review in der persona non grata #60:


mobilé
nennen wir es den tag

Da hätten wir mal wieder den typischen Fall einer Band, an der sich vermutlich verdammt viele Geister scheiden werden. PnG-Geister. Ist dieser Schrammel-Pop mit deutschsprachigen Texten nun wirklich noch in irgendeiner Form relevant? Mal außerhalb dieser Pop-Nerd-Trainingsjacken-Fraktion gesehen? Eine Frage, die vermutlich auch Mobilé die ein oder andere Minute sehr beschäftigt hat. Wie sonst kommt ein Song wie "Sie produzieren uns" zustande? Mit Textzeilen wie "Sie produzieren uns/und sagen, wir bräuchten diesen Sound/um unser Lebensgefühl auszudrücken" oder "Gebt mir die Bedeutungen zurück"? Auf der anderen Seite legen die schon eine ziemlich erstaunliche Unbedarftheit an den Tag, wenn sie in "Keine Lieder " allerlei Leuten (darunter Blumfeld) vorwerfen, eben nicht die richtigen Lieder für Eifersucht, das schlechte Gewissen und die Zweifel geschrieben zu haben [sic!]. "Warum gibt es dafür keine Lieder?" Stimmt nicht, dafür gibt es Lieder. Da könnte ich im Notfall mit einer verdammt langen Liste zur Seite stehen. Und dann gibt es die Momente, in denen ich mich beinahe unangenehm berührt fühle. Die Momente, in denen Mobilé verteufelt offensiv versuchen zu kopieren. Nachzuahmen. "Katalysator" atmet mit jeder gespielten Note "Verstärker". Und gleich anschließend kindliche Naivität, die aber beim Call&Response-Stück "Godzilla vs. Madonna" schon wieder richtig Spaß macht. Schwieriger Fall, diese Platte. Hart an der Grenze zum Dies-geht-jetzt-aber-wirklich-nicht-mehr. Zum hemmungslosen Ersaufen im Selbstmitleid, im Weltschmerz der großen Jungs in den Trainingsjacken. Was einen aber auch immer wieder daran erinnert, dass man ja selbst auch nichts anderes ist und genau deshalb stets aufs Neue überlegen muss, ob Mobilé nun wirklich nicht mehr gehen. Oder vielleicht doch noch - und sei es nur wegen dieser Bratsche, die "When I" so trefflich untermalt. Oder wegen des manchmal selbstzerstörerischen Habitus, der gerade aus diesem Song heraus spricht und den ich auch nur zu gut kenne. Aber es bleibt eine streitbare Platte, von der mit Sicherheit ein Haufen Leute nur böse Dinge zu sagen wissen. Ich bin mir da bei weitem noch nicht so sicher - im Prinzip ein gutes Zeichen. Hier steckt doch noch ein Funken Relevanz drin. Irgendwie.
(Loob Musik)
Jensor