Wie nutze ich das Internet heute - wie nutze ich es in 10 Jahren?
Anfangs diente mir das Internet, wie vielen anderen sicherlich auch, in erster Linie zum e-mailen und zum Zeitvertreib in irgendwelchen ominösen Chat- und Newsrooms. Mittlerweile ist es wesentlicher Bestandteil meiner Alltagsroutine im Studium, beim Job und in der Freizeit.
Meine ersten Erfahrungen mit dem Internet sammelte ich während
meines Auslandsstudiums in den USA. Als der Professor die erste Sitzung
mit dem Hinweis beendete, daß er uns Literaturlisten und die schriftliche
Aufgabe für den darauffolgenden Tag per E-mail zukommen lassen würde
und daß wir unsere Beiträge doch bitte im Netz verfügbar
machen sollten, lief es mir erst kalt den Rücken herunter. Studieren
in den USA war ohne Internet kaum noch denkbar; nicht nur bei der Zimmer-
und Jobsuche war das Internet unerläßlich, sondern auch das
Anfertigen von Hausarbeiten wurde durch das Recherchieren von Online-Bibliothekskatalogen
und -Zeitungsarchiven wesentlich erleichtert. Literatur konnte man bei
den Universitätsbibliotheken übers Netz bestellen, so daß
man sich den Weg in die Magazine ersparte; sogar seine Noten konnte man
nur noch online per Passwort abrufen, und die Scheine mußte man ebenso
übers Netz beantragen.
Darüberhinaus diente mir das Internet im Ausland natürlich auch
dazu, mich zeit- und kostensparend über das aktuelle politische Geschehen
in Deutschland zu informieren und den Kontakt zu Familie und Freunden zu
pflegen. Die Tatsache, daß der Zugang zum Internet im großen
und ganzen für Studenten in den USA kostenlos ist (Telefongebühren
fallen auch nicht an, da Ortsgespräche gebührenfrei sind) hat
nicht unwesentlich zu meiner intensiven Nutzung des Netzes beigetragen.
Ich habe das amerikanische Modell hier angebracht, weil das deutsche Bildungswesen sich hinsichtlich des Einsatzes von neuen Medien daran orientieren muß, um wettbewerbsfähig zu bleiben, so daß voraussichtlich in einigen Jahren (auch wenn ich dann hoffentlich nicht mehr studiere) dieser Standard erreicht wird. Bemerkenswert ist auch, daß in den USA die Nutzung des Internets sich nicht so stark wie in Deutschland auf eine gewisse soziale Schicht, Bildungs- oder Altersgruppe beschränkt, da das Netz im Laufe seines 10-jährigen Bestehens zu einem essentiellen Bestandteil der modernen Informationsgesellschaft in Amerika geworden ist.
Gezwungenermaßen hat sich mein Nutzungsverhalten nach meiner Rückkehr verändert, da viele Online-Dienstleistungen hier einfach noch nicht im gleichen Maße angeboten werden. Darüberhinaus wirken die hohen Telefonrechnungen auch abschreckend. Heute dient mir das Internet natürlich immer noch zum mailen, zur schnellen Informationsbeschaffung und zur wissenschaftlichen Recherche. Im Rahmen meines Nebenjobs als Übersetzerin, mache ich täglich Gebrauch von den verschiedenen Online-Wörterbüchern und -Enzyklopädien. Bestellungen übers Internet tätige ich nur, wenn die jeweiligen Produkte nicht oder preiswerter als im Handel erhältlich sind, wobei ich immer noch beim Angeben meiner Kreditkartennummer zögere. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß ich das Internet hauptsächlich als Kosument nutze, um Zeit und Geld zu sparen.
In zehn Jahren wird das Internet auch in Deutschland ein fundamentaler
Bestandteil fast jeder Handlung sein. Jedoch in den meisten Fällen,
in denen wir das Netz benutzen, werden wir uns dessen gar nicht bewußt
sein. Heute benutzt man das Netz bereits ohne es zu wissen, wenn man Geld
abhebt, Telefongespräche führt, ein Flugzeug besteigt oder im
Reisebüro ein Flugticket kauft. In zehn Jahren benutzt man es beispielsweise,
wenn man die Haustür öffnet (Schloß kommuniziert mit Authentizierungsserver),
das Auto startet (Auto lädt Verkehrsdaten herunter und Motorinformation
hoch), oder eine Tasse Kaffee kauft (Abbuchen von der E-Cash Karte).
Das World Wide Web und HTML wird es sicherlich immer noch geben, und E-mail
(allerdings mit mehr Multimediainhalt) wird sich voraussichtlich als dominanter
Kommunikationsträger etablieren. Das Interface wird aber wahrscheinlich
in zehn Jahren keine Tastatur und wohl auch keinen Bildschirm mehr haben,
so daß die Eingabe über Sprache und Gestik erfolgt (z.B. Smart
Rooms, Wearable Computers, etc.).
http://vismod.www.media.mit.edu/vismod/demos/smartroom/
http://lcs.www.media.mit.edu/projects/wearables/
Da sich die zukünftige Entwicklung des Internets schwer vorhersagen läßt, möchte ich an dieser Stelle vielmehr skizzieren, was ich mir für die Zukunft vom Netz erhoffe. Prognosen von vor zehn Jahren, die prophezeiten, daß sich "the world as we know it" vollkommen auf den Kopf stellen würde, haben sich bislang noch nicht bewahrheitet. Ja, Dienstleistungen im Netz und Kommunikationswege werden sicherlich erweitert werden, jedoch bezweifle ich, daß herkömmliche Medien mittelfristig vollkommen ersetzt werden, denn eine fundamentale Voraussetzung für das Durchsetzen von Tele-Teaching, der virtuellen Uni, Mobile Networking, real-TV und "video on demand" ist die Bereitstellung von ausreichender Bandbreite für den Ottonormalverbraucher zu einem angemessenen Preis. Welcher Privatnutzer verfügt denn heute schon über genügend Bandbreite um sich ein zweistündiges Video in hoher Qualität anschauen zu können? ISDN bringt uns da auch nicht weiter. Um das Multimedia-Potential des Internets ausnutzen zu können und einem größeren Anteil der Bevölkerung den Zugang zum Internet zu ermöglichen, müssen Telefongesellschaften erweiterte Übertragungskapazitäten preiswerter anbieten, oder andere Möglichkeiten der Übertragung beispielsweise durch vorhandene Kabeleinrichtungen oder sogar Stromleitungen müssen genutzt werden. Sobald Videoübertragung möglich ist, wird alles vom Fernsehen bis zu Videophon revolutioniert werden, da Rechner ja auch kontinuierlich größer, schneller und preiswerter werden. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg.