung um die Marienkirche (an der Handelsstraße von Magdeburg nach Berlin), und dem Ort Sandberg, einem Suburbium der Burg Eisenhardt, die südlich des Stadtkerns von Belzig liegt. Die Kapelle liegt im städtischen Friedhof der Stadt Belzig, d.h. nördlich des alten Stadtkerns. Das ehemalige Gertrauden-Spital lag vor den Mauern der Stadt Belzig.

Ortsgeschichte: Die "Capella Gertrudis" wird um 1450 erstmals urkundlich erwähnt. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß sich diese Nennung bereits auf den jetzigen Kirchenbau bezieht. Nagel (1963) mußte das Gründungsdatum des Hospitals und der Kapelle offenlassen. Die Hospitalbauten sind nach Urkundenlage deutlich nach 1383 entstanden, vermutlich in der 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts. Außer der Kapelle haben sich keine Reste des Hospitals mehr erhalten.

Baustruktur: Es handelt sich um eine Rechteckkirche (12,95-13,15 m lang, 8,35 m breit) mit angebautem fünfseitigem Chor (Ostseite: 3,40 m, Ansatzbreite: 3,80 m, Länge: 3,60 m) mit Lisenen an den jeweiligen Ostecken des Chores. Die Kapelle ist zwischen 3,5 - 4,5 m hoch, je nach Position am stark abschüssigen Hang. Schwer zu erklären, aber erwähnenswert ist, dass die Chorwände - von der Ansatzstelle an das Schiff aus gesehen - zunächst divergieren und jeweils erst nach der ersten "Ecke" im Norden und Süden wieder konvergieren, um schließlich mit einem geraden Schluß im Osten abzuschließen. Der Chor besteht somit aus fünf Seiten eines Sechsecks, im Gegensatz zu den üblichen (gotischen) 5/8-Abschlüssen. Der Ostgiebel ist (bzw. war vor dem Choranbau) ein Ziergiebel mit spitzbogigen Blenden. Die Gewände der Blenden sind aus Backsteinen gemauert. Innen springt der Ostgiebel über dem Querbalken etwas ein bzw. der Querbalken ist etwas überstehend. Der Westgiebel ist ebenfalls massiv gemauert, hat aber keine Blenden. Die Giebel sind relativ steil. Die Blenden des Ostgiebels reichen sehr dicht an das Dach heran. Möglicherweise sind die Giebel geringfügig abgetragen worden. Die Kirche ist Ost-West ausgerichtet.

Mauerwerksausführung: Das Kirchenschiff selbst ist ein Feldsteinbau, während der Chor aus Backstein gemauert wurde. Das aufgehende Mauerwerk des Schiffs ist völlig unregelmäßig mit viel Ziegelmaterial. In Traufhöhe befinden sich in der Westwand auch lagige Partien. Der Chor ist mit Ziegeln gemauert. Das Format ist stark variabel (27-28,5 x 13,5-14 x 7,5 cm). Der Westgiebel weist größere Flächen auf, die ausschließlich mit Ziegeln gemauert sind. Im oberen Teil der südlichen Lisene des Chores wurden gelbliche Ziegel (wie Zusetzziegel Nordportal) verwendet. Die Mauerstärke beträgt am Westeingang ca. 80 cm. Das Gebäude weist schwere Setzungsschäden auf. In der Südwand sind zwei Eisenanker angebracht worden, an der Südostecke sind klaffende Risse, die nur notdürftig zugeputzt worden sind.

Mörtel und Putze: Der ursprüngliche Teil der Kirche (Feldsteinbau) ist steinsichtig verputzt. Der Chor war ursprünglich komplett verputzt. Allerdings bröckelt der Putz inzwischen an vielen Stellen, und das Ziegelmauerwerk kommt zum Vorschein.

Portale: In der Nordwand ist ein zugesetztes spitzbogiges Portal mit Ziegelgewände zu erkennen. Die Ziegel des Gewändes und des Bogens messen 27,5-28 x 12-12,5 x 9-9,5 cm. Das Portal ist mit gelben Ziegeln des Formats 25 x 12,5 x 6-6,5 cm zugesetzt worden, allerdings nur im oberen Teil. Im unteren Teil wurden auch Ziegel des Formats 28 x 13 x 8 cm verwendet. Das Westportal ist flach-segmentbogig. Die Ziegel des Westportals messen 27-28 x 12,5 x 8,5 cm (unteres rechtes Gewände) bzw. 27 x 14,5 x 7-7,5 cm (innerer Bogen und oberer Teil Gewände). Das Portal ist nicht mittig, sondern leicht nach Norden versetzt. Das linke Gewände hat keine Ziegel im unteren Bereich. Dies läßt sich nur mit einer einseitigen Verbreiterung eines ursprünglichen Westportals auf der linken Seite erklären.

Fenster und Blenden: Die zwei Fenster auf der Südseite sind spitzbogig mit einfachem Maßwerk. Die Nordseite ist (und war auch ursprünglich) fensterlos. Die Ziegel der Südfenster haben das Format 27-28 x 14,5 x 8 cm. Die Fenster haben auch innen Maßwerk und sind mit farbigen ornamentalen Malereien eingefaßt. Im Chor sind auf der Nordost- und Südostseite segmentbogige Fenster. Das segmentbogige Fenster in der Ostseite wurde zugesetzt. Die Ostseite kann höchstens ein ursprüngliches Fenster gehabt haben. Dies kann man aufgrund des kleinen "Triumphbogens" folgern, der beim Umbau der Kirche im Jahre 1615 in die Ostwand eingebrochen wurde sowie wegen fehlender Reste von Fenstern beiderseits des "Triumphbogens". Der Westgiebel weist ein korbbogiges Fenster und darüber noch ein flach-segmentbogiges knapp unter dem First auf. Dieses sitzt in einem ursprünglich breiteren und höheren Fenster. Es ist unten verkürzt worden. Im Ostgiebel befanden sich drei gestaffelte, spitzbogige Blenden, die durch das Dach des Choranbaus teilweise verdeckt sind.

Innenbögen: Es sind keine ursprünglichen Innenbögen vorhanden. Der jetzige "Triumphbogen" ist relativ klein, rundbogig und wurde beim Anbau des Chores im Jahre 1615 in die Ostwand eingebrochen.

Turm: Die Kirche ist turmlos.

Dächer: Das Kirchendach ist mit Biberschwanzziegeln gedeckt. Der Dachstuhl ist relativ steil.

Innenausstattung: Das Innere des Schiffes ist mit einer geputzten Tonnendecke überwölbt. Der Fußboden ist mit quadratischen Ziegelplatten ausgelegt. Der Chor ist zwei Stufen höher als der Schiffsboden. Die ehemalige Kanzel des Kirchleins befindet sich jetzt in Jeserig/Fläming (Dehio). Der Altar ist eine einfache Altarmensa aus Ziegeln gemauert. Die hölzerne Westempore soll nach dem Dehio noch aus der Zeit der Renovierung von 1615 stammen. Auf der Westempore steht ein kleines Harmonium. Im Schiff haben sich größere Reste von Wandmalereien erhalten. An der nördlichen Innenwand findet sich über dem zugesetzten Nordportal ein stilisierter gotischer Giebel. Etwas weiter östlich sind stark vergangene Reste biblischer Szenen zusehen, von denen nur die Namen noch gut zu lesen sind (Olofernes, Judit sowie Saul, David und Goliat). Noch sehr gut zu sehen ist eine ummauerte Stadt oder größere Burg mit hohem Bergfried. Handelt es sich dabei um die mittelalterliche Burg Belzig? An der Südwand haben sich unterhalb der Fenster und die Fenster umrahmend ornamentale Malereien erhalten. Im gesamten Schiff verteilt sind Weihekreuze an die Wände gemalt.

Außenbereich: Das Schiff besitzt unter der Dachtraufe der Seitenwände einen einfachen Ziegelfries aus zwei Lagen Backstein. Die untere Lage springt eine Backsteinbreite vor, die obere Lage eine halbe Backsteinbreite. An der Nordwand von Chor und Schiff lehnen etlich alte Grabsteine und schmiedeeiserne Kreuze. Westlich neben dem jetzigen (neuen) Eingang zum Friedhof ist in der alten Friedhofsmauer noch das Gewände und der Ansatz des Bogens des alten Friedhofsportals erhalten. Es hatte ein Ziegelgewände bzw. einen Ziegelbogen. Die Ziegel haben das Format 28,5 x 14,5-15 x 8,5-9 cm. Das Portal wurde mit unbehauenen Feldsteinen zugesetzt.

Baugeschichte: Der Baubeginn der Kirche dürfte wahrscheinlich noch in die 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts fallen (vor 1450). Die urkundliche Erwähnung der Kapelle (um 1450) ist natürlich kein Beweis für die Existenz des jetzigen Baues. Allerdings ist dieser Baubeginn durchaus auch kompatibel mit den wenigen Stilelementen (Fenster, zugesetztes Nordportal) sowie mit der Geschichte der St. Gertraud-Hospitäler in der Mark Brandenburg (Nagel, 1963).
Die ursprüngliche rechteckige Kirche hatte ein Nord- und Westportal sowie zwei Fenster auf der Südseite. Die Existenz eines ursprünglichen Westportals kann als sicher gelten, da das heutige Westportal nicht genau mittig, sondern leicht nach Norden verschoben ist. Lediglich das rechte (südliche) Gewände weist im unteren Teil dieselben Ziegelformate auf wie die des Nordportals, während das linke Gewände bei einer einseitigen Verbreiterung völlig beseitigt wurde. Stattdessen wurde ein neues Gewände aus Feldsteinen gemauert. Wahrscheinlich hatte die Ostseite nur ein Fenster, ein Sachverhalt, der sich durch die spätere Zerstörung der Ostwand und den anschließenden Choranbau wohl nicht mehr sicher klären läßt. Aber die relativ breiten Teile der Ostwand, die vom Choranbau freigelassen werden, zeigen keine Reste von zugesetzten Fenstern. Für eine Dreiergruppe von Fenstern in der Ostseite bliebe kein Platz mehr.
Anfang des 17. Jahrhunderts wurde die Kirche umgebaut. An die Ostseite wurde ein polygonaler Chor angefügt (1615), das Westportal wurde einseitig nach Norden verbreitert. Der Dachstuhl bzw. die Giebel wurden repariert. Das Hospital wurde 1636 von den Schweden niedergebrannt. Die Kapelle blieb aber verschont, wie die noch vorhandenen Inneneinbauten (Westempore) zeigen.
Im 19. Jahrhundert wurde das Nordportal mit gelblichen kleinformatigen Ziegeln zugesetzt. Zeitgleich dürfte auch die südliche Lisene des Chores mit diesen gelblichen Ziegeln repariert worden sein.
Im Westgiebel ist das obere Fensterchen verkleinert worden. Das Ziegelformat konnte bisher noch nicht erfaßt werden, aber die Ziegel haben den Anschein von Industrieziegeln. Vermutlich geht diese Veränderung auf eine Umbauphase im 20. Jahrhundert zurück.

Vergleiche: Bisher gibt es keine Vergleiche der noch erhaltenen Hospitalkapellen in Brandenburg. Der Chor ist sehr ähnlich dem zu gleicher Zeit entstandenen Chor der Briccius-Kirche auf dem Sandberg (Belzig).

Bemerkungen: Der Baubeginn wird in der Literatur sehr unterschiedlich beurteilt. Während der "Dehio" das Alter offenläßt ("nach 1383 mit Hospital verbunden"), datiert das Werk "Die Bau- und Kunstdenkmale in der DDR" die Kirche in die 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts. Das "Historische Ortslexikon für Brandenburg" folgt dieser Datierung. Um 1450 wird die "Capella Gertrudis" erstmals urkundlich erwähnt. Wahrscheinlich ist der Baubeginn der Kapelle daher in der 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts zu suchen (vgl. auch Nagel, 1963).

Information und Dank: -

Literatur: Nagel (1963): St. Gertraud und ihre Hospitäler in der Mark Brandenburg. Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte, 14: 7-19, Fischer (1970), Brandenburgisches Namenbuch, Teil 2 Die Ortsnamen des Kreises Belzig, S.29, Rohrlach (1977): Historisches Ortslexikon für Brandenburg, Teil 5 Zauch-Belzig, S.25, Bau- und Kunstdenkmale in der DDR, Bezirk Potsdam (1978), S.16, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Bezirke Berlin/DDR und Potsdam (Dehio/Potsdam), (1983), S.130, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler Brandenburg (Dehio/Brandenburg) (2000), S.63/4.

Ältere Beschreibungen:

Dehio/Potsdam (1983): Gertrauden-Kap. (Friedhofs-Kap.) Nach 1383 mit Hospital verbunden. Nach zeitweiliger Profanierung 1615 als "Christuskirche" wiederhergestellt. - Spätgot. rck. Feldsteinbau mit kleinem polyg. Choranbau von 1615. Wohl gleichzeitig der korbbogige w Eingang. Die spitzbogigen Öffnungen und die Giebel Backstein; im OGiebel Spitzbogenblenden. Innen jetzt Hohltonne und der Rest der WEmpore um 1615, weitere Teile davon in der Marien-K.

Dehio/Brandenburg: Gertraudenkapelle (Friedhofskapelle). Nach 1383 mit Hospital verbunden. Nach zeitweiliger Profanierung 1615 als "Christkirche" wiederhergestellt. - Kleiner spätgotischer Feldsteinbau, rechteckig, 1615 um das über sechsseitigem Grundriß errichtete Altarhaus erweitert (vgl. Bricciuskirche). Wohl gleichzeitig das Nordportal zugesetzt, korbbogiger westl. Eingang. Spitzbogige Fenster mit Backsteineinfassung, im Ostgiebel spätgotische Blendengliederung. Innen Holztonne und Westempore, um 1615, die Brüstungstafeln jetzt in der Marienkirche. Reste spätgotischer Wandmalereien. Die Szenen (David und Goliath, Judith und Holofernes) nur noch durch die Inschriften zu identifizieren. Gut erhalten die gemalten Randleisten sowie die Einfassung der Fenster und des Nordportals, hier illusionistische architektonische Rahmung und Bekrönung. Der umgebende Friedhof nach 1575 auf dem erweiterten Friedhofsgelände des Gertraudenhospitals angelegt. An die Kapelle angelehnt mehrere barocke Inschriftplatten, meist ornamental gerahmt oder mit architektonischem Abschluß. In der Nähe der Kapelle und im südl. Teil des Friedhofs einige klassizistische Grabmäler mit glattem oder kanneliertem Säulenstumpf und bekrönender Vase, Urne oder Schale.

Bau- und Kunstdenkmale in der DDR: Ehemalige Hospital-Kapelle St. Gertraud. Rechteckiger Feldsteinbau der 2. H. 15. Jh., das Chorpolygon aus Backstein A. 17. Jh. - Auf dem Friedhof zahlreiche Grabplatten, Grabsäulen und eiserne Grabkreuze des 17. bis 19. Jh.

Historisches Ortslexikon für Brandenburg: ehem. Hospitalkapelle St. Gertraud rechteckiger Feldsteinbau 2. Hälfte 15. Jh, Chorpolygon Anfang 17. Jh.

Aufnahme der Kirche: Oktober 1999, Juli 2001, Juni 2002

Grundriss:

Grundriss der Belziger St. Gertraud-Kapelle (eigene Aufnahme; nicht winkeltreu).

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©Theo Engeser und Konstanze Stehr, Jühnsdorf, 2003