Aufgrund der quasi permanenten Lebensbedrohungen durch "Pestilenzen, Hunger und Krieg" waren unsere Vorfahren gezwungen, in Gemeinschaften (Familien, Haushalten, Kloster-, Militärgemeinschaften usw.) zusammenzuleben. Das Zentrum der Stabilität bildete der Hof, das Kloster, die militärische Einheit, nicht jedoch das EGO. Diese Zwangseinbindung gewährte zumindest einen gewissen Schutz. Das Resultat sah allerdings immer noch so aus, wie wir es oben links sehen: "Mitten wir im Leben / sind vom Tod umgeben".

Inzwischen ist das auf Ferdinand Tönnies (1855-1936) zurückgehende Konzept "Von Gemeinschaft zu Gesellschaft" (1887) Wirklichkeit geworden. Jedes über dem baren Existenzminimum lebende EGO kann sich heute ohne Gemeinschaftseinbindung mit ihren inhärenten langfristigen gegenseitigen Verpflichtungen allein ins Zentrum stellen. Seine Überlebenschancen verringern sich dadurch in keiner Weise. Was der abendländische Mensch zumindest seit der Renaissance erstrebte: wir können es realisieren. Was wunder, dass mehr und mehr Männer wie Frauen die erstmalige Chance zur ungebundenen Selbstverwirklichung denn auch wahrnehmen.

Quelle: CD-ROM Historische Demographie I (1995), Abb. 72b.