Forschungsbericht 1996/97



 
 

Professor/in, Bezeichnung der Arbeitsgruppe (kurzer Werdegang)
 

Prof.Dr.Irene Zerbst - Boroffka
1958-1965 Studium (FU Berlin, Maximilian Universität München)
1965 Promotion in München (Prof.Dr.Autrum)
1966-1967 wiss. Ass. in München
1967-1970 Forschungsstipendium der DFG (München und Berlin)
1970-1974 wiss. Ass. und Ass.prof. (FU Berlin)
1974 Habilitation
1975 Berufung auf eine Professur (AH 4) FU Berlin

Wissenschaftliche Arbeiten auf den Gebieten Exkretionsphysiologie,Transepitheltransport, Kreislauf- und Systemphysiologie, Ökophysiologie
 
 

Auszeichnungen, Ehrenämter, Gastprofessuren, Sonderfunktionen

Mitglied der Jury zur Vergabe des Wissenschaftspreises der Deutschen Zoologischen Gesellschaft
Mitherausgeberin der wissenschaftlichen Zeitschrift "Zoologische Beiträge" (Verlag Duncker & Humblot)
 
 
 
 

Mitarbeiter/innen und Gäste


 
 

Wissenschaftliche Kooperationen


 
 

Drittmittelprojekte

Thema: "Physiologische Evolution von Anneliden"


Thema: "Osmotische und ionale Anpassung von Baikalgammariden"


 
 

Abgeschlossene Examina

Diplom :


Staatsexamen:


 
 

Aktuelles Forschungsprofil

Die Arbeitsgruppe arbeitet schwerpunktmäßig auf dem Gebiet der Ökophysiologie und untersucht biochemische Anpassungen von Tieren als Grundlage der Besiedlung neuer Lebensräume und der Artbildung. Z.Zt.konzentriert sich die Forschung auf zwei Fragestellungen:

a. Anpassung des Energie-und Elektrolytstoffwechsels von Anneliden bei der Besiedlung hypoxischer Süßwassersedimente
Polychaeten leben überwiegend in marinen Biotopen aber auch im Brackwasser bis in sehr geringe Salinitäten hinein, nicht jedoch (mit sehr seltenen Ausnahmen) im Süßwasser; Clitellata (Oligochaeten undHirudineen) dagegen sind vorwiegend im limnischen und semiterrestrischen Bereich zu finden. Beide Gruppen besiedelnSedimente, die häufig stark hypoxisch sind. Einige Polychaetenarten (z.B. Marenzelleria viridis) können zwar normoxisch im Labor viele Wochen in Süßwasser gehalten werden, tolerieren in diesem Medium aber -im Gegensatz zu den Clitellaten- Sauerstoffmangel nur sehr schlecht. Offensichtlich besitzen Clitellaten biochemische Anpassungen an dieBelastung durch die Kombination beider ökologischer Faktoren, die Polychaeten nicht entwickelt haben. Unsere Untersuchungen zum Energie- und Elektrolytstoffwechsel sollen diese Anpassungen klären. Alle Anneliden nutzen zur anaeroben Energiegewinnung (wenn auch mit unterschiedlicher Intensität) Stoffwechselwege, bei denen vorwiegend Propionat aber auch Acetat als Endprodukte auftreten. Diese werden teilweise exkretiert, teilweise im Körper zu hohen Konzentrationenangereichert. Die Akkumulation dieser organischen Säuren während Hypoxie im Tier bedeutet eine Belastung des Säure-Basen-Haushalts, der Anionenregulation und -besonders im Süßwasser- der Osmoregulation. In vergleichenden Studien zur Hämolymphzusammensetzung von Polychaeten und Clitellaten in Normoxie fanden wir bei Polychaeten auch in niedriger Mediumsalinität Natrium und Chlorid als dominierene Ionen. Dagegenstellen bei Hirudineen und den bisher untersuchten Oligochaeten organische Säuren -insbesondere Malat- einen wesentlichen Prozentsatz der Anionen. In Hypoxie konnte zunächst am Beispiel von Hirudo medicinalis gezeigt werden, daß ionenregulatorische -speziell chloridregulatorische- Mechanismen die beträchtliche Akkumulation von Propionat kompensieren. An niedrige Salinitäten akklimatisierte Polychaeten mit ihren hohen Chloridkonzentrationen scheinen einensolchen Anpassungsmechanismus nicht zu besitzen. Der Nachweis entsprechender Mechanismen bei Oligochaeten sowie weiterererbiochemisch-physiologischer Prozesse, die für die Toleranzgrenze der Mediumsalinität bei Polychaeten verantwortlich zeichnen, sind Gegenstand laufender Untersuchungen.

b. Anpassung des Osmo- und Mineralhaushaltes von Invertebraten bei der Besiedlung des Baikal-Sees
Der sibirische Baikal-See wird fast ausschließlich von endemischer Fauna besiedelt, die sich deutlich von der umgebenden paläarktischen Süßwasserfauna unterscheidet. Fragen nach Ursachen und Wegen der Speziation (Artbildung) schließen auch biochemische und physiologische Anpassungen an spezielle ökologische Faktoren des Baikals ein. In enger Kooperation mit dem Limnologischen Institut Irkutsk und der Universität Irkutsk wurden und werden folgende Projekte bearbeitet :- Osmotische Anpassung von clitellaten Anneliden an die Elektrolytarmut des Baikals, der als Süßwassersee kontinuierlich seit dem Tertiär besteht. Die bisherigen Ergebnisse zeigen für baikalische Annelidensignifikant niedrigere Osmolalitäten als für verwandte Arten aus einem ebenfalls elektrolytarmen norwegischen See. Der Tubificide Baicalodrilus discolor hat die niedrigste Osmolalität, die je bei einemSüßwasseranneliden bestimmt wurde.- Osmotische und ionale Anpassungen von amphipoden Krebsen an die große Wassertiefe des Baikals, der von abyssalen Arten bis zur größten Tiefe von ca. 1600 m hin besiedelt ist. Die laufenden Studien umfassen sowohl Analysen von Frischfängen verschiedener Arten aus jeweils verschiedener Wassertiefe wie auch Experimente mit Tieren einer Art, die in Käfigen anverschiedene Wassertiefen akklimatisiert wurden. Die bisherigen Ergebnisse weisen darauf hin, daß abyssale Amphipoden in geringer Wassertiefe NaCl verlieren und damit ihre osmotische Konzentration senken.- Untersuchungen zum Calciumstoffwechsel von Schnecken wurden gerade begonnen und sollen u.a. die Frage beantworten, welche ökologischen Faktoren dafür verantwortlich sind, daß die endemischen Schnecken des Baikals dünnere, d.h. calciumärmere Schalen besitzen als ihre nichtbaikalischen Verwandten. Darüberhinaus werden weitere Studien zum Salz-Wasser-Haushalt wirbelloser Tiere durchgeführt, vorwiegend in Kooperation mit Zoologen, die an der Anwendung von Mikroanalysemethoden interessiert sind, auf die unsere Arbeitsgruppe spezialisiert ist.
 
 
 
 

Publikationen

1. Originalarbeiten

SCHMIDT,H. & KAMP,G. (1996)
The pasteur effect in facultative anaerobic metazoa.
Experientia 52, 440 - 448
 

SCHMIDT,H., WICHMANN,A., LAMPRECHT,I., ZERBST-BOROFFKA,I. (1996)
Anaerobic metabolism in the leech (Hirudo medicinalis L.): direct and indirect calorimetry during severe hypoxia.
J.Comp. Physiol. 166 B, 205 - 214
 

GRUBE,S., RUDOLPH,D., ZERBST-BOROFFKA,I. (1997)
Morphology, fine structure and functional aspects of the labial gland reservoirs in the subterranean termite Reticulitermes santonensis
Int.J.Ins.Morph.Embr. 26, 49 - 53
 

ZERBST-BOROFFKA,I., BAZIN,B., WENNING,A. (1997)
Chloride secretion drives urine formation in leech nephridia
J.Exp.Biol. 200, 2217 - 2227
 

ZIEGLER,A. & SCHOLZ,F. (1997)
The ionic hemolymph composition of the terrestrial isopod Porcellio scaber Latr. during molt.
J.Comp.Physiol. 167 B, 536 - 542
 
 

2. Kurzpublikationen und Abstracts

WOHLFAHRT,I. & ZERBST-BOROFFKA,I. (1996)
Propionatexkretion und -aufnahme beim Blutegel Hirudo medicinalis L. unter Hypoxie.
Verhandl. DZG 89, 199
 

ZIEGLER,A., SCHOLZ,F. (1997)
Analyse der ionalen Zusammensetzung der Hämolymphe von Porcellio scaber Latr. (Isopoda) während der Häutung.
Verhandl. DZG 90, 160
 

ZERBST-BOROFFKA,I., GROSPIETSCH,T., BAZIN,B. (1997)
Osmotische und ionale Reaktionen von Limnodrilus udekiamus (Oligochaeta, Tubificidae) während Hypoxie und Recovery.
Verhandl. DZG 90, 159
 

PRITSCHOW,B., ZERBST-BOROFFKA,I. (1997)
Osmolalität und Cl-Konzentration in der Hämolymphe von Viviparus viviparus L. während Hypoxie.
Verhandl. DZG 90, 138
 
 




 
 


Last update: 16.12.1999,Erstellung der Webseiten: T. Grospietsch