pressestimmen

zum album "nennen wir es den tag", erschienen august 2003 bei loobmusik.

spex 10/03
Ich weiß nicht, ob Mobilé die Anlässe, an denen sie mit den frühen Tocotronic verglichen wurden, noch zählen können. Das kommt wohl davon, wenn man zu den ganz seltenen Bands gehört, die sich dieses Idiom sinnvoll zu eigen gemacht haben, ohne in die Parolenfalle zu rennen (Hallo, Sportfreunde) oder in tranige Jungszimmer-Schrammelei zu verfallen. Zwischen ganzen Reihen von Sätzen, an denen man sich festhalten möchte, spuken hier und dort eine Bratsche, Krachechos von Mogwai und ein Hauch von Albernheit. Hoffentlich wissen Deutschlands Indierocker (gibt's euch noch?), wie sehr sie diese Platte brauchen.
jan niklas jansen

wahrschauer nr. 46 sommer/herbst 2003:
Das Debüt der vier Kalifornier - äh Hamburger - äh Schotten - äh Schweden - äh Nordberliner versammelt gekonntes Songwriting, dessen Wurzeln in mit Beatles-LPn beschallten Kindheiten zurückreichen, dazu perligen, warmen, klaren Git-B-Dr-Voc-Sound wie z.B. bei Mogwai und schrammelig-vollmundig verzerrte Gitarren wie bei frühen - muss man ja mittlerweile schreiben - Tocotronic-Aufnahmen in einem schmucken Prachtcover, welches mit buchstäblicher Vielseitigkeit und Transparenz (Butterbrotpapier?) schwarz-orange gehaltener Gedämpftheit... Man erwidert ihre Sympathien und will mit ihnen an dem abgebildeten Kamin sitzen, um sich eine Mittsommernei lang gemeinsam durch die Plattensammlungen zu hören, dabei die ultimative Best-Of-Liste (siehe bald bei Band eigener Homepage www.lemobile.de) heraus-arbeiten, grillen, schwimmen, reiten, Fahrrad fahren, lesen, poppen und zur Gitarre greifen. Die Texte sind manchmal ganz schön verquer und hart an der Grenze zwischen zum Mit- und Nachdenken Aus- bzw. Einladen. Ob Peer die meistens so runter schreibt aus einem Guss oder lange grübelt oder einen zentralen Satz hat, um den herum sich das Werk in Monaten fast von selbst herumbaut? Jedenfalls bestätigen die meisten der zwölf Lieder, dass deutsche Texte meinen Intellekt und so da oben am meisten in Gang bringen von allen gesungen vernommenen Sprachen. That's a good thing. "Nennen wir es den Tag" ist eine GUTE-INDIE-ROCK-Platte mit mitsingbaren Stücken und Hits - nennen wir sie Pop-Rock-Punk-Sing-Alongs - aber auch ganz weit vorne bei der Welt traurigsten Platten.
C. Anders

persona non grata #60:
Da hätten wir mal wieder den typischen Fall einer Band, an der sich vermutlich verdammt viele Geister scheiden werden. PnG-Geister. Ist dieser Schrammel-Pop mit deutschsprachigen Texten nun wirklich noch in irgendeiner Form relevant? Mal außerhalb dieser Pop-Nerd-Trainingsjacken-Fraktion gesehen? Eine Frage, die vermutlich auch Mobilé die ein oder andere Minute sehr beschäftigt hat. Wie sonst kommt ein Song wie "Sie produzieren uns" zustande? Mit Textzeilen wie "Sie produzieren uns/und sagen, wir bräuchten diesen Sound/um unser Lebensgefühl auszudrücken" oder "Gebt mir die Bedeutungen zurück"? Auf der anderen Seite legen die schon eine ziemlich erstaunliche Unbedarftheit an den Tag, wenn sie in "Keine Lieder " allerlei Leuten (darunter Blumfeld) vorwerfen, eben nicht die richtigen Lieder für Eifersucht, das schlechte Gewissen und die Zweifel geschrieben zu haben [sic!]. "Warum gibt es dafür keine Lieder?" Stimmt nicht, dafür gibt es Lieder. Da könnte ich im Notfall mit einer verdammt langen Liste zur Seite stehen. Und dann gibt es die Momente, in denen ich mich beinahe unangenehm berührt fühle. Die Momente, in denen Mobilé verteufelt offensiv versuchen zu kopieren. Nachzuahmen. "Katalysator" atmet mit jeder gespielten Note "Verstärker". Und gleich anschließend kindliche Naivität, die aber beim Call&Response-Stück "Godzilla vs. Madonna" schon wieder richtig Spaß macht. Schwieriger Fall, diese Platte. Hart an der Grenze zum Dies-geht-jetzt-aber-wirklich-nicht-mehr. Zum hemmungslosen Ersaufen im Selbstmitleid, im Weltschmerz der großen Jungs in den Trainingsjacken. Was einen aber auch immer wieder daran erinnert, dass man ja selbst auch nichts anderes ist und genau deshalb stets aufs Neue überlegen muss, ob Mobilé nun wirklich nicht mehr gehen. Oder vielleicht doch noch - und sei es nur wegen dieser Bratsche, die "When I" so trefflich untermalt. Oder wegen des manchmal selbstzerstörerischen Habitus, der gerade aus diesem Song heraus spricht und den ich auch nur zu gut kenne. Aber es bleibt eine streitbare Platte, von der mit Sicherheit ein Haufen Leute nur böse Dinge zu sagen wissen. Ich bin mir da bei weitem noch nicht so sicher - im Prinzip ein gutes Zeichen. Hier steckt doch noch ein Funken Relevanz drin. Irgendwie.
Jensor

intro august 2003
Mobilé. Endlich mal eine Band, die weiß, was sie will: klingen wie die frühen Tocotronic. Und das machen sie - streichen wir das Wörtchen Innovation für die Länge dieser Rezension mal aus unserem Wortschatz - hervorragend. Da kommen Marius, Peer, Frank, Ralf und Martin aus Berlin mal eben daher und ich denke mir: sind wir hier in Hamburg, Tine? Ja! 1995, neu in der Hamburger Schule. Und um nun die zwölf Lieder auf "Nennen wir es den Tag" nicht ganz nach der verschollenen Platte zwischen "Digital ist besser" und "Nach der verlorenen Zeit" klingen zu lassen, werden kurzerhand noch ein paar Blumfeldanleihen dargeboten, (man ersetzte "Verstärker" durch "Katalysator", etwas flottere Gitarren, mehr Pop, voilà!), hin und wieder etwas Huah!, fertig sind die Pophits. Und weil Mobilé nette Menschen sind, legen sie der CD auch noch ein Fanzine bei, das die Leser die Bandmitglieder etwas näher kennen lernen lässt: mit vielen Top-Ten-Tabellen (Musik), einigen Geschichten (Fußball, Uni, Leben) und eigener Philosophie (Warum waren Tocotronic früher besser als heute?). Man merkt, dass Mobilé wahre Fans sind. Und verschweigen kann ich mein eigenes Tocotronic-Fantum wohl auch nicht, daher vielleicht auch meine Sympathie. Fazit: Nicht neu, aber irgendwie nett. Nennen wir es die beste Tocotronic-Kopie seit... Tocotronic! Nicht mehr und nicht weniger.
tine plackmann

donaukurier 4./5.10.2003



intro 9/03
Die Jungs sehen arg casual aus. Reihenhaus-Gesicht haben, okay – aber irgendwo muss der Glamour doch herkommen. In diesem Fall hilft die Musik. Perfekter Up-Rock, der soundmäßig auffällig nah nach ?Es Ist Egal Aber? und ?Wir kommen Um ...? klingt und dabei in puncto Texte auch nicht enttäuscht. Das Fanzine dazu heißt übrigens: Wir Haben Weniger Verzerrte Gitarren Als Ich Dachte. Viel Potenzial.
linus volkmann

tip 16/03
"Musik muss nicht kompliziert sein, um zu funktionieren", heisst es im Band-Info von Mobilé. Selten hat ein Satz die Musik einer Band besser beschrieben. Man kann es Schrammelpop, Post-Punk, Indie-Herzschmerz oder einfach Lo-Fi nennen, doch Fakt ist, dass diese Musik vor allem auch über die wunderbaren deutschen Texte funktioniert. Allein Songtitel wie "Liebeslied mit einem schiefen Kapitalismusbegriff" oder "Sie hat sozusagen mit Jürgen Kuttner den Abend verbracht" lassen schon aufhorchen. Früher nannte man so etwas vielleicht auch mal Hamburger Schule - doch das geht hier auch nicht, denn Mobilé kommen aus Berlin. Heute feiern die neuen Hoffnungsträger der freudigen Melancholie die Record-Release-Party ihres neuen Albums "Nennen wir es den Tag".

indispensable indoor indie
es geht um persönliches und kleine geschichten, randanekdoten, pavement lassen grüßen. die gitarren braten wie bei 18th dye in großen zeiten, mogwaieske postrock-eleganz trifft auf charmant ungestümes gelärme im stile der frühen tocotronic. musik, die einen zum lächeln bringt und einem schauer den rücken herunterjagen lassen kann.
johannes ruthenberg