Ars moriendi :

Die Kunst zu leben - die Kunst zu sterben



Die ab der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts europaweit verbreitete sogenannte "Bilder-Ars" bestand aus elf didaktisch äusserst raffiniert gestalteten Holzschnitten, einer Art "comic strip" für die vielen Leseunkundigen jener Zeit. Jedermann sollte schon in jungen Jahren lernen, dereinst gut zu sterben, und zwar auch ganz allein auf sich gestellt. Dies war damals umso wichtiger, als allein zu sterben in Zeiten häufiger Seuchen mit entsprechendem massenhaftem gleichzeitigem Sterben nichts Ungewöhnliches war.

Wer sich diese elf Holzschnitte in Ruhe ansehen möchte, kann sie hier der Reihe nach einzeln aufrufen. Sie sind aus Übertragungsgründen allerdings sämtlich stark komprimiert und bestehen nur noch aus je rund 30-40kb.

Es sind:

1. Versuchung im Glauben

2. Ermutigung im Glauben

3. Versuchung durch Verzweiflung

4. Trost durch Zuversicht

5. Versuchung durch Ungeduld

6. Trost durch Geduld

7. Versuchung durch Hochmut

8. Trost durch Demut

9. Versuchung durch zeitliche Güter

10. Trost durch Abwendung vom Irdischen

11. Die Todesstunde: das glückliche Ende


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Es ist auch möglich, die elf Bilder als Diaschau ablaufen zu lassen.


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500 Jahre später scheinen wir uns wieder in einer ähnlichen Situation zu befinden: auch in unseren Tagen sterben, obschon aus ganz anderen Gründen, erneut viele Menschen allein. Doch wer lehrt uns sterben?

Nach dem einzigartigen Wandel von der unsicheren zur sicher(er)en Lebenszeit hat sich unsere irdische Lebensspanne zwar verdoppelt oder verdreifacht, das Leben insgesamt ist indes für viele unendlich kürzer (in des Wortes eigentlicher Bedeutung) geworden.

Wir haben doppelt so viele Jahre auf Erden, weil wir auch doppelt so gute haben. Anders ist das nicht zu erreichen. Anknüpfend an die alte Ars moriendi, insbesondere an die Ermahnung im achten Bild ("Sis humilis!"), ist die These, dass eine zeitgemässe neue Ars moriendi heute eine Ars vivendi sein könnte. Wer sein langes Leben gemäss einem Lebensplan erfüllt gelebt hat und nicht nur immer älter geworden ist, dem dürfte es am Ende leichter fallen, das Leben zur rechten Zeit loszulassen und lebenssatt zu sterben.