Hinweise zum Schreibstil

Es gibt für das wissenschaftliche Schreiben im Deutschen eine ganze Reihe von Ratgebern, die sich mit der stilistischen Ebene des Schreibens beschäftigen (ein paar davon finden Sie in der Bibliographie). Es gibt jedoch keine festgelegte und detaillierte Rhetorik, an der man sich orientieren könnte. Dies kann gerade für internationale Studierende ein Problem darstellen.

Langer/Schulz von Thun/ Tausch arbeiten in ihrem weit verbreiteten Buch „Sich verständlich ausdrücken“ vier Merkmale heraus, die einen Text verständlich machen (vgl. Langer/Schulz von Thun/Tausch 2002: 21-27). Diese sind:

- Einfachheit (sowohl in den Formulierungen als auch in der Darstellung),
- Gliederung/Ordnung (eine übersichtliche Anordnung der Inhalte),
- Kürze/Prägnanz (keine überflüssigen Wiederholungen, keine unklaren oder zu umständlicheFormulierungen),
- Anregende Zusätze (anschauliche Beispiele etc.).

Spontan wird man dieser Liste zustimmen: Wenn Sie eine Hausarbeit verfassen, sollten Sie unbedingt auf diese Kriterien achten. Das Problem ist dabei jedoch, dass das allein nicht ausreicht, sondern dass es durchaus verschiedene sprachlich-stilistische Aspekte gibt, die in wissenschaftlichen Texten (ohne dass dies immer explizit betont wird) beachtet werden (vgl. z.B. Sachtleber 1993).
Gerade für internationale Studierende (aber auch für Muttersprachler) ist es sehr hilfreich, sich an den wissenschaftlichen Texten zu orientieren, die Sie für die Recherche lesen müssen. Diese Texte sind zum größten Teil in einem Stil verfasst, den Sie übernehmen können. Sie müssen ohnehin die wichtigen Fachbegriffe aufgreifen, sammeln Sie einfach darüber hinaus noch verschiedene gute Formulierungen und Satzkonstruktionen, die Sie dann später selbst verwenden können.
Dazu noch ein paar allgemeine Hinweise:

In einem breit angelegten historischen Überblick zeigt Kretzenbacher, wie sich die wissenschaftliche Sprache im Deutschen entwickelt hat. Seine These ist dabei, dass sich, ausgehend von der Bemühung der deutschen Wissenschaftssprache um eine möglichst genaue und objektive Darstellung, drei zentrale Merkmale herausgebildet haben, die er als „Tabus“ bezeichnet (Kretzenbacher 1995: 26-35): das „Ich-Tabu“, das „Metaphern-Tabu“ und das „Erzähltabu“.
Diese „Tabus“ sind allgemeine, deskriptiv angelegte stilistische Merkmale, sie sind keine festen Regeln. Es lässt sich jedoch so zeigen, wie ein wissenschaftlicher Text im Deutschen normalerweise formuliert wird. Ein Verstoß gegen sie hat nicht unbedingt inhaltliche Auswirkungen auf Ihre Arbeit, aber er hat den Effekt, dass die Textstelle oder die Formulierung seltsam klingen kann (und das sollte man auf jeden Fall vermeiden).
Im Folgenden sollen diese drei Tabus genauer erläutert werden.

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1. Das "Ich-Tabu"

Das sogenannte „Ich-Tabu“ besagt, dass Sie als Verfasser in Ihren wissenschaftlichen Texten eigentlich nicht in Erscheinung treten. Die Idee dahinter ist, dass im Deutschen ein wissenschaftlicher Text möglichst „referentiell“ sein soll, d.h. es werden Tatsachen wiedergegeben, keine Meinungen (zumindest wird das durch den Stil suggeriert). Das Tabu muss nicht zwingend mit aller Strenge eingehalten werden, Sie sollten sich jedoch beim Schreiben grob daran orientieren (erkundigen Sie sich ggf. bei Ihren Dozenten, es gibt hier verschiedene Stile und Auffassungen).
Sie sollten sich auf jeden Fall bewusst sein, dass es im Deutschen eher ungewöhnlich ist und einen bestimmten Akzent setzt, wenn Sie die erste Person Singular oder Plural verwenden. Falls Sie in Ihrem Text beispielsweise schreiben: „Dieser Auffassung möchte ich widersprechen...“, so markieren Sie damit Ihre eigene persönliche Meinung. Sie sollten jedoch, so funktioniert das "Sprachspiel" von wissenschaftlichen Texten, Tatsachen darstellen. Eine „normale“ und neutrale Formulierung wäre: „Dieser Auffassung muss widersprochen werden...“, oder noch neutraler: „Diese Auffassung erscheint problematisch.“ Sie sehen: Der Inhalt bleibt im Prinzip gleich, nur ist in den "neutralen" Formulierungen der Verfasser, das "Ich" verschwunden. Gleichzeitig müssen Sie nun erklären, warum die Aussage problematisch ist, Sie müssen also Tatsachen und Rechercheergebnisse anführen.
Das „Ich-Tabu“ erstreckt sich auch auf den Plural. In der Literatur finden Sie stellenweise noch das „Wir“, z. B. „Wir sind der Meinung, dass...“, wenn die eigene Meinung wiedergeben wird. Das bedeutet nicht, dass der Verfasser des Textes schizophren war. Vielmehr ist dies eine alte Stilfigur, der sog. Pluralis Modestiae bzw. Pluralis Auctoris: Der Verfasser markiert mit dieser Formulierung, dass er seine Ergebnisse nicht alleine ausgedacht hat, sondern auf die Vorarbeit verschiedener anderer Forscher angewiesen war, die idealerweise seine Meinung teilen. Gleichzeitig bezieht er den Leser mit in die Darstellung ein. Dieses „Wir“ klingt jedoch ziemlich veraltet, Sie sollten es daher nicht verwenden.
Ebenso sollten Sie das „ich“ nicht einfach mit „Verfasser“ wiedergeben (* „Nach Ansicht des Verfassers“), gerade in der Literaturwissenschaft steht „Verfasser“ eher für den Verfasser des Textes, den Sie eben analysieren.

Eine sehr beliebte Methode, um das „ich“ zu umgehen, sind Passivformen. Bei ihnen kann der Agens vernachlässigt werden.
Bsp.: "*Im letzten Kapitel habe ich die verschiedenen Aspekte dargestell". Besser wäre: "Im letzten Kapitel wurden die verschiedenen Aspekte dargestellt."


Da dies jedoch schnell ein wenig eintönig werden kann, sind auch die folgenden Passiversatzformen zu empfehlen (vgl. dazu § 805 in der Duden Grammatik):
- Aktivsätze mit dem Pronomen „man“ als Subjekt (sparsam verwenden!)
- Unpersönliche Formulierungen mit dem Ersatzsubjekt „es“ (ebenfalls sparsam verwenden!)
- Adjektive mit der Endung -lich und -bar bei Passivsätzen mit Modalverben (vgl. Duden; § 1155 iii): „ Der Text ist gut verständlich“ statt „Der Text kann gut verstanden werden“; „Der Text ist gut lesbar“ statt „Der Text kann gut gelesen werden“ (Hier müssen Sie ggf. die Adjektive im Wörterbuch nachschlagen, es gibt z.B. einen grundlegenden Unterschied zwischen „lesbar“ und „leserlich“). Ferner gibt es manchmal noch Varianten auf –abel/ -ibel: „Die Analyse ist akzeptabel“ statt „Die Analyse kann akzeptiert werden“.
- verschiedene Infinitivkonstruktionen. Erwähnt seien hier die zwei häufigsten Varianten:
„lassen zu + Infintiv“ (für Passivsätzen mit „können“: „Das Gedicht lässt sich nicht abschließend interpretieren“ statt „Das Gedicht kann nicht abschließend interpretiert werden)
„sein zu+Infinitiv“ (bei Passivsätzen mit Modalverben: „Es ist [bleibt] abzuwarten...“ statt „Es muss abgewartet werden“).
- Sie können in einzelnen Fällen auch Funktionsverbgefüge (FVG, s.u.) anstelle von Passivkonstruktionen verwenden, z.B. „Der Vorschlag findet Anerkennung“ statt „Der Vorschlag wird anerkannt“.

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2. Das "Metaphern-Tabu"

Dieses Tabu ist im Prinzip schnell erklärt: Verwenden Sie in wissenschaftlichen Texten keine Metaphern, wenn es sich nicht um allgemein bekannte Fachausdrücke handelt. Das dürfte kein Problem darstellen: Wenn Sie so gut Deutsch können, dass Ihnen auch Redensarten etc. bekannt sind, dann können Sie ja auch gut genug Deutsch, um das anders zu formulieren: „* der Frontalunterricht ist der Sündenbock der Kommunikativen Fremdsprachendidaktik“, besser wäre z.B.: „Die Kommunikative Didaktik kritisierte vor allem den Frontalunterricht“. Dieses Tabu gilt natürlich auch für umgangssprachliche Formulierungen.
Es gibt jedoch eine ganze Reihe von Metaphern, die einen festen Platz in der Wissenschaftssprache haben, z.B. "Das Problem der Aussprache spielte in der Fremdsprachendidaktik des 19. Jhs., der Grammatik-Übersetzungs-Methode, zunächst keine Rolle." Diese Formulierung stammt ursprünglich aus dem Theater, kann jedoch mittlerweile auch im formalen Deutsch verwendet werden. Auch hier gilt die Regel, dass Sie sich an der Sprache der wissenschaftlichen Texte orientieren sollten, die Sie ohnehin lesen müssen.

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3. Das "Erzähl-Tabu"

Auch dieses Tabu ist eigentlich schnell erklärt: In wissenschaftlichen Texten im Deutschen wird nichts "erzählt", sondern es werden Sachverhalte dargstellt oder referiert. Diese Regel wird, im Gegensatz zu den wissenschaftlichen Traditionen in anderen Ländern, meistens sehr genau eingehalten.
Dieses Tabu hat allerdings verschiedene Konsequenzen, auf die Sie achten sollten:

a) Präteritum vs. Perfekt
Bestimmt hat man Ihnen im Deutschunterricht an irgendeiner Stelle gesagt, dass das Präteritum in der geschriebenen, das Perfekt in der gesprochenen Sprache verwendet wird. Das ist auch ganz richtig so.
Das Präteritum ist im Deutschen die typische Zeitform, um etwas in geschriebener Form zu erzählen und überwiegt daher in den meisten Romanen. In einer wissenschaftlichen Hausarbeit verwenden Sie allerdings eher das Perfekt, um über etwas Vergangenes zu berichten, da Sie nicht erzählen, sondern etwas darstellen sollen.
Häufig finden Sie auch einen Sonderfall des historischen Präsens. Es ist beispielsweise gängig, anstelle von „Goethe schrieb in seiner Farbenlehre...“ den Präsens („Goethe schreibt...“) zu verwenden. Das geschieht auch, wenn auf Sekundärliteratur verweisen wird (also nicht: „Stanzel formulierte ein einflussreiches Modell für die Narratologie...“, sondern: „Stanzel formuliert...“). Dies erscheint auf den ersten Blick vielleicht unlogisch (es kann beispielsweise davon ausgegangen werden, dass Goethe im Moment nichts mehr schreibt), es drückt aber aus, dass die Ideen und Ansichten dieser Personen nach wie vor aktuell sind. Für den jeweiligen Leser „formuliert“ beispielsweise Stanzel nach wie vor.

b) inhaltliche Konsequenzen
Beschränken Sie sich in Ihrem Text auf die Darstellung und Analyse des Sachverhalts, auch wenn Ihnen das zunächst ein wenig trocken und unpersönlich vorkommen kann. Es ist beispielsweise unüblich zu erzählen, wie man auf die Themenstellung der Hausarbeit gekommen ist. Um es einmal hart zu formulieren: Es ist für die Arbeit egal, was Sie persönlich von Ihrem Thema halten. Wichtig ist, dass es gut dargestellt und analysiert wird.
Schreiben Sie also nicht: „Ich finde dieses Thema spannend und wichtig, weil...“. Wenn Sie unbedingt eine solche Passage verfassen möchten, formulieren Sie sie unpersönlich: „Das Thema der Hausarbeit spielt eine wichtige Rolle in der Forschung...“.
Denken Sie an das Gegenbeispiel: Wenn Sie in einer Hausarbeit ein langweiliges Thema behandeln müssen, würden Sie die Arbeit auch nicht mit dem Satz „Ich finde das Thema langweilig und belanglos, es kann jedoch folgendermaßen gegliedert werden...“ beginnen, oder?

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4. Zugabe: Der Nominalstil


Der Nominalstil wir bei Kretzenbacher nicht extra erwähnt, da er ein generelles Charakteristikum für das formelle Deutsch ist. Weil er aber so gut in diese Lise passt, soll er auch noch erwähnt werden. "Nominalstil" bedeutet, dass in den Formulierungen wissenschaftlicher Texte in hohem Maße mit nominalen Konstruktionen gearbeitet wird.
Ein wenig problematisch für internationale Studierende kann dabei sein, dass das Deutsche gerne dazu neigt, verwirrend lange Nominalkomposita zu bilden, so z. B. die „Sprachlerneignung“ oder (derzeit mein Favorit) das „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“.
Vermeiden Sie, wenn es geht, solche „Bandwurmwörter“. Falls es ein Fachbegriff ist, der in der Forschungsliteratur verwendet wird (z.B. „Zweitspracherwerbsforschung“), sollten Sie ihn aber übernehmen. Dasselbe gilt auch für Fremdwörter. Viele Begriffe gehören zur normalen Schriftsprache (z. B. „konkret“. „abstrakt“, „theoretisch“, „die Alternative“), andere gehören als Fachausdrücke zu einem bestimmten wissenschaftlichen Gebiet (z. B. „narrativ“, „Morphologie“, „propädeutisch“ etc.). Diese Begriffe können (und sollten) verwendet werden.

Ein sehr wichtiger Aspekt für den Nominalstil sind Nominalisierungen und Funktionsverbgefüge ("FVG", vgl. dazu § 580f. der Duden-Grammatik).
Funktionsverben sind Verben, die in bestimmten festen Verbindungen mit Substantivierungen auftreten, z. B. „eine Erlaubnis geben“, "in Erwägung ziehen" usw. Funktionsverbgefüge können auf zwei Weisen formuliert werden:
a) Mit Akkusativobjekt (wobei das substantivierte Verb, das den eigentlichen Inhalt der Aussage transportiert, im Akkusativ steht): Ein Versprechen geben
b) In Verbindung mit einer Präposition: Zur Anwendung kommen
Innerhalb dieser Verbindungen funktionieren sie ähnlich wie Hilfsverben, d. h. sie markieren die relevanten verbalen grammatischen Kategorien, aber sie haben ihren semantischen Inhalt fast vollständig verloren. Es wird beispielsweise nicht tatsächlich ein Gegenstand von einem Ort zum anderen gezogen, wenn Sie etwas in Erwägung ziehen. Es ergibt meistens nur einen stlistischen Unterschied, wenn man das FVG für das passende Verb austauscht („Erlaubnis geben – erlauben“). Häufig kann jedoch nicht klar festgelegt werden, ob ein Verb in Verbindung mit einem Substantiv als Funktions- oder Vollverb funktioniert.
Achten Sie hier auf ein paar Dinge:
- FVG können häufig kein Passiv bilden (* Ein guter Verlauf wurde von den Besprechungen genommen)
- FVG werden in der Regel mit nicht negiert (Er brachte die Sache nicht in Ordnung; * Er brachte die Sache in keine Ordnung)
- Sie können das Substantiv eines FVG in der Regel nicht erfragen (Ich bringe die Sache in Ordnung. - * Wohin bringen Sie die Sache?)
Wie auch bei Phraseologismen ist bei FVG die genaue Formulierung festgelegt, häufig bis in die Wahl des Artikels. Das FVG zur Aufführung kommen funktioniert beispielsweise nur in dieser Verwendung: „Das neue Drama kommt zur Aufführung“. Wenn man hier ein Detail verändert, wird die Formulierung nicht mehr als FVG wahrgenommen, sondern als Vollverb-Variante (also „normale“ Variante) von kommen: „* Das neue Drama kommt zu jeder Aufführung“, aber: „Meine Großmutter fand das Drama ausgesprochen gut, sie kam zu jeder Aufführung“ (das bedeutet: Sie hat jede Aufführung besucht). Seien Sie hier also sehr genau und achten Sie auf die Details!

Im Gegensatz zu anderen Textsorten können bei wissenschaftlichen Texten häufig Partizipialkonstruktionen verwendet werden. So können Sie komplizierte hypotaktische Strukturen vermeiden (z. B. „Der Gegenstand, der untersucht wird...“ und „Der untersuchte Gegenstand...“). Achten Sie auf eine gute Mischung von Nebensätzen und Partizipialkonstruktionen, zuviele Partizipien auf einmal sind in einem Text ebenfalls schwer lesbar (* „Das von mir untersuchte und von der didaktischen Forschung seit Jahren übersehene Thema...“).
Es ist hier natürlich wichtig, die richtige Partizipform (PI oder PII) zu verwenden. Eine Faustregel, die allerdings ein wenig ungenau ist, lautet:
Gibt das Partizip einen möglichen Passivsatz wieder, oder hat es vorzeitliche Bedeutung: P II (Bsp: Das Buch, das analysiert wird, ... = Das untersuchte Buch).
Gibt das Partizip eine gleichzeitige, aktivische Handlung wieder: P I (Bsp.: Die Forscher, die dieser Meinung widersprechen, ... = Die dieser Meinung widersprechenden Forscher).
Achtung: Eine gleichzeitige Handlung kann auch in der Vergangenheit liegen, wenn zwei Ereignisse auf derselben zeitlichen Ebene liegen. Auch hier wird P I verwendet! (Bsp: Der Student, der an seinem Referat arbeitete, recherchierte viel im Internet = Der an seinem Referat arbeitende Student recherchierte...). Denken Sie auch daran, dass die Verben Sein und Haben kein Partizip bilden (also nicht: * Der Recht habende Professor). Dies ist vor allem wichtig, weil Sie deswegen ein Verb im Perfekt nicht einfach in eine Partizipialkonstruktion überführen können (Bsp: "Die Studentin hat viel gerarbeitet und hat sich daher die Ferien verdient" kann nicht so formuliert werden: * Die viel gearbeitet habende Studentin...). Hier müssen Sie den Satz komplett umformulieren.

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