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Der Stadt Wörgl, der Familie des Bürgermeisters Michael Unterguggenberger, allen künftigen Bürgermeistern oder Bürgermeisterinnen und allen Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Wörgl, die sich für das Gemeinwohl verantwortlich zeigen
gewidmet vom II. Kongreß der Internationalen Freiwirtschaftlichen Union in Wörgl, Pfingsten 1951


Der Freigeldversuch in Wörgl, 1932/33

Was ist Freigeld? - Freigeld ist ein Bargeld, das nie ohne Risiko oder Schaden gehamstert, thesauriert werden kann und stets in einer Menge in Umlauf erhalten wird, die dem Warenangebot entspricht, so daß seine Kaufkraft fest bleiben muß.

Im Gegensatz zum heutigen Geld, dem Dauergeld, kann es also nie von Privaten ohne Risiko oder Schaden dem Umlauf entzogen und später nach Belieben wieder in den Umlauf zurückgegeben werden. Da dies mit dem heutigen, dem Dauergeld, immer möglich ist, so ist es heute praktisch ausgeschlossen, «den Geldumlauf zu regeln», wenigstens nie für längere Zeit, wie das den Notenbanken in den Gesetzen vorgeschrieben wird - in der Schweiz sogar auch noch in der Verfassung - da diese privaten Hamstertaschen im währungspolitischen Hinterland wie private Geldausgabestellen, wie Emissionsbanken wirken. Mit dem nicht hamsterbaren Freigeld dagegen kann der Notenumlauf geregelt und die Anpassung des Geldumlaufes an das Warenangebot so genau bemessen werden, daß der Warenpreisstand, und damit die Kaufkraft des Geldes, vollständig fest bleibt. Das ist dann wirklich eine Währung! Eine solche Währung hatte die Schweiz das ganze Jahr 1928 und noch je ein Vierteljahr des Jahres vor - und des Jahres nachher - zusammen also anderthalb Jahre.

Mit dem heutigen Gelde dagegen kann der Geldumlauf oft nur dadurch aufrechterhalten werden, daß man große Mengen Bargeld neu in Umlauf gibt. Später fließen diese nie ganz zurück, sondern sie bleiben zum Teil im Umlauf. Daher entstand seit 1914 die fast andauernde Geldentwertung. So hatte der Dollar 1950 nur noch ungefähr 40 Prozent seiner Kaufkraft vom Jahre 1914.

Freigeld, also Geld, das nicht hamsterbar ist und eine feste Kaufkraft hat, ist trotz der letztgenannten Eigenschaft kein Hamstergut, sondern ein reines Tauschmittel. So erfüllt es endlich die Anforderung, die schon Aristoteles (384 - 322 vor Chr.) mit Recht an ein gutes Geld gestellt hat: daß es stets und ohne Unterbruch weiter gegeben werde, da seine Aufgabe der Umlauf sei.

Die Kirche hat schon im frühen Mittelalter, wie man aus einer Verordnung aus dem Jahre 1301 weiß (siehe Glossarium der mittelalterlichen Sprache von Du Cange, Artikel «pecunia»), das Geld dieser Aufgabe zuzuführen versucht, indem sie die Exkommunikation, die schwerste aller Kirchenstrafen über die Geldhamsterer verhängte. «Excommunicamus ... omnes illos, qui jacentem seu dormientem pecuniam penes se habent»: «Wir schließen alle jene aus der Kirche aus, die das Geld untätig oder schlafend bei sich liegen haben.»

Im 12. Jahrhundert hat Erzbischof Wichmann von Magdeburg mit der Verrufung des Geldes begonnen und sie in Abständen von wenigen Jahren immer neu wiederholen lassen. Dabei behielt er jeweilen 25 Prozent des zum Umtausch vorgelegten Geldes zurück - als Schlagschatz, wie man das nannte, also als Entschädigung für das Neuprägen («Schlagen») der Münzen. Ob das als eine Steuermaßnahme, ob es als Belebung des Geldumlaufes und ein Mittel gegen das Geldhamstern gedacht war, ist heute wohl kaum mehr zuverlässig festzustellen. (Siehe darüber ausführlich in «Vorwärts zur festen Kaufkraft des Geldes und zur zinsbefreiten Wirtschaft», Abschnitt: «Die Brakteaten, das Freigeld des Mittelalters», von Fritz Schwarz, Bern, 1931.) Jedenfalls aber haben diese Geldverrufungen damals Wunder gewirkt- «ein wahrer Völkerfrühling brach an», schreibt Damaschke, und R. H. France bezeichnet die damit erreichte Kultur besonders in den Kleinstädten als einen Gipfelpunkt der kulturellen Entwicklung Europas; es war die Zeit der Frühgotik.

Diese Verrufungen wurden später ins Maßlose übertrieben. Durch den Münzwirrwarr verärgert, verlangte das Volk allenthalben den «ewigen Pfennig». Nur wenige Einsichtige merkten, was damit angestellt würde. Das Dauergeld, der «ewige Pfennig» wurde tatsächlich sofort wieder zum Preisdrücken, zum Lohndrücken und zum Zinserpressen mißbraucht. Martin Luther, der diese Entwicklung in der Schlußphase noch erlebte, schrieb 1543, daß, wenn das mit dem Zinserpressen noch hundert Jahre so weiterginge, sich die Deutschen noch «gegenseitig auffressen würden». Hundert Jahre später stand Deutschland tatsächlich mitten im Dreißigjährigen Kriege.

Friedrich Engels führt in seiner Schrift aus dem Jahre 1878 «Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft» (Moskau 1946, S. 371 u. f.), den Ursprung des Zinses ebenfalls auf das heute gebrauchte Dauergeld zurück. Er widerlegte damit Karl Marx, seinen Freund und Mitarbeiter soweit dieser nicht zufällig, wie das in seinen widerspruchsvollen Schriften mehrmals der Fall ist, den Zins ebenfalls als eine Folge des Geldes und des Geldsystems von heute darstellt. Dies tat er, im Gegensatz zu seiner sonst von ihm vertretenen Arbeitswerttheorie, die seine Schüler heute noch durch den Verstaatlichungssozialismus und den Kommunismus zu verwirklichen suchen, trotzdem sie diese Theorie selbst nicht kennen und ihr immer neu widersprechen.

Das Freigeld kann nicht streiken, wenn einmal jene «untere Grenze erreicht ist, bei deren Nichtbeachtung sich der Sparer am Anleihegeschäft desinteressiert», wie Dr. W. Egger am 7. 10 1932 im «Bund» (Bern) schrieb. Diese Grenze, um drei Prozent herum, wird unterschritten, wenn Freigeld angewendet wird, wir erobern uns so «die Welt unter drei Prozent». Das will besagen, daß wir dem Anlagekapital nicht mehr drei Prozent zu versprechen brauchen, wenn eine Arbeit finanziert werden muß, sondern daß das Geld auch darunter zu bekommen ist - je nach dem Kapitalreichtum eines Landes. Die Arbeiten brauchen also nicht mehr «rentabel», d. h. zinstragend zu sein, sondern nur noch «lohnend», d. h. sie müssen dem Unternehmer und dem Arbeiter ihren Arbeitsertrag sichern. Was das bedeutet, das kann man sich gar nicht so leicht vorstellen. Es bedeutet vor allem, daß sich das Einkommen aller Arbeitenden in Ländern, die heute noch einen Zinsfuß von fünf oder mehr Prozent haben, verdoppeln werden, wenn der Zinsfuß durch neues Kapital auf null Prozent herunterkonkurrenziert wird. Der Wohlstand wird überall eine ebenso verbreitete Erscheinung werden, wie es bei den heute infolge der Zinslasten um die Hälfte oder um einen Viertel verminderten Löhne der stete Geldmangel aller Arbeitenden ist. Ein Paradies wird es auf Erden deswegen nicht geben. Aber man stelle sich einmal vor, daß die Arbeitslosigkeit für immer verschwindet, daß Vollbeschäftigung herrscht, daß sich die Arbeitseinkommen verdoppeln - bei gleichbleibenden Preisen! - wie sie es heute in den meisten Staaten sind - dann bekommt man ungefähr einen Begriff davon, was das Freigeld mit dem Sinken des Zinsfußes bringen wird. Die Reichen würden ihren Reichtum gesichert behalten; sie müßten sich aber auf Arbeit umstellen, soweit sie das noch nicht getan haben. Denn sie könnten nicht mehr aus ihren Zinseinkommen leben, d. h. auf Kosten anderer, sondern nur noch aus dem Ertrag ihrer eigenen Arbeit. Das würde ihre Stellung in der heutigen Welt gewaltig verbessern, denn, sagt Gottfried Keller: «Nur der Gewinn aus Arbeit ist völlig vorwurfsfrei und dem Gewissen entsprechend.» Mit Recht schrieb der bekannte Berner Staatsrechtslehrer Karl Hilty schon 1887: «Nicht das Kapital ist der Feind des Armen ... Der Feind ist die Gesinnung des Kapitalisierens, die Lebensanschauung einer großen Klasse, welche darin die wirkliche Lebensaufgabe erblickt, zuerst für sich, dann für ihre Kinder, zuletzt für ihre Enkel, am Ende gar für eine Familie im weitesten Sinne auf ewige Zeiten hinaus rücksichtslos Vorräte aufzuspeichern. Bei dieser notwendigerweise nimmersatten Gesinnung kann der eine Teil des Volkes nicht bestehen, indem diese Klasse die vorhandenen Güter für kommende Generationen in Beschlag nimmt, die doch naturgemäß in erster Linie für den Unterhalt der gegenwärtigen bestimmt sind. Hier liegt der Fehler der sogenannten oberen Klasse, daß sie diese hartmachende Gesinnung, die auch durchaus nicht mit ihren religiösen Ansichten harmoniert, festhält und sich nicht freiwillig mit einem mäßigen Wohlergehen begnügen will. Damit würde der Sozialismus bald von selbst aufhören.» Hilty hat völlig recht: der Sozialismus würde aufhören müssen, da mit der Beseitigung des arbeitslosen Einkommens, d. h. mit dem Aufhören der Zins und Grundrentenansprüche die kapitalistische Ausbeutung beseitigt wäre, weil diese «kapitalistische Ausbeutung» ja auch nach Marx letzten Endes aus Zinsen, Grundrente und Währungsschwankungsgewinnen besteht.

Aber um das zu erreichen, muß man den Streik des Geldes brechen! Diesem Zwecke dient das Freigeld unfreiwilligerweise! Indem es ständig umläuft und in einer Menge zirkuliert, die den Preisstand, die feste Kaufkraft vor Inflationen wie vor Deflationen sichert, werden alle Ersparnisse, es wird der Wohlstand, ja der Reichtum gesichert; der allgemeine Wohlstand wächst, und indem dieser steigt, drückt er auf den Zinsfuß und verunmöglicht sich selbst mit seiner steten Zunahme das Erheben eines hohen Zinsfußes. So sinkt der Zinsfuß, zum mindesten in sicheren Anlagen, bis auf Null - in den andern bis auf eine Risikoprämie von kaum einem Prozent.

Die Frage der Regelung des Geldumlaufes fällt damit zusammen mit der Frage


Auszug aus: Fritz Schwarz: Das Experiment von Wörgl
Dieser Text wurde ins Netz gebracht von: W. Roehrig. Weiterverbreitung ausdrücklich erwünscht.
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