von Arthur E. Imhof
Was wäre das nun für ein verschlafener Fachbereich, der an der FU grossenteils Lehrer auszubilden hat, wenn er diese Entwicklungen nicht zur Kenntnis genommen und in seinen Curricula nicht entsprechend reagiert hätte? Die Jungpädagogen würden spätestens am ersten Schultag von ihren Zöglingen über den Stand der Dinge aufgeklärt. Peinlich und beschämend. Die Technologien sind vorhanden, und sie werden genutzt. Es liegt an uns Lehrenden und Lernenden, die Inhalte in unserem Sinne mitzugestalten.
Deswegen wird seit dem Sommersemester 1995 bei allen Teilnehmern meiner Grundkurse, Pro- und Hauptseminare zwingend vorausgesetzt, dass sie über ein e-mail-account verfügen. Wer allenfalls noch keines hat, kann es kostenlos in der ZEDAT (Zentraleinrichtung für Datenverarbeitung der FU) beantragen. Genauso kostenlos ist dort für diejenigen, die über keinen eigenen Modemanschluss verfügen sollten, die Nutzung sämtlicher Internet-Dienste. Conditio sine qua non für die Teilnahme an den Lehrveranstaltungen ist ferner die Kenntnis im Umgang mit den neuen Technologien. Sollten sie jemandem noch fremd sein, schafft ein reichhaltiges Lehr- und Übungsangebot an mehreren Universitätseinrichtungen für Abhilfe. Keine Zeit vergeudet wird ausserdem mit einer jedesmal neuen Grundsatzdiskussion über Pros und Cons dieser Technologien im Unterricht. Wer daran interessiert ist, findet im Internet zahlreiche moderierte und nicht-moderierte Diskussionsforen.
In den Lehrveranstaltungen geht es gleich medias in res. Interessierte Teilnehmer sind gut beraten, sich rechtzeitig im voraus über Aufgabenstellungen, Inhalte, Ziele, Schwierigkeitsgrade zu informieren und im Do-it-yourself-Verfahren vorzubereiten (für das kommende Wintersemester zum Beispiel unter http://zedat.fu-berlin.de:8080/~aeimhof/ws9596, für das Sommersemester 1996 dito unter /ss96). Der Austausch zwischen Lehrendem und Lernenden bzw. den Teilnehmern untereinander erfolgt von Anfang unter Einbeziehung von e-mail. Auf diesem Wege erhalten die Teilnehmer auch zusätzliche Erläuterungen oder Hinweise des Dozenten zwecks individuellen Studiums zwischen den Sitzungen. Bibliographien zu vorgegebenen Themen werden über WWW (Netscape) oder TELNET zusammengestellt (problemloser Zugang z. B. zur Library of Congress in Washington oder zur Bodleian Library in Oxford). Dasselbe trifft zu für das Downloaden historischer Quellen (Texte oder Daten). Bei spezifischen Diskussionen sucht man Kontakt zu versierten Kollegen an Historischen Institutionen weltweit oder schaltet sich in moderierte oder nicht-moderierte Diskussionsforen ein (z. B. H-DEMOG zur Historischen Demographie, H-RURAL zu Agrargeschichte, H-GERMAN zu Deutscher Geschichte usw.). Allenfalls kann auch ein eigenes Frageforum im Internet angelegt werden. Electronic Journals werden nach relevanten und nur noch über dieses Medium veröffentlichten Artikeln durchsucht, Rezensionen historischer Arbeiten desgleichen on-line (und nicht erst mit jahrelangem Verzug in gedruckter Version) zur Kenntnis genommen.
Spätestens hier wird klar: wer mit dem Internet arbeitet, ist mit der ganzen Welt verbunden. Es ist dies eine äusserst willkommene, m. E. die überhaupt wichtigste Internet-Konsequenz und gegebenenfalls eine heilsame Erfahrung für geistig euro- oder noch enger zentrierte Nesthäkchen. Diese Bemerkung trifft übrigens nicht selten weniger auf Studierende denn auf Lehrende zu. Angesichts der globalen Reisemöglichkeiten sowie von Austauschprogrammen über alle Kontinente hinweg ist die junge Generation oft verblüffend weltläufig. Es liegt an uns Lehrenden, darauf zu reagieren - im Falle von Geschichte z. B zur Kenntnis zu nehmen, dass auch - sagen wir - (im Internet stark präsente) südostasiatische Völker ihre nicht minder prägende Geschichte haben als wir Europäer (= praxisbezogene Vorbereitung der Studierenden auf die globalen Konstellationen im 21. Jahrhundert).
Selbstverständlich werden einzeln oder im Team sorgfältig erstellte Homepages mit einer genügenden Anzahl relevanter Links in Kombination mit jeweils individuellen Prüfungsgesprächen als Leistungsnachweis akzeptiert. Teamarbeit ist hierbei übrigens ausdrücklich erwünscht. Sie wirkt der allfälligen "Vereinzelung" vor dem Monitor entgegen.
Das Erscheinen der CD-ROM-Technologie führte hier vor wenigen Jahren zu erheblichen Erleichterungen. Hunderte der am häufigsten verwendeten Dias sind mittlerweile auf CD-ROM gespeichert. Nach dem Unterricht lassen sie sich von den Studierenden auf den Monitor laden, in Ruhe betrachten, gegebenenfalls vergrössern, verkleinern, ausschneiden, weiterbearbeiten, in Texte einbinden, neu arrangieren, ergänzen, kommentieren. Das Downloaden möglicherweise fehlender Shareware-Bildbearbeitungsprogramme geschieht im Internet über FTP ebenso problem- wie kostenlos.
Eine noch weitergehende hyper- oder gar multimediale Aufbereitung sowie schliesslich die Produktion kompletter Hybrid-CD-ROMs zum Zweck eines Leistungsnachweises erfolgt sodann unter Inanspruchnahme universitärer Service-Einrichtungen wie der ZEDAT oder der ZEAM (Zentraleinrichtung für Audiovisuelle Medien). Hierbei bilden sich in der Regel Gruppen, wobei unterschiedliche Expertisen einander ergänzen und technisch avanciertere Teilnehmer Neulinge instruieren.
Aufgrund des sich hierdurch jeweils entwickelnden beachtlichen Knowhows, angewandt auf thematisch attraktive Inhalte, lässt sich verhältnismässig leicht ein von Lehrendem wie Lernenden äusserst erwünschter Praxisbezug herstellen. Bereits vier Mal ist es gelungen, sich mit CD-ROM-Produktionen auf dem Markt zu behaupten. Je ein Stuttgarter und ein Münchner Verlag konnten von vorgestellten Projekten überzeugt werden, worauf sie die zur Endproduktion notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung stellten. Die vier Titel sind:
Doch was soll das Klagen? War oben nicht davon die Rede, dass - wer mit dem Internet arbeitet
- mit der Welt verbunden sei? Dabei stellt sich bald heraus, dass es andernorts auf dieser Welt - viel weiter östlich
oder auf der südlichen Halbkugel - vielfach nicht besser aussieht, im Gegenteil. (Dass wir
diesbezüglich die Zustände am eigenen Fachbereich allerdings mit "viel weiter östlich oder auf der
südlichen Halbkugel" vergleichen müssen, ist schon eher bedenklich.) Hinzu kommt,
dass einige Unermüdliche in der ZEDAT eine wahre Kärrnerarbeit leisten, um uns
Universitätsangehörigen den Weg in die weite Welt immer wieder offen zu halten. Sie
ermöglichen uns dadurch täglich aufs neue stimulierende Kontakte mit der ganzen Welt,
die sämtliche Frustrationen aufwiegen: mit Universitäten, wissenschaftlichen Institutionen,
offiziellen oder - warum auch nicht - kommerziellen Einrichtungen in Australien, Asien,
Lateinamerika. Je abgelegener die Orte liegen, umso aktiver und einfallsreicher wirken
deren Internet-Teilnehmer.
Body Background in Anlehnung an Body Background von
PPLFU
Wednesday, 6. December 1995 - 06:28:04