Freie UniversitÄt Berlin Lehrbeauftragter: Wolfgang
Roehrig
Wintersemester 1998/ 1999
Fachbereich Philosophie und Sozialwissenschaften I
Arbeitsbereich Informationswissenschaft
Seminar: Wie und wohin entwickelt sich das Internet?
Fragebogen:
1. Wie nutze ich das Internet heute und in naher, bzw. ferner Zukunft?
Heute nutze ich das Internet zur Recherche von Inhalten, die sich
thematisch in dem Bereich der neuen Medien, wie entsprechende Rechtsfragen
oder aktuelle Entwicklungen, ansiedeln lassen. Weil analoge
Informationsquellen umfassend zur VerfÜgung stehen kann ich die
Informationsquelle Internet nur als ein ergÄnzendes Medium
begreifen.
Ich verfÜge Über einen Computer mit Modem und Anschluß zu
einem kommerziellen Provider. Diese VerfÜgbarkeit lÄßt mich
zunehmend darauf zurÜckgreifen. Eine kleine Frage, die sich
begrifflich fassen lÄßt ist somit schnell in eine Suchmaschine
eingegeben. Ich verlasse mich nicht auf zusammenfassende, redaktionelle
Informationsdienste, sondern vertraue lieber auf die eigene Suche und ihre
Ergebnisse in Form von sehr unterschiedlichen Bookmarks.
BankgeschÄfte fÜhre ich nur in AusnahmefÄllen am Computer,
weil das Angebot der Banken dÜrftig in Hinsicht auf die zu
gewÄhrleistende Sicherheit ist. GrundsÄtzlich stehe ich diesem
Trend offen gegenÜber und bin auch bereit, im Netz einzukaufen. Die
bisher wenigen Kaufentscheidungen im Netz fÜhre ich auf das gute
Angebot in der realen Großstadt zurÜck. Es waren KÄufe, die
aus GrÜnden der VerfÜgbarkeit nur im Netz zu tÄtigen waren,
dabei war mir die ZahlungsmodalitÄt, ob Kreditkartennummer oder
Über Rechnung, gleichgÜltig. Meine Kartennummer bin ich jedoch
nicht mehr bereit per eMail bekanntzugeben.
Durch die hohen Telekommunikationskosten bin ich nicht bereit,
tagsÜber oder gar mehrmals am Tag meinen Provider anzurufen, der mich
zudem 20,- DM im Monat kostet. Auch der langsame Zugriff durch die
Computertechnik und durch die schmalen Bandbreiten der teuren
Gesamtdienstleistung lÄßt mich analoge Medien, wie Radio- und
TV-Nachrichten oder Unterhaltungsprogramme bevorzugen.
Sehr unabhÄngig von diesen Kosten ist die Versendung und der Empfang
von eMail. Diese Form der schriftlich-konkreten, asynchronen Kommunikation
bietet mir enorme Vorteile. Sie ersetzt die verbale, synchrone
Kommunikation im privaten und geschÄftlichen Bereich wenn beide
Teilnehmer Über die entsprechende AusrÜstung verfÜgen und
bereit sind, auf das unmittelbar persÖnlich gesprochene Wort zu
verzichten. Die Digitalisierung von Bild und Ton und die VerfÜgbarkeit
durch Datenprotokolle fÖrdert auch den aktiven Austausch von
Materialien, die den sozialen Kontakt und Zusammenarbeit fÖrdern.
In naher Zukunft werde ich mir ein Zertifikat meines
Kreditkartenausstellers besorgen und die MÖglichkeit des direkten
Preisvergleiches im Internet fÜr den Einkauf nutzen. Ich werde meine
eMail in Zukunft verschlÜsseln und werde Preisvergleiche bei Providern
und Telekommunikationsfirmen anstellen, um Kosten zu sparen. Der Computer
wird jedoch ein ArbeitsgerÄt bleiben, das im Arbeitszimmer Platz
findet und nur aktiv genutzt wird. Mein Kaufverhalten bleibt auf die
Vermeidung von Microsoftprodukten, sowie die ihr zugrunde liegende Hardware
ausgerichtet.
In ferner Zukunft wird die Digitalisierung den privaten Haushalt
erreichen. Die Verschmelzung der Medien und ihrer Inhalte fÜhrt zu
einer integrierteren Nutzung von Information und Kommunikation. Die
Begrifflichkeiten von Fernsehen, Telefon und
Computer werden lediglich Rezeptionsverhalten statt technische
Mittel beschreiben.
Realistische Version
Mein Verhalten als Konsument von audiovisuellen Inhalten wird sich von der
passiven Rolle des Rezipierens weg- und zum aktiven
Kommunizieren und Informieren hinbewegen. Selbst das Fernsehprogramm gibt
mir die MÖglichkeit der aktiven Teilnahme Über informierende oder
kommunizierende Datendienste.
Ich werde bereit sein, fÜr verwertbare Informationen Geld zu bezahlen,
um mit Werbung versetzte Inhalte meiden zu kÖnnen. Auf diese Weise
kann ich redundante Information meiden und mit der Zeit vor allem
Lebenszeit zurÜckgewinnen.
Gleichzeitig wird die Wahl zur Qual werden, wenn alles mÖglich aber
nicht alles wÜnschenswert ist. Eine Ähnliche Entwicklung fand mit
der EinfÜhrung des Privatfernsehens und die Verbreitung von Programmen
per Kabel statt.
Im schlimmsten Fall werden viele Menschen Schwierigkeiten haben, die
Medienwirklichkeit in ihrer authentischen PrÄsenz und Vielfalt nicht
nur von der Wirklichkeit an sich, sondern in ihrer Bedeutung auch von der
persÖnlichen Wirklichkeit zu unterscheiden. Überlastung und
Ablehnung wÜrden die Folgen sein, die wiederrum soziale Ausgrenzung
zur Folge hat.
Konform heißt in Zukunft, nicht nur Geld verdienen zu mÜssen, um
seine Daseinsberechtigung zu verdienen, sondern sich auch vernetzen zu
lassen.
Die Vernetzung durch den Haushalt und durch die Arbeit an vernetzten
Computern wird zur Voraussetzung und gleichzeitig zur Gefahr. Der
glÄserne Mensch ist schon jetzt durch Konsumentenforschung und durch
die Gesetzgebung Wirklichkeit geworden. Die Digitalisierung und Vernetzung
ist ihre Grundlage.
Wer sich dem entziehen und trotzdem gut leben kann gehÖrt zur
Informationselite. Aber bei der Scheckkarte fÄngt es schon an,
daß wir Überall spuren hinterlassen. Eine Geldkarte
oder gar eine elektronische Brieftasche nach den Vorstellungen
eines Bill Gates wird diesen Trend der Protokollisierung des Tagesablaufes
enorm verstÄrken. Schuldig wird sein, der sein Tagesablauf nicht
ausreichend protokolliert hat und nicht seine Unschuld beweisen kann.
Im optimalen Fall werden wir uns digital nÄher
kommen.
Der mÜndige BÜrger kann seine Rechte elektronisch wahrnehmen und
eine "direktere" Demokratie realisieren. Im besten Falle ist der
freie Zugang fÜr alle zu gleichen und fairen Bedingungen
mÖglich.
Durch Telearbeit kann die Arbeitswelt humanisiert werden, wenn ein soziales
Arbeitsumfeld erhalten bleibt. Privates Leben und
Arbeit werden zwar verschwimmen, jedoch zeitliche
FlexibilitÄt und Lebensvielfalt schaffen.
Unser reales Lebensumfeld, der unmittelbare Kontakt zu Menschen und die
Gemeinschaft mÖglichst aller Menschen wird lediglich durch ein
virtuelles Umfeld ergÄnzt, so daß die Grenzen nicht
verschwimmen.
Im optimalen Fall werden Information und Kommunikation im Rahmen der
Globalisierung die Menschen nÄher rÜcken lassen. So nah,
daß negative Trends, wie z.B. wirtschaftliche Machtkonzentrationen
durch demokratische Instrumentarien vermieden werden.