Forschungsbericht 1995/96



 
 

Phylogenetische Anpassung des Elektrolyt- und Energiestoffwechselsvon Anneliden

Osmotische Konzentration und extrazelluläreIonenkomposition sowie ihre Schwankungen bei Akklimatisation an wechselndeUmweltbedingungen sind für jede Tierart genetisch determiniert. Sieerlauben auch Rückschlüsse auf die ökologische Geschichteder Tiere. Ziel unserer Untersuchungen ist die Beantwortung der Frage:welche Anpassungen haben der Elektrolyt-, Wasser- und Energiestoffwechselvon Anneliden während der Evolution bei der Eroberung neuer Lebensräumedurchlaufen und in welcher Stoffwechselsituation befand sich die Stammform?Vergleichende Untersuchungen bei verschiedenen Annelidenfamilien ergabenunüblich hohe Konzentrationen von Metaboliten des Intermediärstoffwechsels,d.h. Karbonsäuren, die anionisch wirksam sind, sowie entsprechendniedrige Chloridkonzentrationen. Diese Ergebnisse deuten daraufhin, daßdie Phylogenese der sedimentbewohnenden Oligochaeten und der parasitischenHirudineen mit einer Anpassung an salzarme und sauerstoffarme Umwelt erfolgte.

 Die Annelidenfauna des Baikals in Sibirien ist zueinem großen Teil endemisch, die meisten Arten gelten als relikt-endemischaus dem Tertiär,d.h. als sehr alt. Unsere Ergebnisse der wenigen bisheruntersuchten Baikalarten stützen die o.g. Hypothese zur ökologischenGeschichte der Oligochaeten und Hirudineen.
 

Regulationsmechanismen des Mineral-und Energiestoffwechselsbei Hirudo medicinalis L.

Medizinische Blutegel leben im Süßwasser,tolerieren aber auch Brackwasser (bis 15 %, Salzgehalt). Zeitweise grabensie sich in schlammigen Boden ein, der sehr sauerstoffarm ist. Unsere bisherigenUntersuchungen zeigten, daß Hypoxiestoffwechsel und Ionen regulationeng miteinander verknüpft sind und sich gegenseitig beeinflussen:

1 .) Salzbelastung, d.h. erhöhte Mediumsalinitätführt zu gesteigerter Produktion und Akkumulation von Metabolitendes Hypoxiestoffwechsels, was offensichtlich auch im Dienst der Volumenregulationvon Bedeutung ist.
2.)Umweltbedingter Sauerstoffmangel aktiviert den Hypoxiestoffwechsel,wobei die Produktion und Akkumulation von Karbonsäuren, die sowohlals Anionen wie auch als Osmolyte wirken, zu einer ionalen und osmotischenBelastung des Organismus führen, die durch Regulationsprozesse kompensiertwird.

Uns interessieren die Mechanismen dieser Regulation,weil sie (a) die Kenntnis über Prinzipien der Stoffwechselregulationerweitern und (b) möglicherweise Einsicht in die Bedingungen erlauben,unter denen Selektion solche Prozesse optimiert hat.
 

lonentransportmechanismen und exkretorische Leistungder Nephridien von H. medicinalis L.

Die Nephridien der Anneliden sind für die Volumenund Elektrolytausscheidung verantwortlich, sie haben also regulatorischeAufgaben bei der Osmo- und lonenhomöostase der Tiere. In den letztenJahren erbrachten unsere Untersuchungen am Beispiel des medizinischen Blutegelsneue Erkenntnisse über die nervöse und hormonale Kontrolle dieserExkretionsorgane sowie über Mechanismen des zellulären lonentransportesam Epithel der Nephridien.

Vor allem durch die Entwicklung isolierter Nephridienpräparatewurde es möglich, den Effekt zahlreicher Pharmaka auf die lonensekretion,d.h. auf die lonentransportmechanismen zu testen. Ein Vergleich der Harnbildungin Nephridien in situ bei Tieren in verschiedenen physiologischen Zuständenmit Nephridien in vitro soll Auskunft über die Eignung isolierterOrganpräparate für die Funktionsprüfung von Pharmaka geben.
 
 



 
 


Last update: 16.12.1999,Erstellung der Webseiten: T. Grospietsch