Kurznachrichten aus der Mongolei

(Berichtszeitraum: Januar 1993 - Dezember 1993)

von Bernd Johann

Reiselustige Mongolen.
12.985 Ausländer besuchten 1992 die Mongolei aus geschäftlichen oder privaten Gründen. Demgegenüber unternahmen über 200.000 Mongolen Reisen ins Ausland. (Ardyn Erh zit. n. MM, 5.1. 93).
Privatisierung.
13.848 ökonomische juristische Personen wurden 1992 neu registriert. Dazu gehörten 1967 Kooperativen und 9.901 private Unternehmen. Insgesamt arbeiteten damit zum Ende des Jahres 1992 gut 20.000 Wirtschaftssubjekte. 64 Joint Ventures wurden 1992 registriert, so daß die Zahl der Unternehmen mit ausländischer Kapitalbeteiligung auf 80 kletterte. Die Aktien von 220 Kapitalgesellschaften wurden an der Börse in Ulan Bator verkauft. Rund 500.000 Vouchers in einem Wert von 3-4 Milliarden Tugrik wurden verkauft. (Ardyn Erh zit. n. MM, 5. 1. 93).
Neujahrsansprache des mongolischen Präsidenten.
In seiner Botschaft an die Nation wünschte Präsident Ochirbat seinen Landsleuten Erfolg und Wohlstand für das Jahr 1993. Er räumte ein, daß das Land noch immer in einer tiefen Krise steckte. Insbesondere sei es noch nicht gelungen, Engpässe in der Versorgung mit Nahrung und Konsumgütern zu überwinden. Der Staatschef forderte die Mongolen auf, mit individuellen Engagement an der Umsetzung des "Aktionsprogramms" der Regierung mitzuwirken. (MM, 5. 1. 93).
Opposition fordert Rücktritt der Regierung.
Hart kritisiert wurden der Vorsitzende des Parlaments, N. Bagabandi, und Ministerpräsident P. Jasrai, während eines öffentlichen Diskussionsforums, zu dem die "Koalition der vier Unionen", eine demokratische Bewegung von Nationaldemokratischer und Sozialdemokratischer Partei, eingeladen hatte. Im Anschluß verlangte die Opposition in einer Petition die Einrichtung einer Kommission zur Untersuchung von Machtmißbrauch und Fehlern bei der Privatisierungspolitik. (MM, 16.2. 93).
Erste Dividenden-Ausschüttung an der Börse (18. 2. 93).
Keine großen Gewinne, dafür jedoch ein Novum in der Geschichte der Mongolei versprach die erste Auszahlung von Gewinnen an die neuen Aktionäre in der Mongolei. (Reuter 18. 2. 93).
Unzufriedenheit bei der Opposition.
Die Nationaldemokratische und die Sozialdemokratische Partei drohten, den Staatsxural zu verlassen, da sie wegen der Mehrheitsverhältnisse im Parlament nicht mehr als eine "Geisel" der MRVP seien. Sie kritisierten die Untätigkeit der Regierung bei der Behebung der Wirtschaftskrise und verlangte deren Rücktritt. (DW-Monitor Asien v. 11. 3. 93).
Nahrungshilfe.
Das Welt-Nahrungs-Programm wird 4.000 Tonnen Weizenmehl in die Mongolei senden, um die Nahrungskrise zu entschärfen. Auch die Asiatische Entwicklungsbank und die Bundesrepublik kündigten Nahrungsmittelhilfen an. (Reuter 7.4. 93).
Schneestürme.
Bei den schlimmsten Schneestürmen seit einem halben Jahrhundert kamen mindestens zehn Menschen im Westen des Landes ums Leben. Rund 500.000 Tiere verendeten. (AFP 14. 4. 93).
Überraschung bei der Kandidatennominierung für die Präsidentschaftswahlen (11./12.4. 93).
Die MRVP nominierte L. Tudew, den Herausgeber der Parteizeitung Unen ("Wahrheit"), zum Kandidaten für die Präsidenten-Wahlen am 6. Juni. Tudew gilt als ideologischer Hardliner. Er setzte sich gegen seinen Konkurrenten, den bisherigen Präsidenten P. Ochirbat, überraschend durch. Die Oppositionsparteien im Parlament, die Nationaldemokratische Partei und die Sozialdemokratische Partei, stellten im Gegenzug wiederum P. Ochirbat als ihren gemeinsamen Kandidaten auf. Die Nominierung von Tudew werteten sie als Anzeichen für eine reaktionäre Wende. Von einem Wahlsieg Ochirbats, der bislang für demokratische und marktwirtschaftliche Reformen eingetreten war und deshalb eine Reihe von Regierungsvorhaben blockiert hatte, erhoffen sie sich ein Gegengewicht zum MRVP-dominierten Parlament. (Reuter 12. u. 13. 4. 93).
Ausstellung deutschsprachiger Bücher.
Am 13.5. 93 wurde eine zweiwöchige Ausstellung von 1.500 Büchern und Periodika aus Deutschland, Österreich und der Schweiz in der Staatlichen Bibliothek von Ulan Bator eröffnet. Zu den Organisatoren der Ausstellung gehörten die Deutsche Botschaft und die Mongolische Akademie der Wissenschaften. Anschließend wurden die Werke aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Belletristik an verschiedene mongolische Institutionen überreicht. Ein Teil der Bücher ging an das Deutsch-Mongolische Zentrum, dessen Eröffnung für 1994 in der Deutschen Botschaft geplant ist. (MM, 18. 5. 93).
Freier Wechselkurs des Tugrik.
Am 28.5. 93 führte die mongolische Regierung die vollständige Konvertibilität der nationalen Währung ein. Am selben Tag legte die Mongolische Bank den Umtauschkurs von einem US$ auf 394 Tugrik fest. (MM, 1.6. 93).
Neue Banknoten.
Das Bildnis Chinggis Khans ziert die neuen 500-Tugrik-Scheine, die ab 6.6. 93 von der Mongolischen Bank in Umlauf gebracht wurden. (MM, 1.6. 93).
Ochirbat zum Präsidenten wiedergewählt (6. 6. 93).
Mit 57,8% der Stimmen ging der bisherige Amtsinhaber und Kandidat der Koalition aus Nationaldemokratischer und Sozialdemokratischer Partei, P. Ochirbat, als Sieger der Präsidentschaftswahlen hervor. Sein Herausforderer L. Tudew von der Revolutionären Volkspartei erzielte lediglich 38,7% der Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag bei 92,7%. Ochirbat ist der erste, direkt vom Volk gewählte Präsident der Mongolei. Nach seiner Wahl kündigte er an, für die gesamte Nation einzutreten und dafür mit allen Parteien und Bürgern des Landes zusammenzuarbeiten. Das Ergebnis zeige, daß die Mehrheit der Bevölkerung der alten marxistischen Ideologie eine klare Absage erteilt habe und für die neue Verfassung eintrete. (MM, 22. 6. 93).
Kommentare zum Ausgang der Wahlen.
In einer Stellungnahme zum Ausgang der Präsidentschaftswahlen wertete der Vorsitzende der gemeinsamen Wahlkampfkommission von Nationaldemokratischer und Sozialdemokratischer Partei, M. Enchsaichan, den Sieg ihres Kandidaten Ochirbat als Beweis des Vertrauens der Bevölkerung in dessen Aktivitäten und persönliche Autorität. Das Wählervotum sei Ausdruck des Wunsches der Bevölkerung nach politischer Stabilität und einer Balance zwischen allen politischen Parteien. B. Dash-Yondon, Generalsekretär der Revolutionären Volkspartei, betonte in einer Pressekonferenz, daß seine Partei das Votum der Wähler respektieren und den Präsidenten bei seiner Tätigkeit unterstützen werde. Nach Schätzungen hätten 30% der Mitglieder seiner Partei ebenfalls für Ochirbat gestimmt. Gelächter unter den anwesenden Journalisten rief sein Hinweis hervor, daß Ochirbat noch immer Mitglied der Revolutionären Volkspartei sei, obwohl dessen Mitgliedschaft derzeit wegen seines politischen Amtes ruht. (MM, 22. 6. 93; SWB-FE/1712, 11. 6. 93).
Mongolischer Präsident vereidigt.
Am 18.6. 93 legte P. Ochirbat seinen Eid auf die Verfassung ab. Einen Tag zuvor verabschiedete das mongolische Parlament das Gesetz über die Rechte des Präsidenten, welches das Staatsoberhaupt mit eingeschränkten Vollmachten ausstattet. (MM, 22. 6. 93).
"Drei-Flüsse-Projekt".
Auf einer Pressekonferenz (23. 6. 1993) wurden die Ergebnisse des mongolisch-japanischen Projekts "Drei-Flüsse" (Gurvan Gol) zur Erforschung der geheimen Begräbnisstätte Chinggis Khans vorgestellt. Zwar konnte die genaue Lage des Grabes nicht ermittelt werden. Neben einer Vielzahl neuer archäologischer Funde benannte das Forscherteam indes vier Orte in der Mongolei, an denen sich das Grab Chinggis Khans befinden könnte. Mit Hilfe modernster geophysikalischer Untersuchungsmethoden gelang es überdies, Konturen der alten Hauptstadt des legendären Herrschers im Sum Delgerchan (Khentii-Aimag) festzustellen. (MM, 30.6. 93).
Neues Gesetz über ausländische Investitionen.
Das am 1. 7. 1993 in Kraft getretene Gesetz gewährt ausländischen Investoren gleiche und in Einzelfällen sogar größere Sonderrechte und Vergünstigungen als den mongolischen Unternehmen. Insbesondere markiert es günstige Bedingungen für Investitionen in den Bereichen Treibstoff, Engergie, Straßenbau, Kommunikation und Minenwesen sowie in der chemischen, metallurgischen und Maschinenindustrie. (MM, 18. 5. 93 u. 21. 7. 93).
Stand der Privatisierung.
Rund 70 Prozent der staatlichen Vermögenswerte waren bis 1. Juli 1993 in Privateigentum umgewandelt worden. Dazu gehören 600 Betriebe und Kooperativen im Rahmen der großen Privatisierung sowie rund 6.000 Wirtschaftssubjekte im Rahmen der kleinen Privatisierung. In einer Zwischenbilanz erklärte B. Ochbadrakh, stellvertretender Vorsitzender der staatlichen Privatisierungskommission, daß bislang 82% aller Privatisierungscoupons (Vouchers) verteilt wurden. Davon wurden lediglich 72% der blauen Vouchers (große Privatisierung) und 66% der rosa Vouchers (kleine Privatisierung) von der Bevölkerung an der Börse investiert. Der Abschluß des Privatisierungsprozesses, der ursprünglich für den 31. August vorgesehen war, soll daher hinausgeschoben werden, bis alle Vouchers an der Börse in Umlauf gebracht worden sind. Nach der Sommerpause ist geplant, mit der Privatisierung der Wohnungen zu beginnen. Vor allem im Bereich der Landwirtschaft räumte Ochbadrakh Abweichungen vom Privatisierungsgesetz ein. So kam es mitunter zu widerrechtlichen Aneignungen von Kollektiveigentum durch einzelne Mitglieder der Kollektive. (MM, 21. 7. 93).
Ökonomische Lage weiterhin kritisch.
Zum Ende des ersten Halbjahrs 1993 steht die Mongolei nach wie vor großen wirtschaftlichen und finanziellen Problemen. Dies geht sowohl aus der Halbjahresbilanz der mongolischen Regierung, als auch des staatlichen Amtes für Statistik hervor. Zwar ist ein leichter Aufwärtstrend bei einzelnen Exportgütern wie Kupferkonzentrat, Leder und Kaschmirwolle zu verzeichnen, insgesamt jedoch ist die Industrieproduktion gegenüber dem Vorjahreszeitpunkt um 20% zurückgegangen. Die hohe Belastung der Unternehmen durch Steuern und Abgaben trug dabei zum Rückgang der Produktion bei. Im Außenhandel konnte die Mongolei ihre Exporte um 21% (31 Millionen US$) steigern. Zugleich verringerten sich die Importe um 19,1% (30 Millionen US$). Insgesamt betrug der Umsatz im Außenhandel 300,6 Millionen US$, davon entfielen 172,5 Millionen auf die Exporte und 128,1 Millionen US$ auf die Importe. Während sich damit die Außenhandelsbilanz verbesserte, klaffte im Staatshaushalt ein Defizit von gut 2 Milliarden Tugrik: staatlichen Einnahmen in Höhe von 15,3 Milliarden Tugrik standen Ausgaben von 17,4 Milliarden Tugrik gegenüber. Die Vermehrung der im Umlauf befindlichen Geldmenge durch die Ausgabe neuer Banknoten kurbelte die hohe Inflationsrate weiter an. Die Freigabe der Preise und das Floating des Tugrik führten im ersten Halbjahr 1993 zu einem kräftigen Anstieg der Verbraucherpreise. So stieg der Gesamtindex aller Preise für Güter und Dienstleistungen gegenüber dem Juni 1992 um fast 400%. Allein die Wohnungsmieten versechsfachten sich und die Preise für Trinkwasser lagen acht mal über denen des Vorjahres. Demgegenüber verdoppelte sich gerade einmal das durchschnittliche Monatseinkommen der Haushalte. In der Stadt lag es bei 7.200 und auf dem Land bei 7.800 Tugrik. Die Zahl der Arbeitslosen erhöhte sich bis zum 1.7. 93 auf 60.000. Schwierig ist nach wie vor die Situation in der Landwirtschaft. In Folge von Naturkatastrophen kamen rund 1 Million Tiere insbesondere in den westlichen Aimags um. Auch die bebaute Ackerfläche (55000 Hektar) schrumpfte gegenüber den vergangenen Jahren. Dies schafft Probleme für die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln. (MM, 21. 7. 93).
Kartensysten aufgehoben.
Seit dem 1.8. 93 gibt es in Ulan Bator keine Lebensmittelkarten mehr. Über Rationierungskarten waren zuletzt noch Mehl, Brot und Fleisch erhältlich. (MM, 3. 8. 93).
Heftiger Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition.
Im Verlauf der herbstlichen Sitzungsperiode des Parlaments übten Sozialdemokratische und Nationaldemokratische Partei Kritik an der Wirtschaftspolitik der Regierung. Sie warfen dem Kabinett unter Leitung von Ministerpräsident Jasrai vor, durch widersprüchliche und inkonsequente Maßnahmen die wirtschaftliche und soziale Lage des Landes verschlechtert zu haben. Nach Auffassung der Opposition haben die Konzeptionslosigkeit und das Festhalten an überholten Denkmustern die Mongolei nicht nur in eine tiefe Krise gestürzt, sondern es drohe überdies eine Wiederbelebung der Einparteiendiktatur. Ministerpräsident Jasrai lehnte unterdessen Forderungen der Opposition nach seinem Rücktritt ab. Rückendeckung erhielt der Regierungschef vom Parlament, in dem die altkommunistische Revolutionäre Volkspartei die überwältigende Mehrheit besitzt. Die Parlamentarier verabschiedeten eine Resolution, die den strategischen Kurs der Regierung unterstützt und die Erfolge bei der Freigabe der Preise, der Einführung eines freien Wechselkurses der nationalen Währung und der harten Geldpolitik würdigt. (MM, 9. 11. 93, S. 1; 16. 11. 93, S. 1).
Präsident tadelt Wirtschaftspolitik der Regierung.
Ungewöhnlich scharf kritisierte Präsident Ochirbat in einer Rede vor dem Parlament die Politik der Regierung. Er warf dem Kabinett vor, die Zielvorgaben des "Aktionsprogramms" nicht zu verwirklichen, da der Niedergang der Wirtschaft noch immer nicht gestoppt worden sei. Dabei verwies er nicht nur auf den Produktionsrückgang in vielen Wirtschaftsbranchen, sondern warnte, daß das Bruttosozialprodukt bis zum Ende 1993 um mehr als 10% gegenüber dem Vorjahr absacken könnte. Ebenfalls nicht bewältigt hätte die Regierung die Aufgabe, die Versorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln zu verbessern. Der Präsident sagte, daß die meisten Mongolen nicht in der Lage wären, die hohen Preise der Produkte zu bezahlen, so daß der Lebensstandard weiter sinke. Viele Menschen, besonders in den abgelegenen Ortschaften, seien bereits unterernährt. (MM, 12. 10. 93, S. 1; 16. 11. 93, S. 1).
Die Mongolen müssen den Gürtel enger schnallen.
Alarmierende Zahlen veröffentlichte das Staatliche Amt für Statistik über die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln. Mit 7,6 Mio. lag die Aufzucht von Jungtieren 1993 um rund 1 Mio. unter dem Bestand des Vorjahres. Einbußen verzeichnete der Report auch bei der Erzeugung von Milchprodukten und Fleisch. So lag die Produktion von Butter 1993 8,9mal niedriger als 1989 und bis zum 1. Oktober 1993 wurde 54% weniger Fleisch geliefert als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Auch bei landwirtschaftlichen Produkten wie Getreide und Kartoffeln ging die Erzeugungsmenge drastisch zurück. Die amtlichen Daten machen deutlich, daß der Nahrungsverbrauch der Bevölkerung im Oktober 1993 gerade einmal den minimalen Bedarf decken konnte. So lag der tägliche Verbrauch pro Kopf in der Stadt bei 1529 und auf dem Land bei 2129 Kalorien. (MM, 12. 10. 93, S. 3).
Kein Minderheitenstatus für Opposition im Parlament.
Der Vorschlag der Opposition, der parlamentarischen Minderheit einen offiziellen Status einzuräumen, wurde im Staatsxural abgelehnt. Die fünf Oppositionsabgeordneten von Nationaldemokratischer und Sozialdemokatischer Partei unterbrachen daraufhin aus Protest für zwei Tage die Teilnahme an den Sitzungen. Der sozialdemokratische Abgeordnete, R. Gontschigdortsch, warf der Revolutionären Volkspartei auf einer Pressekonferenz am 25.10. 93 vor, die Spielregeln der Demokratie zu mißachten. Nach seiner Ansicht habe sich eine diktatorische Herrschaft der Parlamentsmehrheit herausgebildet. Gontschigdortsch machte deutlich, daß ein Mehrparteienparlament nicht nur die Garantie der individuellen Rechte der Abgeordneten, sondern auch die Gewährung von Gruppenrechten erfordere. (MM, 26. 10. 93, S. 1; 2. 11. 93, S. 1).
Streik im Kupfer-Werk von Erdenet.
Ende Oktober traten die Beschäftigten des großen Kupferkombinats in den Ausstand. Sie forderten eine Anhebung ihrer Monatslöhne um das Zehnfache auf 130.000 - 170.000 Tugrik. (MM, 2. 11. 93, S. 1).
Club der Geschäftsleute unzufrieden mit Regierung.
Kritik mußte sich Ministerpräsident Jasrai bei einem Treffen mit Wirtschaftsvertretern stellen. Die Geschäftsleute rügten vor allem die hohen Steuern, die ein großes Hindernis für die unternehmerische Tätigkeit seien. Sie warfen der Regierung vor, anstelle ökonomischer Hebel zunehmend auf administrative Methoden zur Steuerung der Wirtschaft zurückzugreifen. Demgegenüber verwies Jasrai auf die Leistungen seiner Regierung bei der Entwicklung des privaten Sektors. (MM, 2. 11. 93, S. 1).
Inflation leicht gebremst.
Die jährliche Inflationsrate kletterte von 105,4% im Jahre 1991 auf 651% in 1992. In den ersten neun Monaten des Jahres 1993 lag die Inflation bei 295,6%. Zur Eindämmung der Geldentwertung setzt die Regierung auf eine Politik des knappen Geldes, u.a. durch hohe Zins- und Kreditsätze sowie hohe Steuern. (MM, 2. 11. 93, S. 2).
Preisanstieg.
Der "Mongol Messenger" veröffentlichte Daten zum Wachstum der Verbraucherpreise. Die Kosten für Güter und Dienstleistungen erhöhten sich verglichen mit dem Januar 1991 im Jahre 1992 um das 6,5fache und um das 16fache bis Oktober 1993. Die Preise für bestimmte Grundnahrungsmittel kletterten auf dem Land auf ein höhreres Niveau als in Ulan Bator. So kostete im Herbst 1993 ein Laib Brot in Ulan Bator 59 Tugrik, im Aimag Selenge etwa dagegen bis zu 120 Tugrik. Parallel zum Preisanstieg stiegen die Löhne und Gehälter der staatlichen Beschäftigten lediglich um das 2,3fache. (Preise in Tugrik):
			Januar 1991	Ende 1992	Oktober 1993
1 kg Rindfleisch	12		59		248 - 320
1 kg Hammelfleisch	15		59		248 - 350
Alkohol			82		495		790
Reis			4,4		135		85
Mehl			2,2		18		86
russ. Ziegeltee		20		640		900
Pflanzenöl		18		50		850
Milch			4		27		70
Laib Brot		2,4		13		59
Zucker			8		120		195
Textilstoffe		8		160		230
Winterschuhe (Herren)	670		3.500		3.540
Winterschuhe (Damen)	520		10.000		8.500
(MM, 2. 11. 93, S. 2)
Monel stellt Produktion ein.
Für unbestimmte Zeit stoppte die Elektronikfirma Monel die Fertigung von Fernsehern und Telefonen. Grund ist der Mangel an harten Devisen, ohne die der Betrieb keine Einzel- und Ersatzteile im Ausland kaufen kann. (MM, 2. 11. 93, S. 2).
Anstieg der Jugenkriminalität.
In den ersten drei Quartalen des Jahres 1993 stieg die Zahl der Delikte von Jugendlichen um 46% gegenüber dem Vorjahreszeitraum. (MM, 16. 11. 93, S. 3).
Autoboom in der Mongolei.
In den letzten drei Jahren hat sich die Zahl der Autos verfünffacht und beträgt heute 38.000. Davon gehören 8.000 staatlichen Behörden, 13.000 sind Privatfahrzeuge. Viele Autos stammen aus zweiter Hand und sind in keinem verkehrssicheren Zustand. Der Schadstoffgehalt in den Abgasen liegt um das Zwei- bis Dreifache über dem zulässigen Niveau. Zudem ist der Benzinverbrauch der Fahrzeuge sehr hoch. Rund 200.000 Tonnen Treibstoff müssen jährlich in die Mongolei importiert werden, wovon der größte Teil durch Autos verbraucht wird. (MM, 16. 11. 93, S. 3)
Mysteriöse Radioaktivität in Ulan Bator.
Ende November 1993 wurden mehrere Tonnen radioaktiv verstrahlten Erdreichs aus Ulan Bator abtransportiert. Die Verseuchung war an mehreren Stellen, u.a. im dichtbewohnten Stadtteil Bayanzurh, festgestellt worden. Die Strahlung wurde von offiziellen Stellen mit 700 Milliröntgen beziffert. Ursache ist das radioaktive Isotop Strontium 90, welches für medizinische Zwecke verwendet wird, aber auch bei der Explosion von Kernwaffen frei wird. Nach Angaben der Behörden stammte es vermutlich aus 24 Glaskapseln, die 1972 für wissenschaftliche Zwecke aus Rußland an die mongolische Akademie der Wissenschaften geliefert worden waren und dann auf bislang ungeklärte Weise verschwanden. Behördenvertreter beteuerten, daß keine Gefahr für die öffentliche Gesundheit bestanden hätte. Sie räumten allerdings ein, daß die radioaktiven Substanzen durch Staubpartikel in der Luft möglicherweise in Atmungsorgane und Trinkwasser von Menschen und Tieren gelangt sein könnten. Eine umfassende Untersuchung wurde angekündigt. (Reuter, 30. 11. 93)
Konflikt um Steuergesetzgebung.
Nach Auffassung der Opposition behindern die geltenden Steuergesetze die Entwicklung des Privatsektors. Angesichts der hohen Steuern versuchten viele Firmen, ihr Einkommen zu verbergen oder würden ihre Produktion bewußt herunterfahren, um weniger Steuern bezahlen zu müssen. (MM, 7. 12. 93).
Parteienfusion.
Die Vereinigte Partei der Privateigentümer, die Vereinigte Partei der Viehzüchter und Bauern sowie die Partei der Unabhängigkeit schlossen sich zu einer gemeinsamen Partei zusammen. (MM, 7. 12. 93).
Energiemangel hält an.
Auch im Winter 1993/94 gab es wieder Defizite bei der Energieversorgung. Ursachen waren finanzielle und technische Probleme sowie der Rückgang in der Kohleförderung. (MM, 14. 12. 93).
Ökonomische Bilanz 1993.
In den vergangenen elf Monaten des Jahres 1993 betrugen die staatlichen Einnahmen 44,9 Mrd. Tugrik, die Ausgaben hingegen 50,8 Mrd. Tugrik. Das Haushaltsdefizit belief sich somit auf knapp 6 Mrd. Tugrik. Der Umsatz im Außenhandel erreichte von Januar bis November 1993 654,6 Mio. US$. Davon entfielen 324,4 Mio. US$ auf den Export und 320,2 Mio. US$ auf den Import. Die Preise für Güter und Dienstleistungen stiegen bis November 1993 um das 18-fache gegenüber Januar 1991 und um das 2,8-fache gegenüber Januar 1992. Der Preisanstieg konnte daher 1993 leicht gebremst werden. (MM, 14.12. 93).
Haushalt 1994 verabschiedet.
Nach heftiger Debatte verabschiedete das Parlament den staatlichen Haushalt für 1994. Dieser sieht Einnahmen in Höhe von 63,3 Mrd. Tugrik und Ausgaben von 78,5 Mrd. Tugrik vor. Dies bedeutet ein Haushaltsdefizit von etwa 15 Mrd. Tugrik, was etwa sieben bis acht Prozent des Bruttosozialprodukts entspricht. Finanzminister Dawaasambuu äußerte die Hoffnung, durch eine größere staatliche Investitionstätigkeit die Wirtschaft beleben zu können. Ein großer Teil der staatlichen Einnahmen soll für Renten und den Gesundheitsbereich verwendet werden. Um Kosten einzusparen, soll die Zahl der Ministerien verkleinert und die Effizienz des Verwaltungsapparats überprüft werden. Unrentable Staatsbetriebe sollen geschlossen werden. (MM, 14. 12. 93).
Kamele vom Aussterben bedroht?
Nicht nur die seltenen Wildkamele, sondern auch die Hauskamele werden immer weniger. Noch 1950, also vor der Massenkollektivierung des Viehbestandes, wurden in der Mongolei knapp eine Million Kamele gezählt, 1992 waren es nur noch 415.000. Eine der wichtigsten Ursachen für den rapiden Schwund ist der Verzehr von Kamelfleisch. Dieser Trend ist durch den Reformprozeß verstärkt worden. Während des Privatisierungsprogramms wurden über 100.000 Kamele um der Fleischproduktion willen geschlachtet. (MM, 14. 12. 93).
Landflucht.
In den vergangenen zwei bis drei Jahren zogen immer mehr Landbewohner nach Ulan Bator. Allein im letzten Jahr kamen 3.600 Familien in die Hauptstadt. Grund für die Landflucht ist die schwierige ökonomische Lage. (MM, 14. 12. 93).
Kein christliches Fernsehprogramm in der Mongolei?
Scharfe Kritik äußerte die Christliche Kirche in der Mongolei am neuen Religionsgesetz. In einer Erklärung bezeichnete der Zusammenschluß der christlichen Gemeinden das Gesetz als Verletzung der Menschenrechte und Diskriminierung religiöser Minderheiten. Das Gesetz geht von der führenden Rolle des Buddhismus in der Mongolei aus und enthält zahlreiche Einschränkungen für den Unterricht und die Werbung anderer Religionen außer Buddhismus, Islam und Schamanismus außerhalb von Kirchengebäuden. Eine christliche Organisation aus den USA, die einen Rundfunk- und Fernsehsender in Ulan Bator betreiben wollte, mußte wegen des neuen Gesetzes ihr Vorhaben aufgeben. Dabei handelte es sich um ein gemeinsames Projekt mit dem Mongolischen Demokratischen Bund und der Mongolischen Sozialdemokratischen Partei. (MM, 21. 12. 93).
Jasrai optimistisch für 1994.
Ministerpräsident Jasrai kündigte eine Fortsetzung seines politischen Kurses für 1994 an. Die Hauptaufgabe bestände darin, die Ökonomie zu stabilisieren. Insbesondere wolle seine Regierung den Produktionsrückgang durch die Schaffung günstiger Investitionsbedingungen stoppen. Nach Auffassung Jasrais sei die Bevölkerung zuversichtlich, daß die Regierung ihr Reformprogramm verwirklichen werde. (MM, 28. 12. 93).
Arbeitslosigkeit.
Zum Jahresende 1993 waren fast 65.000 Menschen als beschäftigungslos registriert. 52,4% davon waren Frauen. Allein 1993 wurden über 10.000 neue Arbeitslose registriert. Viele Arbeitslose betätigen sich als "Geschäftsleute" im Kleinhandel zwischen China und Rußland. Ungeachtet der offiziellen Zahlen liegt die Arbeitslosigkeit vermutlich höher. Viele, der nur gering bezahlten staatlich Beschäftigten wie z.B. Ärzte und Lehrer, gehen in Export-Import-Geschäften mit dem Ausland einer Art "zweiter Beschäftigung" nach und verlassen dafür zeitweilig ihren Arbeitsplatz. (MM, 28. 12. 93).