Volker
von Prittwitz
Die dunkle
Seite der Netzwerke
Strategien
gegen Vermachtung und Korruption
Hierarchie
und Markt wird in der neueren Governanceanalyse das Netzwerk-Konzept als empirisch
zunehmend bedeutsam und normativ perspektivreich gegenübergestellt: Informale
Netzwerke fördern demnach unter den Beteiligten vertrauensvolle Zusammenarbeit
und schnellen, ungehinderten Informationsfluss (Marin/Mayntz
(Hrsg.) 1991; Fukujama 1999). Vernetzte Akteure
teilen, etwa in Verhandlungen, Güter untereinander optimal auf, ein Potenzial
der Wohlfahrtssteigerung (Scharpf 1993, 2000). In Netzen von Regulierern und
Regulierten lassen sich Beschlüsse effizienter umsetzen (Benz 1994), und selbst
innovative Prozesse, etwa der ökologischen Modernisierung, werden in vernetzten
Strukturen besonders häufig festgestellt (Jänicke/Kunig/Stitzel
1999). Mit der Zuschreibung derartiger Funktionen hat sich geradezu eine
sozialwissenschaftliche Netzwerkeuphorie entwickelt: Netzwerke erscheinen nicht
nur als allgegenwärtige Form sozialer, ökonomischer und politischer
Organisation (Jansen/Schubert (Hrsg.) 1993; Kappelhoff
2000), sondern auch als grundsätzlich überlegenes Governancemuster
(Kenis/Schneider
(Hrsg.)1996; Dose/Voigt 1996; Döhler 1990; Döhler/Manow 1995; Hild 1997;
Kohler-Koch 1998; Strulik 2000; Castells
2000).
Von
dieser Netzwerkeuphorie der Sozialwissenschaft hebt sich die herrschende
Einstellung zu politischen Netzwerken in der Öffentlichkeit deutlich ab. Eine
überwiegend positive Konnotation des Wortes Netzwerk
entstand hier nie. Im Gegenteil: Zeitungs-, Rundfunk-, Fernseh- und
Internetjournalisten sowie öffentliche Kritiker des Parteien- und
Verbändestaats zeigen immer wieder schwerwiegende Fehlentwicklungen im Zeichen
vernetzter Macht auf, sei es im Sprachspiel des Skandals (Rüstungsskandale,
Bauskandale, Parteienskandale), der Krise (Krise des Gesundheitssektors,
BSE-Krise), der Korruption, des Filzes,
der Mauschelei oder des Klüngels.
Die
in der Öffentlichkeit im Vordergrund stehende dunkle Seite der Netzwerke sollte
aber auch netzwerktheoretisch erfasst werden. Anregungen dazu lassen sich nicht
nur aus der öffentlichen Diskussion gewinnen, sondern auch aus
wissenschaftlichen Diskursen, so - quasi gegen den Strich lesend - aus der
euphemistischen Netzwerk- und Verhandlungsdiskussion, aus der neueren Kritik
des Parteienstaats und den Argumenten für direkte Demokratie (Arnim 1993, 1997,
2000; Heußner/Jung (Hrsg.) 1999), aus der
insbesondere in der Neuen Politischen Ökonomie und der Staatsrechtslehre
üblichen Unterscheidung unterschiedlicher Entscheidungsebenen nach dem Muster
von Spielregeln und Spiel (Morlok 1999), aus Analyseansätzen
der Korruption (Alemann/Kleinfeld 1992; Liebl 1992; Wewer 1992; Seibel 1992) sowie aus Abhandlungen
spezieller Korruptionsphänomene,
insbesondere in der öffentlichen Verwaltung (Spannowsky
1994; Meyer 1995; Becker 1998). Mit den folgenden Überlegungen möchte ich dazu
beitragen, dass Vermachtung und Korruption nicht länger als Spezialphänomene
abgetan, sondern in einen systematischen Zusammenhang mit der Logik und
Herrschaft informeller Netzwerke gebracht werden. Ausgangspunkt sind
Überlegungen zu den Typen und den Operationsweisen von Netzwerken.
1. Typen und
Operationsweisen von Netzwerken
Das
grundlegende Verständnis sozialer, dabei politischer Netzwerke lässt sich mit
zwei Basissätzen umreißen: In Netzwerken ist jeder der Beteiligten mit jedem
anderen Beteiligten verbunden. Alle Beteiligte sind grundsätzlich in der Lage,
eigenständig zu handeln.[1]
Netzwerke in diesem Sinne allseitiger Verbindungsstrukturen zwischen Akteuren
können nach unterschiedlichen Kriterien analysiert und typologisiert werden. So
ergeben sich nach dem Kriterium der Offenheit geschlossene und offene
Netzwerke, nach dem Einflusskriterium durchgehend horizontal und teilweise
vertikal strukturierte Netzwerke, nach dem Kriterium der Formalität informelle
und formelle Netzwerke, nach dem Konformitätskriterium Netzwerke konformer und
Netzwerke pluraler Handlungsorientierung, nach dem
Dauerhaftigkeitskriterium dauerhafte und weniger dauerhafte Netzwerke und nach
dem Kriterium der Kollektivität Netzwerke mit und Netzwerke ohne kollektiven
Akteurscharakter.
Offensichtlich
ergibt sich schon durch unterschiedliche Kombinationen dieser
Kriterienausprägungen eine Fülle unterschiedlicher Netzwerkformen.
Beispielsweise lassen sich Policynetzwerke, seit
Jahrzehnten Gegenstand der Netzwerkforschung (Marin/Mayntz (Hrsg.)1991; Windhoff-Héritier
1987) und inzwischen insbesondere unter der Rahmenbezeichnung Global Governance Untersuchungsthema
(Reinicke 2000; Witte/Reinicke/Benner 2000; Brand 2000), als
handlungsorientiert, abgegrenzt, informell und in ihrer Zusammensetzung
flexibel einordnen. Städtenetzwerke (Kern 2001) stellen sich demgegenüber als
stärker formalisiert, weitgehend offen, auf Dauer angelegt und mehr oder
weniger handlungsorientiert dar.
In
Feldern, in denen Aspekte der kollektiven Willensbildung eine Rolle spielen,
stellt sich allerdings ein bestimmter Netzwerktypus immer wieder als
fundamental heraus. Dies sind weitgehend geschlossene, dauerhafte, informell
strukturierte und informell operierende Netzwerke, die in hohem Maße kollektive
Handlungsfähigkeit und Macht vermitteln. Informelle Akteursnetzwerke dieser Art
haben im Hinblick auf Vermachtung und Korruption, den hier zu behandelnden
Gegenstand, überragende Bedeutung. Durch ihr genaueres Verständnis werden aber
auch bestimmte Strukturen und Operationsweisen deutlicher, die soziale und
politische Netzwerke im allgemeinen charakterisieren.
Sie stehen daher als Idealtypus soziopolitischer Netzwerke im Mittelpunkt der
folgenden Überlegungen.[2]
Netzwerke
in diesem Sinn funktionieren zunächst nach der Grundregel, dass Netzmitglieder
im Entscheidungsfall gegenüber Netzaußenseitern strikt präferiert werden. Diese
strikte Präferenz reduziert die wahrgenommene Komplexität in Auswahlfragen auf
die einfache Beziehungsrelation Netzmitglied oder Netzaußenseiter. Netzwerke
erleichtern damit Auswahlprozesse und geben den Beteiligten
Verhaltenssicherheit. Sachprobleme können nach diesem Muster allerdings nur
angemessen bewältigt werden, wenn sich innerhalb des Netzwerks entsprechender
Sachverstand befindet. Fehlt dieser, geraten netzwerkdominierte Systeme in
Managementprobleme, die sie häufig durch Nichthandeln (Aussitzen) oder Scheinhandeln, beispielsweise die demonstrative
Gründung eines netzwerkdominierten Ausschusses, zu bewältigen suchen.
Innerhalb
von Netzwerken werden strittige Entscheidungen im allgemeinen auf Grundlage der
jeweiligen Tauschpotenziale der Beteiligten ausgehandelt, so Geld, Stellen,
Organisations- und Regelmacht, Beziehungs-, Prozess- oder Sachwissen: Wer
großes Tauschpotenzial hat, verfügt über die besten Chancen der Durchsetzung.
Damit sind institutionalisierte Akteure, die über öffentlich anerkannte und
garantierte Tauschpotenziale, insbesondere Handlungsmacht, verfügen,
grundsätzlich bevorzugt. Da Tauschpotenziale aber in der jeweiligen
Entscheidungssituation optimal aktiviert werden müssen, sind auch
Organisationskapazitäten von Gewicht, mit denen Tauschpotenziale situativ
aktiviert werden. Schließlich können Tauschpotenziale optimal gepflegt und -
etwa durch Sekundärtausch - vergößert werden,
umgekehrt aber auch durch Inaktivität oder Nachlässigkeit schwinden.
Netzwerkdominierte Systeme sind daher durch große Betriebsamkeit insbesondere
einflussreicher und aufstiegsorientierter Beteiligter mit dem Ziel geprägt,
netzbezogene Tauschressourcen zu reproduzieren, zu vergrößern und zu
kumulieren. Wo immer Akteursnetzwerke an Einfluss gewinnen, wandelt sich
demnach die herrschende Systemlogik in Richtung einer Beziehungs- und
Tauschlogik.
Der
Ausgleichs- und Entwicklungsmechanismus des Tausches in Netzwerken reicht
allerdings, anders als in offenen
Marktstrukturen, nur bis zu den jeweiligen Netzwerkgrenzen. Soll ein neuer
Akteur in den Tausch einbezogen werden, muss dieser zur Beteiligung am Netzwerk
bereit sein, aber auch von den anderen Netzwerkmitgliedern als Mitglied
akzeptiert werden. Der Tauschmechanismus ist also der Sicherung der
Gruppenidentität von Netzwerken respektive deren längerfristiger Reproduktion
untergeordnet. Idealtypische Akteursnetzwerke zeichnen sich demzufolge in der
Regel durch beträchtliche Dauerhaftigkeit aus und entfalten ihre Stärken über
unterschiedliche Kontextsituationen hinweg. Umgekehrt können sie sich am besten
entfalten, wenn die Rahmenbedingungen
ihrer Existenz längerfristig gesichert sind, beispielsweise auf der Grundlage
institutionalisierter Privilegien ihrer Mitglieder.
Ebenfalls
im Sinne dieser längerfristigen Reproduktion ist der Umstand zu
sehen, dass Akteursnetzwerke nicht nur Handlungs- und Tauschsphären, sondern
auch soziale Räume bilden und zudem häufig in sozialen Lebenswelten verankert
sind. Vernetzt sind in Akteursnetzwerken also nicht nur Akteure, sondern auch
Lebenswelten und kollektive Handlungsspäre.
Dementsprechend gibt es kaum rein politische Netzwerke. Typisch für
politikrelevante Akteursnetzwerke ist vielmehr gerade, dass sich in ihnen
soziale und politische Abläufe verbinden. Hieraus wiederum folgt, dass
idealtypische Netzwerke mit Politikbezug nicht laufend kollektives Außenhandeln
produzieren. Netzwerke können vielmehr
über längere Zeit hinweg schwerpunktmäßig innere Willensbildung oder ihre
Eigenreproduktion betreiben und gegebenenfalls längere Zeit vollkommen ruhen.
Dennoch und manchmal gerade dadurch verfügen sie über beträchtliche kollektive
Handlungspotenziale.
Ihrer
sozialen Einbettung zum Trotz sind dauerhafte Akteursnetzwerke primär durch die
Eigeninteressen der Beteiligten bestimmt: Wer an kollektiven
Willensbildungsprozessen teilnimmt, verfolgt üblicherweise nicht nur zu
repräsentierende Interessen, sondern auch eigene Akteursinteressen.[3]
Beispielsweise agieren Partei- und Verbandspolitiker nicht zuletzt mit dem
Interesse, ihre Wahlchancen und ihre Machtposition auszubauen. Informelle
Akteursnetzwerke, die ja öffentlich nicht kontrolliert oder auch nur eingesehen
werden können, erlauben den Beteiligten besonders gut, ihre Akteursinteressen
zu verfolgen, Machtpositionen zu errichten und zu verstärken. Deshalb bilden
sich solche Netzwerke in aller Regel, sowie einzelne Akteure wiederholt an
kollektiven Willensbildungsprozessen teilnehmen.
2. Prekäre
Wirkungspotenziale von Netzwerken
Durch
die allseitige Verbindung ihrer Mitglieder haben Netzwerke hervorragende innere
Kommunikationsvoraussetzungen: Netzinterne Kommunikationsprozesse können sich
damit rasch und mit großem Effekt vollziehen. Anders als im
massenpsychologischen Kommunikationsprozess bleibt dabei der einzelne souveräne
Akteur eine Korrekturinstanz von Gerüchten, und bei der Vielzahl
handlungssouveräner Akteure besteht eine gute Chance dafür, dass die
Reichhaltigkeit unterschiedlicher Problem- oder Lösungsgesichtspunkte
berücksichtigt wird. Die für Netzwerke typischen informellen Vorgehensweisen
erleichtern zudem rasches situationsgerechtes Kommunizieren und Handeln.
Diese
grundsätzlichen Vorteile von Netzwerkstrukturen vergrößern sich noch im Umfeld
kommunikationsschwacher, starr formalisierter Strukturen: Sind beispielsweise
zwei Bereiche, etwa Recht und Politik, durch formelle Barrieren voneinander
getrennt, so können Mitglieder eines Netzwerks, das beide Bereiche informell
miteinander verbindet, für sich überproportional großen Nutzen hieraus ziehen:
In einem solchen Netzwerk fließen nämlich nicht nur für die Beteiligten
wertvolle Informationen über Interdependenzen beider Bereiche; es ergeben sich
damit auch Möglichkeiten zur praktischen Beeinflusssung
beider Bereiche, über die unvernetzte Akteure nicht verfügen. Bereichsgrenzen
durchdringende Steuerungsmacht dieser Art können die Netzwerkmitglieder
wiederum vorteilhaft im Sinne ihrer individuellen Karriere- und Einkommensziele
nutzen.
Netzwerkgestützte
Informations-, Macht- und Einkommensvorteile bedeuten allerdings gleichzeitig
relativ verschlechterten Informationszugang, Einflussverlust und
Einkommensnachteile für aktuelle oder potentielle Konkurrenten außerhalb des
Netzwerks. Vor allem aber unterlaufen sie allgemeine Verfahren, die auf der
strikten Trennung bestimmter Bereiche basieren. Dass die Leistungsfähigkeit von
Verfahren entscheidend davon abhängt, ob es gelingt, institutionell gesetzte
Trennungen zu etablieren und zu sichern, ist in verschiedenen Zusammenhängen
bereits thematisiert worden.[4] Für
die Netzwerkdiskussion ist diese Problematik aber besonders prekär, da sich
Vernetzung und institutionelle Trennung grundsätzlich diametral entgegenstehen.
Der
Zusammenhang, um den es geht, lässt sich zunächst anhand eines allseits
vertrauten technischen Vorganges veranschaulichen: Elektrischer Strom kann nur
dann fließen, wenn strom- und spannungsführende Teile eines Stromkreislaufs
strikt voneinander getrennt gehalten werden. Verbinden sie sich dagegen auch
nur kurz, so kommt es zum bekannten Phänomen des Kurzschlusses: Eine bislang
hell brennende Birne hört schlagartig auf zu brennen oder zerplatzt, der
Stromkreislauf wird durch die aus ihren Halterungen gedrückten (herausfliegenden) Sicherungen
augenblicklich unterbrochen und kann erst dann wieder geschlossen werden, wenn
der Kurzschluss behoben ist.
Auch
in sozialen Systemen gibt es funktionale Trennungsanforderungen, insbesondere
Trennungsanforderungen zwischen der operativen Ebene und der Regelebene
kollektiver Verfahren: Nur wenn Gerichtsverfahren, Wahlverfahren oder
Wettbewerbe im Rahmen vorgegebener, durch einzelne Beteiligte nicht willkürlich
veränder- und interpretierbarer Regeln stattfinden, können sie ihre
Leistungspotenziale, so gleiche Beteiligungschancen, Zukunftsoffenheit,
Leistungsmotivation und allgemeine Akzeptanz, entfalten. Sind Verfahrensregeln
gegen Interventionen einzelner Verfahrensteilnehmer nicht strikt geschützt so
sinkt dagegen die Leistungsfähigkeit des betroffenen Verfahrens stark ab;
Leistungsmotivation, institutionelle Akzeptanz und soziales Vertrauen der
unmittelbar und mittelbar Beteiligten verringern sich. Denn diejenigen, die die
Regeln willkürlichen bestimmen und auslegen können, entziehen sich damit
Leistungsanforderungen und Verhaltensbindungen. Die Teilnehmer ohne Regelmacht
dagegen fühlen sich unfair behandelt, sind nicht mehr leistungsmotiviert und
trauen weder dem Verfahren noch den anderen Verfahrensbeteiligten.
Eine
besondere Form des institutionellen Kurzschlusses bildet die Korruption.
Hierbei kaufen Verfahrensteilnehmer von Verfahrensreglern illegitime
Verfahrensvorteile oder bestimmte Regelentscheidungen. Dieser illegitime Kauf
kann mit dem Tauschmittel Geld, aber auch mit Naturalien, beispielsweise
Flügen, Urlaub, Rotlichtbestrahlung, Beförderungen, Stellenvergabe oder
illegitimer Entscheidungskoppelung, getätigt werden.[5]
Geschieht er in Kenntnis der Illegalität eines Vorteilkaufs respektive einer
Vorteilsannahme, stellt er einen kriminellen Normbruch dar. Sind verbindliche
Verfahren dagegen nur schwach entwickelt oder gelten sie durch verbreiteten
Normbruch in der Praxis nur mehr in geringem Grade, so werden Vorteilskauf und
Vorteilsannahme zumindest von den Beteiligten verbreitet als lässige Sünde, als
nicht belangbare Normalität oder gar als verteidigungsfähiger Besitzstand
betrachtet. Eine derartige Sozialkultur des Tausches zwischen Akteuren der
operativen Ebene und der Regelebene führt zum dauerhaften institutionellen
Kurzschluss. Sie schafft zwar für die unmittelbar beteiligten Akteure lokale
Optima, dies aber auf Kosten der Allgemeinheit (globaler Optima).
Regelungsanforderungen im Sinne von Verfahren, die die Allgemeinheit, dabei
gerade auch Minderheitsbedürfnisse und Bedürfnisse einflussschwacher
Mehrheiten, schützen, werden strukturell unterlaufen. Grundlegende
Erfordernisse einer modernen Gesellschaft, so Zukunftsoffenheit von
Entscheidungen, Leistungsmotivation, daraus entspringende Leistungsfähigkeit
sowie institutionell gestütztes soziales Vertrauen, werden verfehlt.[6]
Die
skizzierte Tauschlogik der Netzwerke korrespondiert mit der Logik der
Korruption insofern, als unterschiedliche Bereiche miteinander verbunden und in
ihren Produkten tauschfähig gemacht werden. Nach der internen Netzwerklogik
erscheint Korruption lediglich als Tausch. Für Akteure, die zu Bestechung oder
Vorteilsannahme bereit sind, bilden Netzwerke umgekehrt eine Art Einbettung. Im
besonderen gilt dies für relativ geschlossene,
informelle, relativ dauerhafte Netzwerke, wie sie hier als Idealtypus gefasst
worden sind. Diese nämlich können von der Öffentlichkeit abgeschottete
eigenständige Netzwerkwelten schaffen, in denen Korruption als regulärer Tausch
ohne jedes Problem gehandhabt wird.
Mächtige
Akteursnetzwerke verfehlen schließlich Grundanforderungen der Demokratie, in
der das Wohl der Allgemeinheit im Mittelpunkt stehen, die Wahl und Rückbindung
der Regierung durch das Volk und die reguläre Beteiligungsmöglichkeit des
Volkes an der Willensbildung gesichert sein soll. Akteursnetzwerke
konterkarieren nämlich nur zu oft sozial rationale Problemlösungen; sie bieten
als informell und verdeckt operierende Einheiten kaum Möglichkeiten zur
öffentlichen Kontrolle und Entscheidungslegitimation oder breite
Beteiligungschancen. Soweit ihr Wirken für die Öffentlichkeit erkennbar wird,
senkt es oft sogar Akzeptanz und Motivation im Sinne vitaler Demokratie.
Zusammenfassend
stellen sich informelle Akteursnetzwerke unter Gerechtigkeits-, Leistungs- und
Demokratiegesichtspunkten als prekär dar. Sie sind zwar für die unmittelbar
Beteiligten mit Vorteilen verbunden, tendieren aber zur Ausbeutung der
Allgemeinheit, verkehren regelgebundene Leistungslogik in machtorientierte Tauschlogik
und konterkarieren vitale Demokratie eher als diese zu fördern.
3. Fälle
Der
empirische Beleg der entwickelten Netzwerkkritik wird dadurch erschwert, dass
gerade herrschende, wirkungsstarke Netzwerke häufig in der Lage sind, prekäre
Daten geheim zu halten, zumindest aber eine öffentliche Diskussion ihrer
Strukturen, Operationsweisen und Handlungswirkungen zu unterbinden. Dennoch
haben investigativ arbeitende Journalisten, Prüfinstitutionen, Wissenschaftler
und öffentliche Kritiker zahlreiche Nachweise netzwerkgestützter Vermachtung
und Korruption zu Tage gefördert. Mächtige Netzwerke bestehen insbesondere in
Wirtschaftssektoren, die stark von öffentlichen Aufträgen abhängen, so im
Rüstungsbereich, im Baubereich, im Gesundheitsbereich, in der Landwirtschaft
oder im Forschungs- und Wissenschaftsbereich.[7] Im
Bau- und im Gesundheitssektor sind in den letzten Jahren geradezu regulär
Netzwerksstrukturen festgestellt worden, die den hier getroffenen allgemeinen
Aussagen entsprechen.[8] Darüberhinaus existieren aber auch prekäre
sektorübergreifende Netzwerke. Ein besonders einflussreiche Form davon sind
Strukturen, die unter dem Stichwort Parteienstaat
diskutiert werden.
Im
folgenden illustriere ich die dunkle Seite der
Netzwerke anhand von zwei sektoriellen Netzwerken,
des agroindustriellen Komplexes im Fall BSE und der akademischen Netzwerke
unter besonderer Berücksichtigung der Politikwissenschaft. Im Anschluss greife
ich Analyseergebnisse zum Parteienstaat zur Illustration sektorübergreifendee
Netzwerke auf.
3.1 Der
agroindustrielle Komplex im Fall BSE
Viele
der in der EU produzierten landwirtschaftlichen Produkte, etwa Getreide oder
Fleisch, wären ohne massive Subventionen international nicht wettbewerbsfähig.
Entgegen den proklamierten GATT-Normen eines freien Welthandels und den
Willensbekundungen, Importbeschränkungen gerade für Produkte aus
Entwicklungsländern abbauen zu wollen, betreibt die Europäische Union daher
traditionell eine Landwirtschaftspolitik der hohen Zoll- und Subventionsmauern.[9] Aber
auch innerhalb der EU wird Landwirtschaft in einem engmaschigen System
staatlicher Preis-, Qualitäts- und Prozessvorgaben administriert, die
ihrerseits in einem politischen Ringen zwischen den beteiligten
Interessengruppen und Nationalstaaten zustande kommen.[10]
Unter diesen Bedingungen sind landwirtschaftspolitische Netzwerke von
überragender Bedeutung. Das wichtigste Netzwerk dieser Art ist der sogenannte agraoindustrielle Komplex, der auf die Förderung
agrarindustrieller Betriebe abzielt und sich aus Agrarindustrie samt
Futtermittelindustrie, Teilen der Bauernschaft, der Agrarbürokratie und der
Agrarpolitik zusammensetzt.
Die
Entstehung und Ausbreitung von BSE in England und anderen EU-Ländern seit dem
Beginn der achtziger Jahre ist nur angesichts des Einflusses dieses Komplexes
zu verstehen.[11] So wurde unter der
Direktive des englischen Landwirtschaftsministeriums, eines Zentrums dieses
Netzwerks, seit 1974 das Fleisch der durch die Traberkrankheit (Scrapie) befallenen und getöteten Schafe zu Tiermehl verarbeitet
und systematisch an Rinder verfüttert, ein lebensmitteltechnisch hochgradig
risikoreiches Vorgehen, da dieses Fleisch nach wie vor prionenhaltig
war.[12] Auf
Drängen des Europäischen Verbands der Mischfutterindustrie gab es von 1978 an
keine klare Kennzeichnung bei Tierfutter mehr. Nur noch allgemeine Kategorien
zu den Inhaltsstoffen waren aufgeführt. Der Gehalt an bestimmten
Inhaltsstoffen, beispielsweise an Tiermehlen, musste dagegen nicht mehr
angegeben werden, so dass einfache Bauern keine Kontrollmöglichkeit mehr über
die Zusammensetzung von Mischfutter und Kraftfutter hatten.[13] Ab
1981 wurde die Form der Tiermehlproduktion in England den produzenten
völlig selbst überlassen und dementsprechend, soweit heute erkennbar, in höchst
riskanter Form vereinfacht.[14]
Mitglieder
des agroindustriellen Komplexes, so
Beamte des britischen Landwirtschaftsministeriums, später auch anderer
nationaler Landwirtschaftsbehörden, so in Deutschland, und von England
unterwanderten EU-Generaldirektion mit Bezug zur BSE-Problematik
(Landwirtschaft, Verbraucherschutz) unterdrückten Information über
gesundheitliche Recycling-Risiken und BSE-Krankheitsfunde sowie entsprechende,
beantragte medizinische Forschungsprojekte. Dies geschah teilweise mit mafiosen Praktiken.[15] In
Folge dessen konnten bereits problembewusste Experten nicht aktiv werden und
eine öffentliche Wahrnehmung wurde verschleppt. Selbst als das gesundheitliche
Risikopotenzial der Problematik im Grundsatz bekannt geworden war, wurden
notwendige Regelungen zur Bekämpfung von BSE
Jahre unterbunden oder durch opportunistische Vermarktungspolitik
ersetzt.
Aufgrund
dieser Vorgehensweisen und Strukturen kam ein energisches zielbewusstes
Management der BSE-Risikoproblematik rund zwei Jahrzehnte lang nicht zustande;
im Gegenteil: Die Entstehung und Ausbreitung von BSE wurde geradezu gefördert.
Bereits bis Ende 2000 waren über 180.000 Rinder in Großbritannien und Hunderte
von Rindern in anderen Ländern an der tödlichen Krankheit als erkrankt
gemeldet. An der neuen, noch wenig erforschten Variante der
Creutzfeld-Jacob-Krankheit, die seit 1995 vor allem in England festgestellt und
auf den Einfluss von BSE zurückgeführt wird, starben bis Mai 2001
88 Menschen. Wie viele Tote sie noch fordern wird, ist bei einer
angenommenen Latenzzeit zwischen fünf und 35 Jahren, noch schwer
vorauszuschätzen. Bei der viele Jahre langen Verseuchung von Rindfleisch ist
aber zumindest in Großbritannien ein gesundheitliches Desaster von großem
Umfang nicht ausgeschlossen. Zu diesen gesundheitlichen Folgen kommen
ökonomische: Mit der wachsenden Zahl öffentlich bekannt werdender BSE-Fälle und
erkannter gesundheitlicher Risiken des Menschen verringerte sich ab Ende 2000
das Konsumentenvertrauen in Rindfleisch in Deutschland und anderen
risikobewussten EU-Ländern drastisch und die Nachfrage nach Rindfleisch brach
weitgehend zusammen. Zahlreiche Bauernhöfe,
Schlachthöfe und andere Betriebe der Rindfleischproduktion gerieten in
eine Krise. Der Aufkauf und die Tötung von 400.000 Rindern in Deutschland wegen der
BSE-Krise verursachte nach Schätzungen Gesamtkosten von 647 Millionen
Mark. Davon übernahm der Bund 362 Millionen, die restlichen Kosten trug die EU,
die ca. 1,7 Millionen Rinder mit Ausgleichzahlung für die Bauern töten ließ,
eine zusätzliche Belastung des EU-Haushalts in Höhe von 700 Millionen Euro.
Insgesamt werden die Kosten in Deutschland auf 2,1 Milliarden Mark geschätzt.[16]
Im
BSE-Fall zeigt ich beispielhaft, wie sektoriell
vernetzte Macht in ein gesundheitspolitisches und ökonomisches Desaster führt.
3.2
Akademische Netzwerke
Anders
als der agroindustrielle Komplex im BSE-Fall gilt die Grundstruktur der
universitär-akademischen Sphäre, so wie sich sich
über Jahrhunderte in Kontinentaleuropa entwickelt hat, im allgemeinen
als legitim.[17] Und nicht nur
konservative Hochschulverbände, so der Deutsche Hochschulverband, betrachten
sie anderen Organisationsformen von Wissenschaft nach wie vor als überlegen.[18]
Bestimmend für diese Struktur ist die Stellung der Universitäten zwischen Staat
und Selbstorganisation. Demnach werden die Hochschullehrer durch staatliche
Organe offiziell berufen und üblicherweise verbeamtet, Gebäude, Personal und
Betrieb von Hochschulen aus Steuergeldern finanziert. So privilegiert und aus
allgemeinen Mitteln finanziert organisieren sich wissenschaftliche
Gemeinschaften mit dem Anspruch der Selbstbestimmung, der
Wissenschafts-Autonomie. Demnach entscheidet die Gemeinschaft der Professoren
einer Universität - in Abstimmung mit der bestehenden Gebietskörperschaft -
darüber, wer neu an die Universität berufen (Kooptation), wie die vom Staat zur
Verfügung gestellten Mittel verteilt und wie Lehre und Forschung organisiert
werden sollen. Auch in der universitätsübergreifenden akademischen
Forschungsförderung entscheiden dem Prinzip nach Hochschullehrer durch
wissenschaftliche Gutachten.
Unter diesen Rahmenbedingungen kann Forschung und
Lehre zwar in unterschiedlichen Formen organisiert werden. Akademische
Organisationsmodelle und Ablaufmuster werden nämlich auch durch intervenierende
Faktoren beeinflusst, beispielsweise durch wissenschaftstheoretische und
ethische Überlegungen, allgemeine rechtliche Normen und Formen des
Organisationslernens im interregionalen und internationalen
Wissenschaftsvergleich. Davon abgesehen stellt sich die akademische
Selbstorganisation auf der Grundlage staatlicher Finanzierung aber als eine
geradezu paradigmatische Voraussetzung für Verhandlungsprozesse,
Koppelgeschäfte und netzwerkgestützte Vermachtung dar. Hierbei werden nämlich
operative Prozesse der Forschung und Lehre und wissenschaftliche Regelprozesse
wie die Qualitätsbegutachtung, die Personalauswahl und die Mittelverteilung in
einem abgeschlossenen Kreis privilegierter Akteure bestimmt, die in jeweiligen
Entscheidungssphären, beispielsweise Institut oder Fachdisziplin, untereinander
in allseitiger Verbindung stehen.
Ausgangspunkt
dafür ist die im akademischen Bereich verbreitete Entscheidungsregel durch
Mehrheit. Denn in einem eng geschlossenen Kreis souveräner Akteure kommt
mehrheitliche Zustimmung, abgesehen von Überzeugungsprozessen, nur durch
Anreize, also durch Tausch zustande. Netzwerke bilden aber nach dem Muster Ich stimme grundsätzlich für dich, weil ich
erwarten kann, dass du grundsätzlich für mich stimmst quasi eine geronnene
Struktur gegenseitiger positiver Tauschversprechen und sind daher grundlegend
für die Mehrheitsbildung in abgegrenzten Gemeinschaften souveräner Akteure.
Dementsprechend sind wissenschaftliche Gemeinschaften besonders stark durch
Netzwerkbeziehungen beeinflusst, wobei wissenschaftsnahe Netzwerke, etwa um
Untersuchungsansätze oder Subdisziplinen, aber auch wissenschaftsfernere
Netzwerke, etwa Netze parteipolitischer Art, eine Rolle spielen können.
Vernetzungsgrad und Macht korrespondieren dabei üblicherweise in hohem Grade.
So werden beispielsweise Fachgutachter-Positionen bei der Deutschen
Forschungsgemeinschaft in aller Regel von hochgradig vernetzten
Hochschullehrern besetzt, die vom Vorstand der Deutschen Vereinigung für
Politische Wissenschaft (DVPW) vorgeschlagen und von einer Mehrheit von
Verbandsmitgliedern gewählt worden sind.
Derartige
Vernetzungsphänomene erscheinen insofern als wenig problematisch, als hierbei
wissenschaftsnahe Netzwerke miteinander konkurrieren: Vernetzung steht dann ja
lediglich für pluralistische Gruppenbildung im Rahmen wissenschaftlicher
Konkurrenz. Schon dabei kann sich wissenschaftliche Leistung allerdings nur im
Rahmen einflussreicher Beziehungsnetzwerke verwerten. Anlage und Durchführung
von Forschung haben sich also strikt an die in solchen Netzwerken geltenden
Strukturen und Paradimata zu halten, was in der
Tendenz dazu führt, dass autoritäre Netzwerkstrukturen mit ihren jeweiligen Netzwerkgurus befestigt und herrschende
Paradigmata verstetigt werden.[19] Offensichtlich
prekär wird akademische Netzwerkherrschaft aber, wenn Entscheidungen im
akademischen Sektor nach unterschiedlichen, dabei auch wissenschaftsfernen
Netzwerkbezügen fallen, inhaltliche und methodische Leistungskriterien also an
Boden verlieren gegenüber wissenschaftsübergreifenden Beziehungs- und
Tauschkriterien. Wissenschaftlicher Erfolg korrespondiert dann nicht mehr mit
Entdeckungsfähigkeit, Kritikfähigkeit und analytischer Schärfe, sondern mit der
Kumulation von Netzwerkbeziehungen, den Erfolgen sogenannter Netzwerkarbeit.[20]
Die
Problematik spitzt sich dadurch zu, dass akademische Netzwerke angesichts der
begrenzten Zahl von Mitgliedern und der weitgehenden lokalen Verfügungsmacht
einzelner Netzwerkmitglieder oft den Charakter von Herrschaftsinstitutionen
erlangen, die potentielle Konkurrenten vollkommen ausschließen können. So werden in der deutschen
Politikwissenschaft Universitätsprofessuren in aller Regel nur für Bereiche
vergeben, die den Grenzen der herrschenden wissenschaftlichen Subeinheiten,
Theorie und Geschichte des politischen Denkens (1), politisches System der
Bundesrepublik Deutschland (2), internationale und interregionale Komparatistik
(3), Internationale Beziehungen und Außenpolitik (4) sowie Methodenfragen (5),
entsprechen. Kandidaten, die in anderen Teilbereichen der Politikanalyse
qualifiziert sind oder in verschiedenen der sogenannten Kernbereiche der
Disziplin publiziert haben, gelten demgegenüber als Netzwerkexterne und haben
damit verschwindend geringe akademische Berufschancen, eine Art Berufsverbot.
Dass
es unter diesen Bedingungen kaum zu politikwissenschaftlichen Diskursen kommt
und stattdessen subdisziplinäres Häuschendenken und beflissenes Ausmalen
gängiger wissenschaftlicher Paradigmata
dominieren, verwundert nicht. Können sich selbst ausgewiesene
Politikwissenschaftler kaum grundsätzlichere Kritik und alternative Denkansätze
leisten, so gilt dies selbstredend noch
mehr für den sogenannten wissenschaftlichen Nachwuchs: Aspiranten auf
eine politikwissenschafltiche Karriere haben
ausschließlich dann eine Chance zum Erfolg, wenn sie sich netzwerkgerecht
verhalten, also sich strikt an herrschenden Paradigmata orientieren und
netzwerkorientierte Betriebsamkeit zeigen. Zu einer grundsätzlicheren Kritik
erscheinen in diesem System nur Wissenschaftler in der Lage, die auf eine
politikwissenschaftliche Netzwerk-Karriere bewusst verzichten oder aber äußerst
risikobereit sind, - denkbar schlechte Voraussetzungen für einen innovativen
Diskurs, in dem Entdeckungsfreude, analytische Innovation und Freude an der
Leistung zählen.
3.3 Netzwerk Parteienstaat
Neben
sektoralen Netzwerken existieren auch sektorübergreifende Netzwerke. Ein
wirkungsmächtiges Netzwerk dieser Art wird unter dem Begriff Parteienstaat gefasst. Dieser von Otto Koellreuter 1926 eingeführte, aber von Gerhard Leibholz
(1929, 1958) in positiver Konnotation geprägte Begriff markiert die Tatsache,
dass Parteien in der repräsentativen Demokratie dominant geworden sind. Diese
Dominanz bezieht sich, wie Kritiker des Parteienstaats (Hesse 1959; Hennis
1982, 1992; Arnim 1991, 1997, 2000) hervorheben, nicht nur auf Bereiche, in
denen Parteien besondere Funktionen erfüllen, so auf Parteienwahlkampf,
Regierungsbildung und parlamentarische Abstimmungsprozesse. Parteiendominiert
sind im Parteienstaat vielmehr auch Entscheidungsbereiche, in denen der
einfache Bürger bestimmen könnte, so die Auswahl politischer Wahlbewerber.
Starken Einfluss haben die Parteien auf die öffentliche Verwaltung und
öffentlich-rechtliche Bereiche wie Rundfunk und Fernsehen. Ja sogar
Staatsanwaltschaften und Gerichte - siehe in Deutschland insbesondere das
Bundesverfassungsgericht - unterliegen in erheblichem Maße dem
Parteieneinfluss.
Die wachsende Parteiendominanz, die in Europa bisher
allerdings noch in ungleichem Maße festzustellen ist[21], hat
zunächst allgemeine strukturelle Gründe, so die Tendenz zur gesellschaftlichen
Ausdifferenzierung des politischen Sektors: Im Zeichen wachsender
gesamtgesellschaftlicher Arbeitsteilung spezialisiert sich auch die Beschäftigung
mit Politik. Nicht mehr der einfache Bürger, sondern der - in einer Partei
organisierte - Berufspolitiker ist der hauptsächliche politische Akteur.
Bürger, die selbst vorrangig wirtschaftlich, sozial und privat (Familie,
Erlebnis-, Spaßgesellschaft) tätig sind, lassen Politik in wachsendem Maß durch
spezialisierte Handlungsträger, so Parteien und Verbände, machen. Ja selbst
Bürgerprotest wird zunehmend durch spezialisierte, professionelle
Protestorganisationen (Beispiel Greenpeace) betrieben. Ein anderer Grund für
den gewachsenen Parteieneinfluss dürfte darin liegen, dass das Mehrheitsprinzip
in modernen Gesellschaften an Bedeutung gewonnen hat. Denn in
Flächendemokratien mit vielen Millionen Einwohnern werden, zumal bei wachsender
Komplexität der Sachprobleme, Entscheidungen zunehmend nur im Schatten majoritärer Entscheidungspotenziale möglich. Damit aber ist
es nicht verwunderlich, dass die Akteursorganisation, die politische Mehrheiten
am ehesten sichern kann, politische Mehrheitsparteien, zur entscheidenden
politischen Organisationsform wird. Die von Leibholz dargestellte Entwicklung
von der individuellen Honoratiorendemokratie zur Parteiendemokratie entspricht
insofern Bedingungen und Anforderungen der modernen Demokratie, weshalb
parteienstaatliche Strukturen nach dominierender politikwissenschaftlicher
Auffassung schlichtweg als normal gelten (Schütt-Wetschky
2001)..
Der heutige Parteienstaat birgt allerdings gravierende
Gefahren in sich, so vor allem die des institutionelles Kurzschlusses: Parteien
dringen in institutionell getrennte Bereiche, so neben der Legislative auch in
die Exekutive und Judikative sowie staatsferne Bereiche ein und verbinden diese
informell, wodurch die auf einer institutionellen Trennung beruhenden
Funktionsanforderungen dieser Bereiche unterlaufen werden. Verhalten sich
beispielsweise Staatsanwälte in einer Spendenaffaire
nach den Weisungen des von Mehrheitsparteien besetzten Justizministeriums eines
Landes, so wird die für einen Rechtsstaat fundamentale Sanktionsfähigkeit der
Justiz gegenüber Parteien beschränkt oder geht ganz verloren. Dies wiederum
unterhöhlt das Vertrauen der Bürger in die Integrität des staatlich-politischen
Systems und hat negative öffentliche Leitbildwirkung. Ist die öffentliche
Verwaltung Teil eines Parteiennetzwerks, so verschlechtert dies die
Konkurrenzbedingungen für nicht einbezogene Parteien in illegitimer Weise. Denn
eine durch bestimmte Parteien dominierte Verwaltung wird zu klientelistischen
Umgangsformen mit anderen Angehörigen der betreffenden Parteien tendieren,
diesen beispielsweise prekäre Informationen früher oder ausschließlich zukommen
lassen, diese bei der Vergabe von Aufträgen favorisieren und ähnliches. Einer parteiklientelistischen Verwaltung liegt es auch nahe, für
die eigene Partei staatlich finanzierte Werbeaktivitäten zu starten, diese
zumindest aber still bei der Darstellung in offiziellen Programmen und
Verlautbarungen zu favorisieren. Umgekehrt können Parteien eine öffentliche
Verwaltung, die Teil eines informalen Netzwerks mit ihnen bildet, ihrerseits
nicht mehr ohne weiteres kontrollieren. Denn netzwerkgestützte Beziehungsmacht
ist gegenseitig, so dass illegitime Vorgehensweisen der Verwaltung bis hin zur
Korruption nicht mehr ohne weiteres im Parlament thematisiert werden.
Vernetzen sich schließlich einzelne parteistaatliche
Netze noch einmal untereinander, so ergibt sich ein informelles Netzwerk all
derjenigen, die im Parteienstaat privilegierte Positionen einnehmen.
Entsprechend dem allgemeinen Interesse politischer Akteure an der
Stabilisierung und dem bestmöglichen Ausbau ihrer Position sind solche
parteienübergreifenden Netzwerke darauf gerichtet, die institutionelle
Privilegierung von Parlaments-, Regierungs- und höheren Verwaltungsangehörigen
gegenüber der allgemeinen Bevölkerung zu erhalten und weitestmöglich
auszubauen. Ansonsten konkurrierende Parteien verbünden sich dazu gegen die
Öffentlichkeit mit dem Ziel, a) ihre staatliche Finanzierung möglichst
vollständig durchzusetzen, b) Offenlegungspflichten der Parteienfinanzierung zu
boykottieren, c) den Organisationstypus der politischen Partei rechtlich zu einer staatlichen
Institution zu erklären, d) die Tätigkeiten parteipolitisch orientierter
Funktionsträger in Parlament und Regierung möglichst hoch zu dotieren, e)
Pensionszahlungen an ehemalige Funktionsträger in Parlament und Regierung,
perspektivisch sogar an Funktionsträger von politischen Parteien zu sichern und
möglichst stark zu erhöhen.
Die Operationsmechanismen zur Durchsetzung dieser
Netzwerkziele sind detailgenau dargestellt worden (Arnim 1997, 2000, 2001,
Scheuch 1992). Im Mittelpunkt stehen dabei Mechanismen des institutionellen
Kurzschlusses, insbesondere die Selbstermächtigung von Parlamenten oder
Verwaltungen, sich ihre von der Allgemeinheit finanzierten Diäten und
Pensionszahlungen selbst zu bestimmen. So haben parlamentarische Fraktionen im
Bundestag und Landtagen der Bundesrepublik Deutschland in den vergangenen
Jahrzehnten mit zunehmender Abgebrühtheit ihnen offen stehende Möglichkeiten genutzt,
um ihr eigenes Gehalt (Diäten) und vor allem die Pensionszahlungen an ehemalige
Funktionsträger in Parlament und Regierung in eine Höhe zu bringen, die ein
Vielfaches der Durchschnittsrenten beträgt und selbst höher als die von
Spitzenverdiener in staatlichen Positionen liegt (Arnim 2001). Die
entscheidende Machtgrundlage für diese Ausbeutung der Allgemeinheit durch ihre
politisch-staatlichen Spitzenrepräsentanten bildet die Vernetzung von Parteien
und Staatsbeamtentum. Dabei sichert die Institution des Berufsbeamtentums den
Parteien in der öffentlichen Verwaltung und öffentlich-rechtlichen Bereichen
eine dauerhafte Basis ihrer Macht, da auch parteiliche Berufsbeamten nicht
abgewählt werden können und daher auf Dauer mit ihren Möglichkeiten zur Vakanz,
ihrem Prozesswissen und ihrer Organisationsmacht ihrer Partei zuarbeiten
können. Die gesicherte Stellung der Parteien als hauptsächliche
Organisationsträger der politischen Willensbildung wiederum ermöglicht, das
Berufsbeamtentum politisch abzusichern und seine ökonomische wie politische
Stellung auszubauen, beispielsweise großzügige Bedingungen der Vakanz und des
gesicherten Wiedereintritts ins Berufsleben oder großzügige Pensionsbedingungen
für höhere Beamte zu beschließen.
Mit dieser Vernetzung entsteht eine sich selbst
legitimierende, ökonomisch und politisch privilegierte Herrschaftsschicht, die
in mehr oder weniger kritischer Konnotation als Politische Klasse bezeichnet wird (Arnim 1993, 1997, 2000; Beyme
1993; Rebenstorf 1995; Golsch
1998).[22] Die Bildung einer solchen Herrschaftsklasse
als normalen Vorgang im Sinne der von Gaetano Mosca
und Alfredo Pareto Ende des 19. Jahrhunderts entwickelten elitentheoretischen
Vorstellungen zu betrachten, erscheint mir nicht angebracht.[23]
Klassenbildung dieser Art steht nämlich in krassem Gegensatz zu dem Leitbild
einer modernen, sozial mobilen Gesellschaft, in der Leistung Aufstiegschancen
ohne Ansehen von Schicht oder Klassenzugehörigkeit verspricht. Etabliert sich
die Vorstellung einer üblichen Klassenbildung dieser Art, so werden hiermit
unter den Herrschenden Verhaltensmuster räuberischer
Herrschaft legitimiert und erleichtert.[24]
Unter denjenigen, die sich nicht mit der herrschenden Klasse identifizieren,
verliert Politik andererseits jeden Gemeinwohlanspruch und erscheint als
illegitime Sphäre, der mit Selbstverweigerung oder Widerstand zu begegnen ist.
Was eintritt, ist also genau das Gegenteil eines produktiven Verhältnisses von
Politik und Gesellschaft.
4. Strategien
gegen Vermachtung und Korruption
Wer
die dunkle Seite der Netzwerke zur Kenntnis nimmt und dennoch die Möglichkeit
öffentlichen Steuerungshandelns nicht völlig ausschließt, stellt sich die
Frage, wie mit informellen Akteurs-Netzwerken umgegangen werden soll. Die
Antwort auf diese Frage dürfte vor allem durch die Beurteilung des Charakters
jeweiliger Netzwerke und der kontextbezogenen Steuerungschancen angesichts des
Wirkens von Netzwerken bestimmt sein:
Werden informelle Netzwerke, wie in der euphemistischen Netzwerkanalyse
üblich, als förderlich oder harmlos betrachtet, so ergibt sich ein
Optionenspektrum öffentlichen Handelns, das von dem gezielten Aufbau und der
Unterstützung von Netzwerken durch öffentliche Organe über Indifferenz bis zur
Forderung nach pluralistischen Rahmenbedingungen für Netzwerkhandeln reicht.
Erscheinen Netzwerke im Sinne der Elitentheorie als Befestigungsmuster von
Klassenherrschaft und wird das von Vilfredo Pareto
stammende Modell einer Elitenzirkulation als realitätsnah betrachtet (Pareto
1975: 129f), so liegen strategische Folgerungen nahe, die je nach Standpunkt
darauf abzielen, die Vernetzung der herrschenden Elite beziehungsweise
jeweiliger Gegeneliten zu fördern. Werden informelle Akteursnetzwerke dagegen,
wie in diesem Artikel, als Gefahr für den sozialen und demokratischen
Rechtsstaat und als Belastung der allgemeinen Wohlfahrt betrachtet, so ergibt
sich die strategische Leitfrage, wie der Macht informeller Akteursnetzwerke,
unabhängig von ihrer jeweiligen Trägerschaft, der Boden entzogen werden kann.
Ausgangspunkt dafür sind Alternativoptionen zur Netzwerkherrschaft.[25]
4.1
Alternativen zur Netzwerkherrschaft
Da Vermachtung auf der Fähigkeit von Akteuren beruht,
allgemeine Regeln in ihrem eigenen Interesse willkürlich zu unterlaufen,
auszuhöhlen, umzuinterpretieren oder neu zu setzen, besteht die grundsätzliche
Alternative hierzu in der wirkungsvollen Trennung von operativer Ebene und
Regelebene. Daher zielt die kritische Netzwerkanalyse, anders als die
herrschende Netzwerkanalyse und weitere Analyseansätze, die normativ auf
wachsende Vernetzung orientiert sind, vor allem darauf ab, einander zugeordnete
Entscheidungsebenen zu differenzieren und institutionell getrennt zu halten.
Dieser Ansatz ist auf den Schutz legitimer Rechte der Allgemeinheit gegenüber
mächtigen Minderheiten gerichtet.
Besonders geschützt werden sollen damit die Rechte von Individuen und
Gruppen, die nicht in Akteursnetzwerken organisiert sind, keine Regelmacht
besitzen, aber regelgebundene Leistung für die Allgemeinheit erbringen. Zentral
im Sinne dieses Alternativansatzes sind allgemeine Verfahren auf der Grundlage
anerkannter Verfahrensnormen und Entscheidungskriterien sowie allgemeine
Leistungskriterien. Zu deren Fundierung und Sicherung gehören generelle Normen
der Rechtsgeltung und Sanktionsfähigkeit, Unvereinbarkeits- und
Anti-Korruptionsnormen, öffentliche Transparenz sowie Ansätze direkter
Demokratie. Ergänzend wirken ökonomische Grundlagen der Verfahrensautonomie und
soziale Fairnessnormen.
a) Allgemeine
Verfahren
Verfahren
sind Regelprozesse, mit denen komplexe Koordinationsaufgaben, insbesondere bei
Interessen- und Wertgegensätzen, entscheidungsoffen, aber von allen Beteiligten
anerkannt und daher verbindlich bearbeitet werden.[26]
Grundlegend für solche Regelprozesse sind vorab festgelegte Verfahrensschritte
und Entscheidungskriterien in einer kontextoffenen Wenn-dann-Formulierung.
Beispielsweise setzt der Urteilsspruch in einem Strafverfahren über
Schuldverteilung und Strafmaß, unabhängig vom konkreten Gegenstand und den Beteiligten,
zwingend die Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung voraus, die
ihrerseits wiederum auf den Ergebnissen der Zeugenvernehmung und anderen
Verfahrensschritte beruhen. Der Verfahrens-Begriff bezeichnet aber keine
rituelle Folge von Handlungen, sondern lediglich einen institutionell
strukturierten Prozess. Dessen konkreter Verlauf und Ergebnis stehen nicht von
vorne herein fest, Ausdruck fairer Verfahrensbedingungen, unter denen alle
Beteiligte ihre Chance haben, und zentrale Voraussetzung der Bereitschaft aller
Beteiligten, sich bis zum Verfahrensabschluss rollengemäß zu beteiligen und das
zustandekommende Ergebnis zu akzeptieren, auch wenn
es nicht ihren Wunschvorstellungen entspricht (Teilnehmerbindung).
Grundzüge des Verfahrenskonzepts charakterisieren
Koordinationsprozesse mit unterschiedlichen Gegenstandstypen und
Entscheidungskriterien. Hierzu gehören normanwendende Verfahren, beispielsweise
Gerichtsverfahren (Entscheidungskriterien Rechts- und Schuldbeschluss) oder
wissenschaftliche Bewertungsverfahren (Entscheidungskriterium wissenschaftliche
Qualität), normbildende Verfahren, beispielsweise die Gesetzgebung
(Entscheidungskriterium Parlamentsmehrheit), politische Wahlverfahren
(Entscheidungskriterium Wählermehrheit) und ökonomische Marktverfahren
(Entscheidungskriterium Gewinn).[27] Dem
Verfahrenskonzept entspricht schließlich auch der Institutionentypus Spiel, der durch besondere Reinheit und
Übersteigerung bestimmter Verfahrenskomponenten einen anregenden Idealtypus für
Verfahrensanalysen bildet. Im Mittelpunkt steht dabei die Doppelstruktur aus Spielregeln und Spiel (Morlok 1999): Die Spielregeln werden durch die Spielenden
gemeinschaftlich anerkannt oder festgelegt, woraus gemeinschaftliche
Teilnehmerbindung folgt. Im Spiel dagegen stehen die Beteiligten einander in
freien Konstellationen, dabei gerade auch in Konkurrenz, ja
Nullsummenbeziehungen, gegenüber. Die Freiheit, individuelle Bedürfnisse auch
auf Kosten Anderer auszuleben, wird also im Spiel durch den gemeinschaftlichen
Beschluss der Spielenden, sich strikt an die Spielregeln zu halten, gesichert.[28]
Verfahren
sind zwar für alle Beteiligte verbindlich. Die Weite des Beteiligtenkreises und
damit die Allgemeinheit von Verfahren kann aber
variieren. So werden Parlamentswahlen üblicherweise erst auf der Grundlage des
allgemeinen aktiven und passiven Wahlrechts für alle erwachsenen Staatsbürger
(Männer und Frauen) als allgemein bezeichnet. Allgemeine Verfahren in diesem
Sinne, an denen sich jeder Interessierte unabhängig von speziellen Akteursressourcen
beteiligen kann, realisieren den verfahrenstypischen Normgehalt der Sozialität
und Fairness besonders vollständig, weil durch sie kein Interessierter
ausgeschlossen wird.
Die
Logik allgemeiner Verfahren unterscheidet sich grundsätzlich von der
skizzierten Netzwerklogik:
¨
Während Netzwerke
nur Akteuren mit Verhandlungspotenzialen (Bargaining Power) offen stehen, also
Privilegierung ausdrücken und fördern, sind allgemeine Verfahren allen
Interessenten zugänglich. Diskriminierung wird damit grundsätzlich
ausgeschlossen, ein fundamentaler Beitrag zu gesellschaftlicher Gerechtigkeit.
¨
Während
Netzwerkentscheidungen durch strikte Präferenz zugunsten der Netzwerkmitglieder
vorprogrammiert sind, zeichnen sich Verfahren durch ihre Ergebnisoffenheit aus.
Die Komplexität des Regelungstypus Verfahren
ist also vergleichsweise groß, Verfahrensanforderungen sind im allgemeinen schwieriger zu bewältigen also einfache
Beziehungsentscheidungen nach dem Kriterium Netzwerk
oder Nichtnetzwerk. Andererseits können Verfahren Koordinationsleistungen
auch in Fällen erbringen, in denen Netzwerke versagen, so wenn keine
gemeinschaftlichen, sondern lediglich gesellschaftliche Beziehungen zwischen
den Beteiligten bestehen.[29]
¨
Während interne Netzwerkentscheidungen im Tausch vorhandener
Ressourcen getroffen werden, was wiederum Anstrengungen fördern, solche
Ressourcen, darunter Regelmacht, zu steigern, zählt in Verfahren primär die
regelgebundene Leistung. Dies gilt selbst für Normbildungsprozesse, in denen
Interessen an bestimmter Normbildung nach bestimmten Rahmenregelungen, also
regelgebunden, verfolgt werden. Netzwerke motivieren damit primär dazu,
tauschwerte Ressourcen zu erwerben und zu sichern, Verfahren motivieren primär
zu regelgebundener Leistung.
¨
Während
idealtypische Netzwerke Machtpotenziale ihrer Mitglieder in der Gesellschaft
stützen und verstärken, wird Akteursmacht in allgemeinen Verfahren, die nach
allgemein akzeptierten Verfahrensschritten und Entscheidungsregeln stattfinden,
außer Kraft gesetzt, zumindest aber begrenzt.
¨
Vermittelt über
ihre - auch symbolisch ausgedrückten - Funktionen der Verfahrensgerechtigkeit,
Leistungsmotivation und vitalen Demokratie stärken Verfahren allgemeine
Toleranz und allgemeines Vertrauen in staatlich-soziale Institutionen.[30] Anders
als idealtypische Netzwerke, die eine gemeinschaftliche Kapazität darstellen
können, aber die Gesamtgesellschaft häufig ausbeuten, bilden allgemeine
Verfahren damit eine soziale Kapazität.
b) Allgemeine
Leistungskriterien
Die Trennung von operativer Ebene und Regelebene wird
durch vorgegebene allgemeine Leistungskriterien erleichtert. Ein idealtypisches
Beispiel hierfür stellen universell gültige Leistungskriterien im Bereich des
Sports, so des Tennissports, dar. Die Entscheidung über Sieg und Niederlage
wird hier über die Aggregation einzelner Leistungsbewertungen nach allgemein
anerkannten Leistungskriterien getroffen, ein Bewertungs- und
Entscheidungssystem, das in seiner Klarheit und Stimmigkeit idealtypischen
Charakter hat.[31] Derartig stimmige Systeme
von Leistungsbewertung und Erfolgsentscheidung erleichtern das
Verfahrensverständnis aller unmittelbar und mittelbar
Beteiligter sowie die praktische Handhabung von Verfahren durch die
unmittelbar Beteiligten; damit wiederum tragen sie zur Regelakzeptanz,
Teilnehmerbindung und Vermittelbarkeit des Verfahrens bei. Allgemeine Systeme
der Leistungsbewertung können allerdings auch eigenständig wirken, ohne
zwingend mit Entscheidungsverfahren verkoppelt zu sein. So ist der
leistungsorientierte Vergleich ohne zwingende Entscheidungsfolgen
(Benchmarking) zu einem wichtigen Stimulans leistungsorientierter
Verwaltungsreform geworden (Bandemer 1998).
c) Unvereinbarkeits- und Antikorruptionsnormen
Allgemeine Verfahren und Leistungskriterien können und
sollten durch Normen geschützt werden, die sich gezielt gegen eine willkürliche
Beherrschung von Regelprozessen durch Regeladressaten richten. Hierzu zählen
vor allem Unvereinbarkeitsnormen, die die gleichzeitige Funktion von Personen
oder Organisationen in aufeinander bezogenen Operations- und Regelprozessen als
unvereinbar ausschließen. Ein Beispiel hierfür sind Gebote der Gewaltenteilung
zwischen der staatlichen Judikative, einem Bereich mit hoher, unter Umständen
verfassungsrechtlicher Kontroll- und Regelkompetenz, und Bereichen, die der
Judikative unterliegen.[32]
Dieses Unvereinbarkeitskonzept wird vor allem mit Normen des personenbezogenen
Ausschlusses der Ämterhäufung administriert. Ein anderes
Unvereinbarkeitskonzept ist darauf gerichtet, Zusammenschlüsse operativer
Einheiten zu unterbinden, durch die Systemregeln unterlaufen werden könnten.
Ein Beispiel hierfür sind Verbote marktgefährdender Kartelle. Hierbei soll das
Funktionieren des übergreifenden Regelprinzips Wettbewerb durch Verbote von
Unternehmensverbindungen geschützt werden, die eben dieses Regelprinzip
aushebeln und damit illegitime Regelmacht gewinnen könnten. Im Mittelpunkt
stehen dabei organisationsbezogene
Unvereinbarkeitsgebote.[33]
Am unmittelbarsten gegen Korruption gerichtet sind
Antikorruptionsnormen, die unrechtsförmige Kaufbeziehungen zwischen Akteuren
der operativen Ebene und der darauf bezogenen Regelebene explizit verbieten und
den Bruch solcher Verbote mit Sanktionen belegen. Hierbei werden im deutschen
Strafgesetzbuch Vorteilsannahme (§ 331), Bestechlichkeit (§332),
Vorteilsgewährung (§333) und Bestechung (§334) differenziert, wobei
Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung vergleichsweise geringfügig,
Bestechlichkeit und Bestechung deutlich schärfer sanktioniert werden (Fätkinhäuer 1995). Schon die Existenz solcher
Antikorruptionsnormen signalisiert zwar öffentlich, dass Korruption abzulehnen
und zu sanktionieren ist, woraus sich eine sozial-administrative
Orientierungsfunktion im Kampf gegen Korruption ergibt. Die praktische
Wirksamkeit derartiger Normen steht und fällt allerdings mit ihrer konkreter
Ausgestaltung, so der exakten Formulierung von Straftatbeständen und Strafmaß.
Diesbezüglich werden in zahlreichen Ländern, so auch der Bundesrepublik
Deutschland, noch gravierende Defizite als gegeben gesehen, so die
Ungleichbehandlungen von aktiver und passiver Korruption, die
Strafvoraussetzung einer auf beiden Seiten willentlichen unrechtsförmigen
Handelns und die Strafvoraussetzung einer relevanten Einkommenserhöhung des
Bestochenen (Zachert 1995). Der 1994 erst nach jahrzehntelangen Forderungen in
das deutsche Strafgesetzbuch eingefügte Artikel 108e zur Abgeordnetenbestechung
hat nach herrschender Meinung wissenschaftlicher Kommentatoren lediglich
symbolischen Charakter (Becker 1998; Fätkinhäuer 1995:
77). Und zur Bekämpfung inter- respektive transnationaler Korruption liegt
abgesehen von Empfehlungen der OECD kein nennenswerter Normbestand vor (Pieth
1995). Im Gegenteil, Bestechungsgelder sind in zahlreichen Ländern, darunter
Deutschland, immer noch steuerlich abzugsfähig, eine Regelung, die vom
Bundesverband der Deutschen Industrie sogar offensiv vertreten wird (Willemsen
1995).
d) Ökonomische Sicherung von Regelkompetenz
Die
Grundüberlegung eines weiteren, ergänzenden Sicherungsansatzes von Regelautonomie
ist einleuchtend: Regelungsakteure sollen nicht nur institutionell, sondern
auch ökonomisch gesichert sein, so dass die Gefahr ihrer Korruption sinkt.
Aufgrund dieser Überlegung staatlich garantierte, hoch dotierte Lebensstellen
für staatliche Regelakteure zu fordern, erscheint naheliegend, aber keineswegs
logisch zwingend. In einer auf Einkommensmaximierung gerichteten Welt
existieren nämlich keine absoluten Deckungsgrenzen des Gutes Einkommen. Angebotenes Zusatzeinkommen, das das offizielle
Einkommen möglicherweise bei weitem übersteigt, ist unter diesen Bedingungen
nach wie vor hoch attraktiv. Ja die durch das garantierte Einkommen geweckten
materiellen Bedürfnisse können das Streben nach einem wie auch immer
entstehenden Zusatzeinkommen leicht noch weiter vergrößern. Dies gilt
insbesondere, wenn Einkommen nicht leistungsresponsiv
garantiert wird, wie im Fall üblicher Beamtengehälter und Pensionszahlungen.
Ökonomisch privilegierte Regelakteure werden unter diesen Bedingungen nämlich
dazu tendieren, ihr Grundgehalt mit minimalem Leistungsaufwand zu sichern und
ihre Hauptenergie darauf zu richten, möglichst hohes Zusatzeinkommen zu
erzielen. Damit aber sind Regelakteure mit sicherem, leistungsunabhängigem
Gehalt für illegitime Außeneinflüsse und Korruption sogar in besonders hohem
Maße anfällig. Eine Alternative zu informeller Netzwerkherrschaft bilden also
nur ausreichend hohe, aber strikt leistungsresponsiv
bemessene Einkommen von Regelakteuren.
e) Transparenz, Öffentlichkeit
und Privatsphäre
Im Unterschied zu Netzwerkaktivitäten im Verborgenen
lassen sich öffentlich einsehbare, transparente Vorgänge vergleichsweise leicht
durch die Öffentlichkeit kontrollieren. Deshalb sind transparente Strukturen
und Prozesse grundsätzlich weit weniger durch Vermachtung und Korruption
gefährdet als undurchsichtige Regelungsprozesse.[34] Sie
bilden daher ein Alternativelement zur Herrschaft informeller Netzwerke.
Transparenz ist allerdings nicht gleichbedeutend mit
jeder Form von Öffentlichkeit. So können Verlautbarungsöffentlichkeit,
Agitationsöffentlichkeit und öffentliche Inszenierung Vermachtung sogar
stärken. Dies zeigen cäsaristische Formen
öffentlicher Heroeninszenierung und öffentliche Aufmärsche in Rechts- wie
Linksdiktaturen, die massenpsychologisch wirken, aber keine aufgeklärte
Öffentlichkeit oder gar sachliche Transparenz schaffen. Aber auch die
politische Öffentlichkeit in repräsentativ-parlamentarischen Demokratien steht
keineswegs immer für Transparenz. So suchten in der CDU-Spendenaffaire seit dem
Spätherbst 1999 angegriffene Spitzenpolitiker geradezu die
Medienöffentlichkeit, um sich gegenüber dem öffentlichen Publikum durch
Ehrenworte und das Bekenntnis Fehler gemacht zu haben, von diskreditierenden
Vorwürfen zu entlasten. Genau dadurch aber festigten sie ihr
Widerstandspotenzial gegen die Offenlegung entscheidender Abläufe, Personen und
Verantwortungsstrukturen der Spendenproblematik.[35]
Nicht jede Form von Öffentlichkeit, sondern sachliche Transparenz bildet also
eine Alternative zu informeller Netzwerkmacht. Dies spricht dafür, nicht nur
die Ergebnisse, sondern auch die Prozesse der politischen Regelsetzung für die
Öffentlichkeit generell einsehbar zu handhaben.
Die anzustrebende Transparenz von Regelprozessen ist
allerdings nicht gleichzusetzen mit einem Bild von Gesellschaft, in der jeder
Vorgang kontrollierbar und überprüfbar wird. Im Gegenteil, eine transparente
Gesellschaft ohne gesicherte Privatsphäre würde Vermachtung voraussichtlich
eher verstärken als schwächen. Nur zu oft äußert und reproduziert sich
Vermachtung nämlich auch darin, dass Herrschaftsinstanzen willkürlich Abläufe
auf der operativen Ebene bestimmen und einsehen können. Dies reicht in
totalitären Diktaturen soweit, dass eine abgeschottete und damit vor
unliebsamer Kontrolle bestens geschützte Herrschaftsclique durch Spitzeltum und andere Mechanismen die Gesellschaft bis ins
Detail durchleuchtet und zu kontrollieren sucht - eine fatale Umkehrung des
Transparenzgebotes von öffentlichem Handeln und Regelsetzung in ein Prinzip der
allgemeinen Bespitzelung. Fatal nicht nur, weil privates Leben verunsichert
wird, sondern auch weil soziale, ökonomische und politisch-rechtliche Verfahren
ihre Basis der Unverletzlichkeit und informationellen Autonomie der Beteiligten
verlieren.
Regeltransparenz, intakte Öffentlichkeit und
geschützte Privatsphäre bilden also nur im Zusammenhang eine Alternative zu
Vermachtung und Korruption.
f) Direkte Demokratie
Insbesondere in der Parteienstaatsdikussion
werden Ansätze der direkten Demokratie als fundamentale Alternative zu
Vermachtung und Korruption behandelt. Das Kürzel Direkte Demokratie steht dabei für eine institutionalisierte
Entscheidungskultur, in der die Allgemeinheit (das Volk) durch Abstimmungen
politische Sachentscheidungen trifft, überprüft oder in Gang setzt (Heußner/Jung (Hrsg.)1999). Daneben verstehen einige Autoren
auch direkte Wahlverfahren politischer Repräsentanten, so Direktwahlen von
Exekutivspitzen wie Bürgermeister, Landräte, Ministerpräsidenten oder
Staatspräsidenten und direkte Auswahlmöglichkeiten von
Parlamentsbewerbern/innen, etwa durch die Wahlverfahren des Kumulierens und
Panaschierens, als Formen direkter Demokratie im weiteren Sinn (Arnim 2000:
204).
Da in direktdemokratischen Verfahren die Entscheidung
beziehungsweise die Initiative zu einer Entscheidung darüber, wie in einer
öffentlichen Angelegenheit vorgegangen werden soll, bei der Allgemeinheit selbst liegt, verlieren
dadurch formelle Volksrepräsentanten, aber auch informell agierende Netzwerke
mächtiger Akteure an Gewicht. Mechanismen der direkten Demokratie können
zumindest fallweise eine Kontrolle parlamentarischer und administrativer
Instanzen ermöglichen (Borchert 2000; Zach 2000). Da deren Entscheidungen
häufig durch informelle Netzwerke beeinflusst sind, bedeutet dies gleichzeitig
eine mittelbare Kontrollkapazität der Allgemeinheit über die Produkte
informeller Netzwerke. Schließlich gewinnt die Allgemeinheit das im
Parteienstaat verschiedentlich verloren gegangene Recht zurück, Einfluss auf
die Auswahl politischen Personals zu nehmen, so dass die politische Klasse nun
nicht mehr ohne weiteres nach ihrer internen Netzwerklogik über politische
Karrieren entscheiden kann.[36]
Die im Begriff des Volkes oder der Allgemeinheit
vielfach mitschwingende Vorstellung einer Identität von Adressaten und
Produzenten öffentlicher Willensbildung löst allerdings das grundsätzliche
Beziehungsproblem zwischen operativer Ebene und Regelebene nicht auf. Auch und
gerade Formen der direkten Demokratie können nämlich nur dann ihrem Sinn entsprechend
funktionieren, wenn sie auf klar ausgewiesenen und strukturierten Verfahren
beruhen. Diese direkt demokratischen Verfahren wiederum müssen in allgemeiner,
nicht auf einen einzelnen Fall zugeschnittener, Form bestimmt sein, um die
Grundlage für entsprechende Abstimmungen bilden zu können. Fehlen solche
allgemeinen Verfahren direktdemokratischer Willensbildung oder werden sie ad
hoc gesetzt, um dann im selben Zuge und gleichsinnig angewandt zu werden, so
sind schwere Missbräuche nicht ausgeschlossen - eine Gefahr, die auch durch die
Analyse der Angst der Regierenden vor dem Volk und durch Hinweise auf die unproblematische Rolle
direktdemokratischer Willensbildung in der deutschen Geschichte nicht
ausgeräumt wird (Arnim 2000; Majer 2000, Schiffers 2000).
Cäsaristische Putschpotenziale mittels direktdemokratischer
Scheinregelungen sind allerdings nur außerhalb etablierter
parlamentarisch-repräsentativer Demokratien ein mögliches Problem. Innerhalb
solcher Demokratien besteht dieses dagegen in strukturellen
Demokratiedefizite, die netzwerkgestützte Vermachtung und Korruption
erleichtern. Um dieses Problem zu beheben, können verfahrensgestützte Formen
direkter Demokratie gerade in Wechselwirkung mit repräsentativen
Demokratiemechanismen einen wichtigen Beitrag leisten.
g) Soziale Fairness-Normen
Gegen die willkürliche Beherrschung von Regelprozessen
gerichtet sind schließlich nicht nur formell-rechtliche Normen, sondern auch -
üblicherweise informelle - soziale Normen. Ein in vielen Alltagsbereichen vertrauter
Normtyp dieser Art sind Fairnessnormen. Als solche werden nicht nur
selbstbindende Wertorientierungen im Sinne einer für alle Beteiligten
akzeptablen Güterverteilung verstanden (Elster 1989, 1991), sondern auch
wertgestützte Selbstbindungen an legitim erscheinende Regelmuster. Beispielhaft
hierfür sind sportliche Fairness-Normen. Demnach verhält sich fair, wer die
geltenden Spielregeln nicht nur dem Buchstaben, sondern dem leitenden Gedanken
nach respektiert und mit Leben erfüllt. Ein fairer Spieler weiß im Falle eines
Falles auch ohne vorgeschriebene Spielregeln sich entsprechend Prinzipien eines
für alle Beteiligten chancengleichen ergebnisoffenen Verfahrens zu verhalten.
Er/Sie tut dies im Bewusstsein für den Sinn und den allgemeinen Nutzen solcher
Verfahren, wobei er gegebenenfalls persönliche situative Nachteile hinnimmt.
Ähnliche Wirkungen wie soziale Fairnessnormen können
auch verbreitete Gewohnheiten, etwa Unternehmensstile regelgebundener
Konkurrenz oder regelachtende Lebensstile, sowie Reflexionsmuster ausüben, die
darauf hinauslaufen, Fairnessanforderungen gedanklich zu fundieren und
Vermachtung argumentativ abzulehnen. Solche informellen Norm- und
Lebensstilmuster verringern die Gefahr von willkürlichem Regelbruch und
Vermachtung, da sie sozialen Druck gegen Vermachtungsversuche
ausüben. Dieses wiederum schafft oder vergrößert Vertrauen in allgemeine
Verfahren sowie Vertrauen von Verfahrensteilnehmern untereinander, ein
typisches Charakteristikum sozialer Kapazität (Putnam 1993; Fukujama
1999).
4.2 Realisierungschancen und Realisierungswege
Dass sich die skizzierten Alternativelemente zu
Vermachtung und Korruption nicht ohne weiteres realisieren lassen, ergibt sich
bereits aus dem Gegenstichwort der Vermachtung: Akteursnetze, die Regelprozesse
infiltrieren und in ihrem Interesse dominieren, wissen sich auch mit großer
Durchsetzungskraft gegen Anstrengungen zu wehren, die auf netzwerkbedrohliche
strukturelle Veränderungen gerichtet sind. Vor allem aber haben sich Formen von
Netzwerkherrschaft, so die vernetzte Macht der Parteien im Parteienstaat, in
vielen Ländern derart umfassend und tief verankert, dass ihre schädlichen
Folgen fatalistisch hingenommen oder überhaupt nicht mehr als solche
identifiziert werden. So wird die Vergabe staatlicher Ämter, ja selbst
außerstaatlicher Stellen nach Parteizugehörigkeit in Deutschland nicht mehr als
prekär betrachtet, obwohl eine Parteizugehörigkeit von Staatsbeamten nach den
im Grundgesetz festgeschriebenen Grundsätzen des Berufsbeamtentums nicht legitim
erscheint und dementsprechend auch kein institutioneller Mechanismus zum
Parteienausgleich im öffentlichen Dienst, etwa durch Wahlen, vorgesehen ist.
Hinzu kommen objektive Probleme, Alternativen zur Netzwerkherrschaft zu
realisieren. So setzt die Konstruktion allgemeiner Leistungskriterien die
Fähigkeit aller Beteiligten voraus, sich auf gemeinsam akzeptierte
Qualitätsziele und daraus abgeleitete Operationalisierungen
zu einigen, eine Anforderung, die im Zeichen von Vereinzelung und
netzwerkbeherrschter Vermachtung nur schwer erfüllt werden kann.
Angesichts dessen Alternativen zur Netzwerkherrschaft
generell als unrealisierbar zu betrachten, erscheint aber aus mehreren Gründen
vorschnell:
·
Die skizzierten
strukturellen Wirkungen informeller Netzwerkherrschaft, mangelnde Motivation zu
regelgebundener Leistung, Mobilitäts- und Innovationsblockaden und
Politikverdrossenheit, bilden einen dauerhaften Fonds von Unzufriedenheit, aus
dem jederzeit eine gegenläufige Bewegung entstehen kann,
·
Trotz aller
Universalisierung archaischer Netzwerkmuster bilden institutionelle
Errungenschaften der modernen Gesellschaft, insbesondere die Ausbildung
autonomer Verfahren, einen strukturellen Orientierungspunkt für soziale und
politisch-rechtliche Alternativen zu einer durchgehenden Vermachtung.
·
Insbesondere der
Verfahrenstypus der allgemeinen, gleichen, freien Wahlen eröffnet Möglichkeiten
für Innovationsanstöße gegen Vermachtungsstrukturen.
So konnten in der Bundesrepublik Deutschland verschiedentlich im Vorfeld von
Wahlen institutionelle Reformen in Richtung direkter Demokratie auf Länder- und
Gemeindeebene angestoßen werden (Arnim 2000: 258-267).
·
Krasse Vermachtungs- und Korruptionsformen führen immer wieder zu
akuten Leistungskrisen. Werden diese öffentlich skandaliert,
so kann dies kritische Wahrnehmungsprozesse von Netzwerkstrukturen in Gang
setzen.
Entscheidende
Hürde für die Problemperzeption der dunklen Netzwerkseite bildet allerdings die
Entstehung eines instruktiven Gesamtbildes der Problematik. Einzelne, ab und an
auftauchende Skandalfälle informeller Netzwerkherrschaft reichen als Grundlage
hierfür nicht aus. Der für Skandale typische ausschließliche Bezug auf den jeweiligen Einzelfall kann das
Nachdenken über Netzwerkstrukturen und Folgeschäden sogar behindern.
Zusammenhängende Muster von Problem- und Kapazitätswahrnehmung müssen vielmehr
auch als solche entwickelt und verdeutlicht werden. Im Zuge sind dabei die
Sozialwissenschaften, insbesondere die Politikwissenschaft. Nur wenn hier ein
grundlegender Paradigmenwechsel von der Perspektive der informellen Vernetzung
zur Perspektive machtzügelnder Verfahrensysteme
zustande kommt, wird ein verfahrensorientierter Reformprozess eine analytische
Basis erhalten können.
Im Mittelpunkt eine solchen Paradigmenwechsels sollte die Rezeption von Verfahrenswerten stehen: Gegenüber relativ einfach strukturierten institutionellen Mustern wie Solidarität, staatlicher Hierarchie und Netzwerken, die zumindest in Kontinentaleuropa als fest verankert gelten können, ist das weit komplexere institutionelle Muster des Verfahrens bisher in deutlich geringerem Maße ethisch fundiert und soziopolitisch verankert: Insbesondere offener Wettbewerb und Markt, verschiedentlich aber auch Öffentlichkeit und Wahlverfahren, gelten immer noch verbreitet als unsozial, das heißt unsolidarisch, wohlstandsfeindlich, ja verschiedentlich sogar als irrational. Angesichts dessen erscheint eine politisch-ethische Diskussion von Verfahrensinstitutionen und Verfahrenswerten überfällig zu sein: Erst in dem Maße, indem offene Verfahren, so Wettbewerb, Öffentlichkeit und allgemeine Wahlen, zu einem reflektierten und emotional breit verankerten öffentlichen Gut werden, kann die unendlich erscheinende Geschichte der Macht informaler Netzwerke eine Lösung finden. Die wissenschaftliche Politikanalyse könnte und sollte durch kritische Netzwerkanalyse ihren Teil zum Durchbruch von Verfahrensinstitutionen und Verfahrenswerten beitragen.
Autor:
Prof. Dr. Volker von Prittwitz
Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft/Freie Universität Berlin
Homepage: www.volkervonprittwitz.de
Literatur
Alemann,
Ulrich von/Kleinfeld, Ralf (1992): Begriff und Bedeutung der politischen
Korruption aus politikwissenschaftlicher Sicht, in: Arthur Benz/Wolfgang Seibel
(Hrsg.), S. 259-282.
Arnim,
Hans Herbert von (1993): Staat ohne Diener. Was schert die Politiker das Wohl
des Volkes?, München.
Arnim,
Hans Herbert von (1997): Fetter Bauch regiert nicht gern. Die politische Klasse
– selbstbezogen und abgehoben, München.
Arnim,
Hans Herbert von (2000): Vom schönen Schein der Demokratie. Politik ohne
Verantwortung - am Volk vorbei, München.
Arnim
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[1] Die verbreitete Differenzierung zwischen biologisch-neuronalen, elektronischen und sozialen Netzwerken (siehe zum Beispiel Online Katalog der Freien Universität Berlin/http://opac. fu-berlin.de, Stichwort Netzwerke) wird hiermit durch die Beschränkung auf soziale Netzwerke aufgegriffen. Dies heißt allerdings nicht, soziale Netzwerke ließen sich durchweg klar von elektronischen Netzwerken unterscheiden. Denn auch diese werden ja im sozialen Raum betrieben. Und selbst für die Analyse biologischer Netzwerke können Aussagen nach einem sozialen Netzwerkmodell anregend sein.
[2] Unter Idealtypus wird hierbei im Anschluss an den Weberschen Begriff eine die Forschung anregende Strukturvorstellung (Idee) verstanden, die durch einseitige Steigerung eines oder einiger Gesichtspunkte und durch Zusammenschluss von Einzelfeststellungen gebildet worden ist (Weber 1904/1995: 70ff)
[3] Akteursinteressen können in vielen Kontexten, beispielsweise dem Gesundheits-oder Umweltbereich, auch als Helferinteressen analysiert werden. Dabei geht es dem jeweiligen Helfer darum, seine Position als Helfer zu erhalten und auzubauen (Prittwitz 1990: 116/117, 1994: 28).
[4] Einen Literaturüberblick gibt Morlok 1999 mit den Schwerpunkten der Neuen Politischen Ökonomie und der Staatsrechtslehre
[5] Wie von Alemann/Kleinfeld (1992) im Überblick darstellen, wird der Begriff der Korruption ubiquitär und recht diffus verwendet. Liebl (1992) listet phänomenologisch eine Reihe von Unterformen auf, so die Gewinnmaximierungskorruption (Überhöhte Rechnungsstellung, Ausschaltung der Kontrolleure durch Korruption), Verdrängungskorruption (Ausschaltung konkurrierender Mitbewerber), die Finanzierungskorruption (Verwaltungskorruption bezüglich öffentlich-rechtlicher Kreditinstitute), die Auflagenkorruption (Umgehung von Umweltauflagen), die Grenzkontrollkorruption (Ausschaltung staatlicher Überwachung im grenzüberschreitenden Verkehr), die Leistungskorruption (Wie Verdrängungskorruption, aber ohne höheren Preis), die Genehmigungskorruption (Kauf von Genehmigungen außerhalb des Bau- und Umweltbereichs) und die Aufenthaltskorruption (Erlangen von Aufenthaltserlaubnissen und ähnlichem).
[6] Demzufolge zeigt die Tatsache, dass klientelistische Strukturen auch in modern geltenden Gesellschaften ihren festen Platz haben, nicht an, dass solche Strukturen per se auch modernen Charakter hätten und funktional im Sinne einer sozialen Leistungsgesellschaft wären, wie dies in Teilen der Diskussion über Klientilismus angenommen wird (siehe zum Beispiel Roniger 1994).
[7] Martin Jänicke (1986) sieht als Kernakteure solcher Netzwerke die jeweils sektorspezifische Industrie und die staatliche Bürokratie, die öffentliches Handeln in diesen Sektoren zu initiieren und zu verwalten hat. Folgerichtig verwendet er auch die Bezeichnung bürokratisch-industrielle Komplexe. Beteiligt sind allerdings oft auch Politiker, Experten, Journalisten und andere Akteursgruppen, so Produzenten- und Konsumentengruppen jeweiliger Sektoren, die Netzwerkaktivitäten öffentlich und/oder finanziell unterstützen, so dass die Bezeichnung sektorale Netzwerke angemessener erscheint.
[8] Siehe zum Gesundheitsbereich http://www.medical-tribune.de/070politik/bka.html,(08.06.2001), zum Baubereich http://www.payer.de/kommkulturen/kultur084.htm (08.06.2001).
[9] Beispielsweise ist argentinisches Rindfleisch bei seiner Einfuhr in die EU grundsätzlich mit 12,8% seines Einfuhrwertes und einem nach Fleischklassen variierenden Zuschlag zu verzollen. Dieser beträgt bis zu 304,1 Euro pro 100 Kilogramm. Siehe dazu http://europa.eu.int/comm/taxation-customs/ (13.06.2001).
[10] Siehe http://www.europa.eu.int/pol/agr/index_de.htm (10.05.201) Die Politikbereiche der Europäischen Union - Agrarpolitik.
[11] Die Bovine spongiforme Enzephalopathie (BSE) ist erstmals 1985 in Großbritannien beobachtet worden [85,86]. In der Folge hat man in wesentlich geringerer Zahl auch Fälle in weiteren europäischen Ländern registriert. Die Übertragbarkeit ist 1988 erstmals nachgewiesen worden [29]. Die wahrscheinlichste Ursache für das Auftreten von BSE ist eine in den Jahren 1981 und 1982 beginnende Fütterung der Kühe mit von Wiederkäuern stammenden Proteinen, kombiniert mit einer Umstellung der Herstellungsverfahren für Tierkörpermehl [84,86,87,88]. Das BSE-Agens hat im Unterschied zum Scrapie-Agens Stammcharakteristika, die seit den ersten Fällen konstant geblieben sind [12,30,80,91]. Rinder aller Rassen können nach einer Inkubationszeit von 18 Monaten bis mehreren Jahren [90] ab einem Alter von 22 Monaten an BSE erkranken [89]. Die häufigsten Anfangssymptome treten unabhängig vom Laktationsstadium auf; sie sind unspezifisch und umfassen Konditions- und Gewichtsverlust, verminderte Milchleistung, Verhaltens- und Bewegungsstörungen. Bis dahin unauffällige Tiere fangen plötzlich an, heftig zu schlagen, weigern sich, den Melkstand zu betreten oder durch Türöffnungen zu gehen, sondern sich auf der Weide von der Herde ab, sind ängstlich und zeigen Hyperästhesie oder Muskelzittern. Die ersten Bewegungsstörungen äußern sich oft in Form einer leichten Nachhandataxie oder in darauf zurückzuführender Mühe beim Aufstehen und sogar in Festliegen. Nach einem progressiven Krankheitsverlauf von 40 bis 60 Tagen verenden die Tiere oder müssen getötet werden [18,46,85,86,89] (Schicker 1998).
[12] Chronik der BSE-Krise, http://userpage.fu-berlin.de/~dittbern/BSE.html (15.05.2001).
[13] Chronik der BSE-Krise, http://userpage.fu-berlin.de/~dittbern/BSE.html (15.05.2001).
[14] Dressel 2000, S. 9-13.
[15] Der Spiegel Nr. 3/15.01.2001, S.28, Frankfurter Allgemeine Zeitung 02.12.2001, S.41-43
[16] Siehe http://www.bseinfopage.de/News/Archiv/kw2001-06.htm (11.06.2001).
[17] Bereits die Vorläufer der heutigen Universitäten, kirchlich geprägte Klosterschulen, vertraten Autonomieansprüche gegenüber weltlichen Instanzen. Mit dem Aufstieg des Absolutismus gerieten diese Schulen zunehmend unter den Einfluss staatlicher Instanzen. So lag in den deutschen Ländern die Besetzungshoheit der Hochschullehrer in den Händen jeweiliger Landesfürsten, woraus sich ab dem 17. Jahrhundert eine Art Wettbewerb um die Gründung von Landes-Universitäten sowie eine klare Ausrichtung der Hochschullehre an den unmittelbaren Erfordernissen von Staat (Verwaltung, Militär, Justiz) und Ökonomie entwickelte. Trotz der Erneuerungsbewegung der Universitäten im Humboldt´schen Geist seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts, die die Bedeutung von übergreifendem Wissen und Forschung sowie die Wissenschaftsfreiheit proklamierte, bewegt sich die Universität in Europa bis heute im Spannungsfeld zwischen Selbstorganisation und Staat (Dorf 2000).
[18] Neben den offiziellen Verbands-Positionen in diesem Sinne werden in der vom Verband herausgegebenen Monatszeitschrift Forschung & Lehre allerdings auch kontroverse Stellungnahmen von Mitgliedern abgedruckt.
[19] Angesichts dessen erscheint ein systematischer Zusammenhang zwischen der von Paul Kuhn festgestellten Festigkeit wissenschaflticher Paradigmen (Kuhn 1954) und der im akademischen Sektor herrschenden Netzwerkherrschaft als naheliegend.
[20] Zur empirischen Fundierung dieser analytisch gewonnen Aussage fehlen bisher übergreifende systematische Untersuchungen. In einer solchen Untersuchung könnte unter anderem folgenden individuellen Feststellungen nachgegangen werden: 1. Einzelnen akademischen Disziplinen mit Politikbezug werden unter Wissenschaftlern und in der Öffentlichkeit klare parteipolitische Profile zugeschrieben. Die jahrzehntelange Reproduktion solcher Profile dürften sich ohne die Wirkung parteipolitischer Seilschaften nicht vollständig erklären lassen. 2. Die wissenschaftliche Leistungsresponsivität von Habilitationen scheint in der deutschen Politikwissenschaft (Beispiel Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin) gegenüber anderen Kriterien, so parteipolitischen Netzwerkzusammenhängen, an Bedeutung zu verlieren. 3. Besetzungsprozesse jeder Art werden bis heute in der deutschen Politikwissenschaft intransparent durchgeführt. Auch ein transparenter Markt für befristete Stellen, so Vertretungsprofessuren, fehlt bisher vollkommen. 4. Hochschullehrer, die zeitweise eine leitende Funktion in der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft einnahmen, erreichten danach in einigen Fällen unabhängig von ihrer formellen und informellen Qualifikation vor der Übernahme der Verbandsfunktion rasch Spitzenprofessuren. 5. Während es in den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg lediglich üblich war, mächtige Spitzenpolitiker mit dem Doktortitel ehrenhalber (honoris causa) zu beglücken, breitet sich inzwischen der Gebrauch des Professorentitels unter Leitern und Abteilungsleitern von Behörden und Spitzenverbänden aus.
[21] Während parteienstaatliche Strukturen in bestimmten EU-Ländern, so Belgien, Österreich und Deutschland in massiver Weise und in anderen Ländern in recht starkem Maße bestehen, so in Schweden, Dänemark, Griechenland und Italien, zeigen andere EU-Länder, so Finnland, Frankreich, Großbritannien, die Niederlande oder Spanien, eine deutlich geringere staatliche Parteiendominanz (Ismayr (Hrsg.) 1999).
[22] Dabei ergeben sich auffallende Parallelen zwischen der höfisch-feudalen Gesellschaft früherer Jahrhunderte und der heutigen Gesellschaft sektorieller Funktionsnetzwerke und sektorübergreifender Parteien-Netzwerke. Waren es in der höfischen Gesellschaft die am Königshof Partiziperenden, Kirche, Klein-, vor allem aber Hochadel, die über ökonomische und politische Ressourcen als Privileg verfügten, so bilden nun die Angehörigen der politischen Klasse, zusammen mit den Spitzen bürokratisch-funktionaler Netzwerke, eine privilegierte Machtelite.
[23] Siehe in diesem Sinne Beyme 1993; implizit Schuett-Wetschky 2001, zum Literaturüberblick Rebenstorf 1995.
[24] Siehe hierzu beispielhaft das Verhalten Berliner Spitzenpolitiker im Rahmen parteienstaatlicher Vernetzung von Politik, Wirtschaft und Finanzsektor, das im Sommer 2001 zu einer akuten Finanzkrise der Stadt führte.
[25] Zur Analyse dieses Fragenkomplexes erscheint das Konzept der Netzwerksteuerung als wenig hilfreich. In der unter dieser Bezeichnung geführten Diskussion (Sydow/Windeler (Hrsg.) 2000) geht es nämlich um die Selbststeuerung von Netzwerken im Sinne ihres optimalen Funktionierens, während Netzwerke in kritischer Sicht als prekäre Komplexe behandelt werden, deren Funktionieren im Sinne ihrer Eigenlogik gerade beschränkt oder verhindert werden soll. Mächtige Netzwerke zeichnen sich zudem gerade durch ihre Fähigkeit aus, Steuerungsimpulse zu ihrem eigenen Vorteil zu kehren, wozu Korruption ein gängiges Mittel darstellt.
[26] Eine sinngemäße Zusammenfassung des Luhmann´schen Verfahrensbegriffs (Luhman 1969/1993).Technische Verfahren, bei denen auf bestimmte Art und Weise mit Natur oder Artefakten umgegangen wird, bleiben hier außer Betracht. Dies auch entsprechend der Beschränkung der Diskussion auf soziale und politische Netzwerke.
[27] Auch Verhandlungsprozesse können Verfahrenszüge aufweisen, so geregelte Kommunikationsformen und Formen der Teilnehmerbindung (Prittwitz 1996: 48 ff). Da hierbei die Prozessregeln aber nicht zwingend vorgegeben sind, sondern von den Beteiligten selbst ausgehandelt werden, entsteht die Gefahr eines Kurzschlusses zwischen dem Handel von Verhandlungsregeln und dem eigentlichen substantiellen Handel, die von Scharpf (1992) als Verhandlungsdilemma bezeichnet wird. In keinem Fall stellen Verhandlungen allgemeine Verfahren dar, da an ihnen lediglich Akteure mit Verhandlungsmacht beteiligt sind, nicht aber die Allgemeinheit.
[28] Hinzu kommen weitere typische Eigenschaften des Institutionentypus Spiel, die die Motivation und Bindung der Beteiligten erhöhen, so relative Einfachheit und Klarheit der Spielregeln, die Garantie gleicher Ausgangsbedingungen und gleicher Erfolgschancen sowie die Bildung und Sicherung einer eigenständigen, in sich geschlossenen Spielwelt (Spezieller zum Idealtypus Spiel im Anschluss an den Spieltheoretiker Johann Huizinga siehe Prittwitz 1994: 96-98, zum allgemeinen Konzept der Teilnehmerbindung Prittwitz 1996).
[29] Die Bedeutung von Verfahren wächst damit insbesondere in Phasen, in denen Vergesellschaftungsschübe entstehen, die gewachsene Gemeinschaftsgrenzen durchbrechen. Der gegenwärtige Globalisierungsschub inklusive massiv ansteigender globaler Migrationsströme lässt sich in diesem Sinne mit wachsenden Anforderungen der Verfahrensbildung und Verfahrensdurchsetzung assoziieren.
[30] Zur Bedeutung institutioneller Symbolik in der repräsentativ-parlamentarischen Demokratie siehe Göhler 1997, zur Diskussion symbolischer Politik als offen konnotiertes Analysekonzept Prittwitz 2000.
[31] Kleinste bewertete Leistungseinheit ist dabei , ob ein Spieler den Tennisball, wenn er am Schlag ist, innerhalb des abgegrenzten Spielfeldes plaziert oder nicht. Verfehlt er das Spielfeld oder schlägt er den Ball ins Netz, so zählt dies als eine Wertung für den jeweiligen Gegner. Aus der Aggregation solcher Bewertungen ergibt sich die Wertung nach Spielgewinnen, Satzgewinnen und Matchgewinn.
[32] Siehe Hesselberger 1995, 169 ff; Oberreuter 1996, 215 ff; kritisch Blank/Fangmann/Hammer 1996, 147 f.
[33] In der Diskussion werden allerdings legale und legitime Kartelle von nichtlegalen Kartellen abgegrenzt. Siehe dazu Dönnebrink 1995 oder die kontroverse Diskussion um strategische Allianzen (Götz 1996).
[34] Im Bewusstsein für diesen Zusammenhang veröffentlicht die Organisation Transparency International seit 1995 jährlich einen Corruption Perceptions Index; siehe www.dse.de/zeitschrift/ez1199-3.htm, Nr. 11 vom November 1999 (01.07.2001).
[35] So schreibt Andreas Zielcke am 7. Februar 2000 in der Süddeutschen Zeitung zur Kritik des deutschen Bundestages bei der Aufarbeitung der Spendenaffaire (Titel: Die Stummen des Volkes): Sagt man von Dunkelmännern, sie scheuen das Licht, so ist es hier umgekehrt: Die Schwarzgeldjongleure suchen das Licht der Öffentlichkeit und scheuen den parlamentarischen Binnenraum ihrer Verantwortung...Im Parlament sprechen die Abgeordneten für ihre Wähler, in den Medien sprechen sie zu ihren Wählern...Dazwischen liegen demokratische Welten; es ist der Unterschied zwischen Repräsentation und Person. Spricht man nicht für, sondern zu seinem Publikum, kann es folgerichtig um so persönliche Dinge gehen wie ein Ehrenwort - im Bundestag wäre die Perversion dieser privaten Ausflucht offensichtlich.
[36] Die insbesondere von Hans Herbert von Arnim (1993, 1997, 2000) immer wieder vorgeschlagenen Option einer die Personalauswahl einschließenden Wahlkompetenz des Volkes auch auf Länder- und Bundesebene würde das deutsche Regierungssystem nicht nur weiter demokratisieren, sondern auch international, etwa in der Europäischen Union leichter harmoniserbar machen. Im internationalen Institutionenvergleich wird nämlich das in Deutschland geltende Wahlrecht unter dem Gesichtspunkt der Listenform zwar üblicherweise als Mischform verortet (Nohlen 2000: 93-95). Die bisher auf Bundesebene geltende Regelung einer starren, ausschließlich von den Parteien bestimmten Wahlliste stellt aber gerade im europäischen Rahmen eine klar minoritäre Regelung dar (Ismayer 1999).