bernd ternes

Idiosynkrasien: what's that?


 


Naturbeherrschung ist jedoch keineswegs nur die Bannung der Gefahren, die in der Natur lauern. Es geht um die ganze Natur. [...] Nicht nur die umheimliche, auch die heimliche, nicht nur die drohende, auch die stille Natur ist Angriffsziel. [...] Eliminierung von Überraschung ist ein viel umfassenderes Vorhaben, als daß es mit Eindämmung oder Beseitigung von Gefahr getan wäre. Die Maßlosigkeit dieses Unternehmens entspricht der Unersättlichkeit des Sicherheitsanspruchs. Diesem Vorhaben gemäß muß jede Erscheinung der Natur, insbesondere aber das, was noch nicht einmal in Erscheinung getreten, also verborgen ist, mit Reflexion durchdrungen werden. [...] Vernunftgemäße Umwandlung der Natur bedeutet, daß die Reflexion das 'sich' zum Verschwinden bringt, d.h.: Die Reflexion kehrt sich gegen die Reflexivität. Diese Feststellung ist mehr als ein Wortspiel. Es tritt darin ein Widerspruch zutage, der am Ende auf die Selbstaufhebung der Reflexion hinausläuft.
Marianne Gronemeyer 1996: p43

Das Leben bedeutet Aggression und provoziert Abwehr.
Rudolph Schuppli 1979: p1

Ich will nicht sterben, ich will kein Mensch mehr sein
Andreas Weiser

 

Im folgenden wird ein Begriff, Idiosynkrasie, über Gebühr beansprucht in seiner sog. Umfangslogik. Der begriffliche Radius wird also vielleicht bis zum Platzen gedehnt, um im Begriff Idiosynkrasie zentrierte Vergleiche anzustellen. Es geht in den Vergleichen um mögliche Zusammenhänge zwischen Idiosynkrasien, der zunehmenden Bedeutung der Gleichzeitigkeit für die gesellschaftliche Zeitökonomie, dem Beginn der technologischen Generierung lebender Materie, und den durch Kontrolle produzierten Unkontrollierbarkeiten (Unübersichtlichkeiten) innerhalb der technophilen kapitalistischen Gesellschaften. Als Ausflüsse dieser Vergleiche, die methodisch auf Plausibilität, nicht auf Kausalität aus sind, ergeben sich Befragungen von zwei spekulativen Annahmen, nämlich der einen, daß zur Zeit die abstrakte Gesellschaft durch die forcierte technische Infrastrukturierung von Immaterialität sich wieder ein Stück weiter enfernt von der Abhängigkeit ihrer Formen vom Medium Körper resp. von der Organisationsform Körperschaft; und der anderen Annahme, daß in den Idiosynkrasien Indikatoren zum Vorschein kommen, die entweder die "Emanzipation" des Körpers von seiner besonderen Materie einklagen (der Körper ist zuendedepraviert, zuendedizipliniert, zuendedressiert), oder aber auf grausame, überraschende und alienatorische Weise darauf hinweisen, nun endlich dem Körper "Gerechtigkeit" widerfahren zu lassen und seiner Geschichte nachzuspüren.
 

Methodische und stilistische Herausnahmen des folgenden Textes

Herbert Schnädelbach unterstellte einmal Adorno, daß er Heidegger nur zum Anlaß, nicht aber wirklich zum Gegenstand seines eigenen Denkens genommen habe. Von dieser Unterscheidung zwischen Anlaß und Gegenstand geht folgender Text aus; er beginnt mit dem Begriff und Thema Idiosynkrasie als Anlaß zum denken, um dann ebendiesen Begriff und ebendieses Thema zum Gegenstand des Denkens werden zu lassen. Wenn der Atem dann noch ausreichend ist (dies ist ein Vorwort), soll drittens das aus Anlaß und das den Gegenstand behandelnde Geschriebene gemischt werden zu etwas, das zu antworten versucht auf die theoretisch immer noch brisante Entscheidungfrage Baudrillards, inwieweit sich Theorie weiterhin als Analyse und als Distanz zum Objekt diskursiv zu drehen vermag, oder inweiweit sich Theorie zu verstehen und zu verdrehen hat als fataler Modus und als diskursive Aufbewahrung des Rätsels des Objekts.

Desweiteren wird im folgenden nicht eingebrochen in den medizinischen Diskurs, der sich der Idiosynkrasie als ein Phänomen des Körpers (als Reaktion auf Welt-Körperkontakt) annimmt, das innerhalb der Grenzen biologischer, elektro-chemischer und auch neurologischer Wissensbestände zu betrachten und zu kontrollieren ist. Auch hier wird der Text diese Blöcke medizinischen Wissens eher erwähnen denn verwenden. Der Aussagerahmen des folgenden bleibt soziologisch resp. protophilosophisch; er wird nicht medizinisch. Das grundlegende Stichwort fürs Bett der folgenden Sätze, die ebendieses Wort verwirren, bietet Konrad Cramer an: "Und so sind wir der Überzeugung, daß unser Wissen darüber, daß wir ein materieller Körper sind, wie all unser Wissen, von der Existenz dieses materiellen Körpers und seiner spezifischen Organisationsform abhängt. Hingegen sind wir durchaus nicht der Überzeugung, daß die Existenz dieses oder einen anderen materiellen Körpers davon abhängt, daß wir wissen, daß sie existieren." - Könnte es sein, daß die Verkörperung von Wissen, als die die sozio-kulturelle, also wissenschaftlich-technologische Zvilisationierung vordringlich betracht werden kann, den materiellen Körpern, die in dieser Zivilisationierung hausen, ihren Gewißheits- und Überzeugungsbonus für Existenz entrissen haben? So daß, umgedreht oder vielleicht auf einer höheren Emergenzstufe, die Existenz materieller Körper abhängig zu werden beginnt von einer spezifischen Organisationsform des Wissens? Um so zu fragen, muß angenommen werden, daß das, was im Gefolge Durkheims und Luhmanns konstatiert wurde, nochmals einen Sprung von Quantität zu Qualität gemacht hat resp. im Springen begriffen ist. Konstatiert wurde, daß die Sozialität namens Gesellschaft als Entität, als eigenes Reich, als eigenwertig sich organisierendes System aufzufassen sei, zu dem Menschen keinen Zugang haben, auch und gerade wenn sie durch Gesellschaftlichkeit ihrer Interaktionen und Kommunikationen hindurch in dieser Sozialität unrekonstruierbar verwoben sind. Marxistisch und vielleicht etwas zu abstrakt wird dieser eigentümliche Sachverhalt dadurch rekonstruiert, indem das primäre und sich fortentwickelte Ausbeutungsverhältnis zwischen solchen, die leben, ohne zu produzieren, und solchen, die produzieren, ohne zu leben, als Daseinszusammenhang identifiziert wird, insoweit die Aneignung die durch die Ausbeutung gebrochene Praxis im Modus des Daseins wiederherstellt, sodaß geschlußfolgert werden kann: Die Wiederherstellung der praktischen Wirklichkeit des menschlichen Seins einzig nur im Modus der Negation seiner Wirklichkeit als Praxis ist die Grundkonstitution der Daseinsverflechtung der Menschen in ihrer quasi individualistischen 'Vergesellschaftung'. Gesellschaft also als existierendes Derivat des Prozessierens der Negation von Wirklichkeitspraxis zugunsten der Wirklichkeit des Praxisnegierens, innerhalb der der einzelne durch die Gesellschaft angesaugt wird als vergesellschafteter Einziger. Nach Auflösung des fragegenerierenden Hiatus Individuum vs. Gesellschaft zu einer nicht mehr relevanten soziologischen Fragestellung blieb in der Folgezeit dennoch diese Form des Hiatus gewahrt in Gestalt der einige Begriffsetagen tiefer anzusetzenden Unterscheidungsseiten Körper vs. Geist. Auch Konrad Cramer rekurriert auf diese Mutterunterscheidung Decartes'; begeht dabei aber (unbeabsichtigt?) eine Uneindeutigkeit in der Terminologie, die schon erste Abstriche in der Überzeugungsqualität materieller Körper für ihre Existenz und die ihres Gewußtwerdens durchschimmern läßt. Denn: Die Rede von Existenz materieller Körper und ihren spezifischen Organisationsformen als Bedingung der Möglichkeit von Existenz unseres diesbezüglichen Wissens läßt unklar, ob vom materiellen Körper als einer besonderen und nur so seienden Materie gesprochen wird, oder eben vom materiellen Körper als einer spezifischen Organisation von Materie. Könnte es sein, daß der materielle Körper (des Menschen) in seiner bisherigen Gestalt als nicht weiter zu reduzierendes "Ding" in der Welt beinahe lückenloser Verkörperung von immateriellen Dingen (Virtualität?) nun in eine Ableitungsposition rutscht? Also sich selbst in einem neuen Verweisungszusammenhang wiederfindet, in dem die Materialität der Verkörperung materieller Körper nicht mehr dasjenige Merkmal oder diejenige Eigenschaft ausmacht, um das unter dem Begriff Körper Subsummierte begrifflich ausreichend zu fassen? Also zu sich selbst als materieller Körper ein neues Distanzverhältnis gewinnt dadurch, daß seine Materialität und seine Körperlichkeit nur eine Möglichkeit und nicht mehr eine Notwendigkeit dafür ist, von einer Existenz sagen zu können, daß sie gewiß und nicht abhängig von ihrer Kognitivierung, mentalen Verkörperung und Reflexion ist? Und daß also schließlich die Körperlichkeit des Körpers nicht mehr als irreversible Bedingung für die Existenz der Verkörperung von Wissen gilt, sondern daß die Existenz je-weiliger, also temporärer Körperlichkeit des Körpers hundertprozentiger Effekt wird einer jeweiligen temporären Verkörperlichung von Wissen? - Vielleicht darf man es auch so spekulativ sagen: In dem Moment, wo die kapitalistische Gesellschaft beginnt, ihre orginäre Konstitution, nämlich abstrakte Vermittlung, nicht mehr nur als Unmittelbarkeit darzutun, sondern via hyperformatiger Technologisierung von Virtualität sich eine art materielle Infrastruktur der unkörperlichen Verkörperung von Wissen zulegt, in diesem Moment entsteht das Phantasma einer erneuten Sozialität resp. einer erneuerten Form von Soziabilität, das Bild einer Organisation von gesellschaftlicher Organisation (von Wissen), also die Vorstellung des Organismischwerdens gesellschaftlicher Organisation, kurz: Der Wunsch, daß die gesellschaftspenetrierende Verkörperung von Unkörperlichkeit selbst einen Körper generiert, der er dann ist; und dieser Wunsch (salopp: daß der Weltgeist, die weltweite kapitalistische Konkurrenz der Wertverwertung, sein eigener Körper wird) bezieht seine Imaginationskraft aus den Bildern, die der einfache menschliche Körper bisher an sich binden konnte. Für genau diese Zeitspanne des a) Anzugs von Imagination durch das Phantasma, die Verkörperung (Objektivation) von Unkörperlichkeit gebäre Körper, und b) des Abzugs von Imagination vom materiellen menschlichen Körper als Existenz, die von keiner Unkörperlichkeit (Wissen) abhängt, soll im folgenden Idiosynkrasien befragt werden.

Aboubacar Souarés Statement, daß die Europäer ihre Götter der Rationalität geopfert haben und qua Monopolisierung der Wissenschaft als Antwortgeber auf alle Fragen sich tendenziell zu einer Gesellschaft entwickelten, die eher den Körper als die Seele ernährt, könnte also auf vertrackte Weise zugestimmt werden. Vertrackt deswegen, weil die Körper nur noch als Schema für Verkörperung resp. Inkorporation ihren Nutzen tun, nicht mehr aber als der jeweilige, material sich so und so geformte Körper innerhalb einer speziellen Angewiesenheit auf Weltzusammenhänge in Betracht kommt. Ernährt wird nicht mehr der menschliche Körper, sondern der kybernetische, der technologische, der telematische. Dessen "Ernährung" aber, so will es eine lange kulturkritische Beschreibungstradition, basiert gerade nicht auf dem Prinzip der Schematisierung von Körperlichkeit als Organisationsform, sondern vielmehr auf einer vollständigen Abkehr vom und Unterdrückung des Körpers als Inbegriff der Trägheit, Deixisabhängigkeit, Syntheseunwilligkeit, Nichttransformierbarkeit und zu langsamer Verkehr- und Verhandelbarkeit fürs Organsationsprinzip einer kapitalistisch mobilisierten Gesellschaft, die ja seit dem Abstreifen des Feudalismus nicht nur die Aneignung bloß des Produktes und bloß des Produzenten (Sklaven) hinter sich ließ als eine Aneignung von Dingen und Körpern, sondern mit der Aneignung nun der Produktion selbst sich einen eigenen "Körper" geschaffen hat, der ganz der ökonomischen Wertbildung gehorcht. - Dann aber noch von Körpern (der Gesellschaft) und nicht von Maschinen oder Systemen zu sprechen, erscheint mehr als erklärungsbedürftig. Und in der Tat ist dem so. Will die gegenwärtige Penetranz der Infrastrukturierung gesellschaftlicher Produktion und Reproduktion auf dem Niveau tatsächlich realisierter Virtualität einen Begriff finden, der das entscheidend Neue ihrer eigenen Entwicklung zu identifizieren vermag, so fällt beinahe ausschließlich das beinahe wörtlich gemeinte Wort Netz. Ohne Zweifel bezieht sich die neutrale Aura des Wortes nur auf die technologische Dimension (Vernetzung) der telematischen Infrastruktur und stellt damit ein eher ad hoc-Angebot zur Identifikation dar; die Fragen, wozu, woran und in was hinein vernetzt wird, werden zur Zeit noch von der Fazination der technischen Realisation verdeckt. In der Tat, so die These, könnte bald, wenn die computer added communication of society in virtual society eine bestimmte Dosis an wirtschaftlichen, interaktionistischen, imaginären Bedürfnissen der Zirkulation zu befriedigen weiß, ein Bedarf entstehen, diesen spezifischen gesellschaftlichen Zeitraum am Bildschirm im Netz mit anderen (unsichtbaren) Bildschirmen neu zu identifizieren, und meines Erachtens wird im Konkurrenzkampf zwischen den einzig möglichen Begriffen System, Körper(schaft) und Gesellschaft der Begriff Körper Identifikat dieser Form von Gesellschaftlichkeit, weil: der leibliche Körper des users nun endlich ein Gegenstand derjenigen Welt geworden ist, die für den Zeitraum der in Frage stehenden "Welt" in Gänze obsolet ist. In the net, the body is the mind. One hand clapping. Mehr noch: the net is the body of the 'enminded' body. Vielleicht ist gar der neue Netzkörper, in dem nun das Bewußtsein den Körper vertritt, der letztmögliche Ausweichraum für einen menschlichen Körper, der, überspitzt gesagt, anfängt, unter seiner Geschichte als kontrolliertes Vehikel des Geistes zusammenzubrechen, und nun nur noch die Möglichkeit hat, sich an sein Bewußtsein zu hängen, das in einem neuen Körper, dem Netzkörper, einzugehen vermag, in dem es axiomatisch keine Kontrolle mehr gibt, allerdings um den Preis, daß eben der menschliche Körper dort nichts mehr zu suchen hat und nun in die Lage eintritt, die äonenlang der Geist seit Platon immer wieder so beschrieb: Er (resp. die Seele) sei gefangen in seinem Körper; der Körper sei sein Gefängnis. Nun ist es der Körper, der dies sagen könnte, könnte er sprechen. Nun ist er Gefangener des Bewußtseins, und zwar auf einer transgredierten, wenn nicht transformierten Weise: er hat seine Körperlichkeit an einen abstrakten Körper abgeben müssen, und bekommt dafür die Garantie, nicht mehr ge- und verbraucht zu werden. (Vielleicht ist die neue informationelle Verkörperung der Welt mittels des weltweiten Netzes, das eine neue Reflexion auf und neue Klassenkategorien in der gegenwärtigen Weltgesellschaft erzwingt, vielleicht sogar ein neues Selbstverhältnis, nur die Vorstufe eines Selbstverhältnisses, das Einzug hält in dem Moment, wenn das Leben und die Natur eine neue, nämlich technologisch generierte Verkörperung, erfahren.) - So wie einst Mark Johnson versuchte, 'Mentalität' als Emergenz aus Grundformen sensomotorischer Aktivitäten und Interaktionen begreiflich zu machen, verstanden als eine Art Unwiederruflichkeit körperlicher Abhängigkeit des Geistes, so führt das Netz in Versuchung, den Körper als Emergenz aus Grundformen kognitiver Aktivitäten und computervernetzter Interaktionen neu zu verstehen. Man könnte sich, wenn diese Spekulation nicht allzu mißverständlich wäre, durchaus vorstellen, daß die mit windows ausgestatteten user-Monaden innerhalb des Syndroms glasfaserverbundenen Netzkörpers den Status der einzelnen Zelle innehaben werden; so wie die einzelne Zelle in ihrem Zellkern das gesamte genetische Programm des Gesamtkörpers beinhaltet, so wiederholt sich diese Art Repräsentanz des Ganzen in ihren Teilen beim netzangeschlossenen user virtuell, da auch er potentiell die Gesamtheit des Netzkörpers auf seinem Bildschirm zu bannen vermag. Die Anzahl der Zellen eines menschlichen Körpers wird dieser Netzkörper zwar nie erreichen, nämlich etwa 10 Billionen; aber so, wie sich täglich Millionen von Zellen teilen und erneuern, so teilen sich im Netzkörper wohl bald täglich Millionen von user mit. Ist das der technologische Kommunismus, vom dem Robert Kurz einst sprach, oder ist die gesamte telekommunikative Infrastrukturierung spätkapitalistischer Gesellschaften nur die letzte Form einer Explosionskontrolle, die mit dem Beginn der bürgerlichen Gesellschaft, verstanden als Beginn einer Katastrophe resp. einer Verarbeitung von Todesangst, ihren Anfang nahm?; eine letzte Form, nicht die Erde als Raumschiff aufzufassen und dementsprechend zu handeln, und auch nicht ein Raumschiff für die Flucht in den Weltraum zu bauen, sondern mit dem telekommunikativen Vernetzungskörper ein Raumschiff für die unbewohn- und unlebbar gemachte artifizielle Gesellschaft, die vor 10000 Jahren ihren Anlauf nahm (Popitz), konstruiert zu haben, um nun im Information-Zeitschiff vollständig in die Beobachtung zweiter Ordnung aufzugehen und also abgekoppelt zu sein von der Beobachtung erster Ordnung, in der es weiterhin Krieg, Ausbeutung, Überlebensamokläufe, gebrechliche Körper und das allgegenwärtige Sterben gibt? Was das selbsterhaltungsorientierte kalkulierende Bewußtsein mit seinem je-weiligen Körper tat, das wiederholt sich jetzt im Verhältnis der infrastrukturierten Virtualitätskörperschaft mit den noch die räumliche Dimension benutzenden weltlichen Körperschaften namens Menschen, Gesellschaft und Erde. [...]
 

A) Das Negative ist nicht arbeitslos: Vom Schmerz ist auszugehen

Heinrich Klotz, Direktor des Karlsruher Zentrums für Kunst und Medien, sprach vor nicht langer Zeit davon, alle Medien- und sonstigen apokalyptischen Theorien, die in der forcierten Medien-, Bio- und Gentechnolgie den endgültigen Schritt zur Dehumanisierung des Menschen auszumachen meinen, müssten der Scharlatanerie zugeordnet werden: Wenn man sich den Menschen des 20.Jahrhunderts, das wie kein anderes geprägt sei durch gewaltige technologische Einbrüche in die sog. Lebenswelt, anschaue, so stelle man fest, daß er immer noch mit der Gabel sein Essen zu sich nimmt, ins Wirtshaus geht, Geselligkeit sucht, kurz: soziales Wesen geblieben ist, und das durch und durch. Technische und dann sozialtechnische Interventionen in den menschlichen Alltag seien am besten als Applikationen, nicht als Interpenetrationen, und schon gar nicht als Destruktionen zu beschreiben. Es handele sich bei der Ausdifferenzierung der wissenschaftlich-technischen Zivilisation also um Erweiterungsprozesse menschlicher Tätigkeiten, menschlicher Neugierde, Bedürfnisse, Fähigkeiten, die zwar neue und unbekannte Prozesse der Freiheitsgestaltung und der richtigen Distanz- und Selbstreflexionsnahme zu den soziotechnologischen Strukturen in Gang setzte, also zu neuer Dosierung der menschlichen Sinne und des Sinns nötige, keinesfalls aber zu deren Verschwinden, Verlust oder Substituierung beitrage.

Diesem oftmals in leicht erhitzten Diskussionen Schatten spendenden Standpunkt wird im folgenden nicht gefolgt. Er reicht nicht heran an die weiterhin unbeschatteten und aktuellen Gedanken St.Justs, die Georg Büchner ihm in den Mund legte und die bis auf das Wort Geschichte das 20.Jahrhundert eindeutig treffen: "Die Schritte der Menschheit sind langsam, man kann sie nur nach Jahrhunderten zählen; hinter jedem erheben sich die Gräber von Generationen. Das Gelangen zu den einfachsten Erfindungen und Grundsätzen hat Millionen das Leben gekostet, die auf dem Wege starben. Ist es denn nicht einfach, daß zu einer Zeit, wo der Gang der Geschichte rascher ist, auch mehr Menschen außer Atem kommen?" Die folgenden, auf dieser Grundeinschätzung von Technik und Vergesellschaftungsherrschaft bauenden Sätze verhehlen nicht ihren spekulativen Charakter; apokalyptisch sind sie gleichfalls nicht; und auch einer "Heuristik der Furcht" (Hans Jonas) wollen sie nicht dienen. Verpflichtet fühlen sie sich jedoch dem Schmerz und dem Leid der außer Atem Gekommenen, ohne einer Opferbilanzierung das Wort zu reden. Aufzusuchen ist dasjenige, das beim Aufheben, auch beim anspruchsvollen Aufheben der Zeit in der Zeit (Hölderlin), liegenbleibt. Im gesuchten Zentrum stehen die Verhältnisse zwischen Geschichts- und Naturzeit resp. Geschichts- und Verkehrszeit und der Gleichzeitigkeit, das Verhältnis zwischen Naturvergesellschaftung und Körper resp. Tod, das Verhältnis zwischen Idiosynkrasie resp. Immunologie und die als desaströs behauptete geschichtliche Linie der Diskriminante Selbst vs. Fremd, sowie schließlich das Verhältnis zwischen idiosynkratisch werdenden Körpern resp. Personen und der Gen-, Bio- und Medientechnologie.
 

B) Idiosynkrasie

In welchen lebensweltlichen und umgangssprachlichen Zusammenhängen begegnet man (nichtmedizinisch gefassten) Idiosynkrasien? Immer da, wo der soziale Raum geprägt ist durch machtvolle Ordnung, also überall (auch im Traum?). In gesättigter Wohltemperiertheit erscheint gar das Fehlen idiosynkratischer Eigenschaften mangelhaft, wird doch in ihnen eine Art bewahrte Resistenz gesehen, die den Träger ausweist als jemand, der nicht gänzlich aufgegangen ist im Lebens- und Konkurrenzkampf; Macken, Faibles, Eigenheiten, roter Tücher, Absencen gelten gar oft als letzte Auffangstätte eines sich bestätigt wissenden Menschenbildes: Schaut, hier ist jemand Mensch geblieben. Damit scheint aber auch die positive oder negative Bedeutung von Idiosynkrasien (z.B. Altersnarrheit) rigider Regelung unterworfen: wer zu welchem Zeitpunkt welcherart Eigentümlichkeit wie öffentlich machen und Nachsehen, Duldung oder Ausschluß erwarten darf, folgt demnach streng ritualisierten Zuschreibungen, deren Hauptzweck in Banalisierung des überraschenden Idiomatischen, in dessen Integration und also in Behauptung des unangetastet bleibenden nomos zu bestehen scheint. Klar hat zu bleiben, daß das Idiosynkratische in seiner Devianz als vom Nomos gedeckte Abweichung beschreibbar bleibt, als Devianz innerhalb eines Nomos, nicht aber als Devianz des Nomos, und schon gar nicht als Beschreibung eines möglichen Gesetzes der Abweichung. 'Krankheit der Gesunden' - diese nonchalante Umschreibung bringt es auf den Punkt.

Wie wird der Begriff Idiosynkrasie in Schriften gebraucht, die ihn explizit nicht zum Thema haben? Luhmann etwa kommt bei seiner Betrachtung der Subjektphilosophie, die um 1800 zu einer Anthropologisierung des Subjekts führte, also dem Subjekt die Mächtigkeit zusprach, sich selbst zu verallgemeinern, sich selbst zur Menschheit zu bilden, also alle Sozialität im Innenraum des Individuums als Geist vorwegzunehmen, zu folgender Einschätzung: "Die reale Sozialität der Mehrheit von Subjekten gerät von dieser Konstruktion aus in die ambivalente Position, entweder selbst Geist, also Kollektivgeist sein zu müssen, oder dem Individuum, das sich selbst sozialisiert, als äußeren Zwang gegenübertreten zu müssen. Die Möglichkeit, Gemeinschaft einfach durch Weglassen oder Domestikation von individuell-idiosynkratischen Merkmalen zu erreichen, ist in dieser Theorie von der Anlage her verbaut; sie muß dann im individuellen Subjekt als sittliche Forderung an sich selbst rekonstruiert werden: als kategorischer Imperativ." - Es interessiert hier nicht der ordnungstheoretische Zusammenhang, in dem Luhmann der Frage nach sozialer Ordnung nachgeht, sondern allein die Sequenz, in der Idiosynkrasien oppositionell zur Verallgemeinerung, zur Gemeinschaftsbildung gefasst werden, und noch genauer: die Annahme Luhmanns, man könne, um Gemeinschaft zu erreichen, idiosynkratische Merkmale entweder weglassen oder domestizieren. Implizit werden also Idiosynkrasien auf einen Theoriestatus heruntergefahren, der sie nur noch als biographische, mentalitätsbedingte, kulturelle oder gar familiäre Effekte innerhalb von Interaktionen der Lebenswelt ausweist; implizit wird ausgeschlossen, das sie in einem ursächlichen Verhältnis stehen können zur geschichtlich hegemonial gewordenen Übernahme von Imperativen der Zucht und Ordnung durch das Selbst. Habermas geht hier weiter, indem er "Pathologien" der sozialkommunikativen Reproduktion innerhalb der Lebenswelt eindeutig herleitet aus dem Zusammenprall verschiedener Rationalitätsformen, also herleitet aus dem Zusammenprall der Systemimperative mit eigensinnigen kommunikativen Strukturen innerhalb der rationalisierten Lebenswelt. Doch bleiben auch für ihn Pathologien bzw. Idiosynkrasien gegenstandtheoretisch subordinär, da ihr Auftreten zum Teil auf eine falsch gehandhabte bzw. nicht richtig unterschiedene und defizitäre Entfaltung kultureller Rationalität zurückzuführen ist und bei richtiger Realisation der Potentiale kommunikativer Vernunft wohl regredierten. Habermas entwirft bei Leibe kein harmonisches Ensemble aus Lebenswelt und System. Doch er nimmt den Pathologien ihre Eigenständigkeit und ihre schwierige Erklärbarkeit und lagert sie m.E. zu schnell in einem Verweisungszusamenhang ein, der das mögliche Potential von ihnen, nämlich verweisungslos zu sein, aus den Augen verliert.

Wie also soll der Begriff Idiosynkrasie im folgenden verstanden werden? Ich gehe etwas zurück.

Idiosynkrasie, ein Begriff mit sehr langer, fast 2000 jähriger Schriftgeschichte und mit Spuren in so unterschiedlichen Diskursen wie Medizin, Sozialpsychologie und Philosophie, geht aus der sog. Viersäftelehre Galens resp. Hippokrates' hervor. Diese wollte anhand der Säfte (humores) Blut (sanguinisch), Schleim (phlegmatisch), schwarze Galle (melancholisch) und gelbe Galle (cholerisch) und ihrer richtigen Dosierung und Mischung (krasis) im Körper Zustände des Körpers und der Seele auf der Skala gesund - krank erklären. Gesundheit von Körper und Seele bedeutete also richtige Säftemischung (Eukrasie), Krankheit falsche Mischung (Dyskrasie). Konnte ein Zustand weder als krank noch als gesund identifiziert werden, dann lag Idiosynkrasie, also eine eigentümliche Mischung vor. Logisch nahm der Begriff also einen ungewohnten Platz ein, nämlich den ansonsten durch eine Zwei-Seiten-Unterscheidung unbestimmt bleibenden dritten Wert. Heute gilt der zumindest medizinisch kaum mehr gebrauchte Begriff Idiosynkrasie nicht mehr als Bezeichnung oder gar Erklärung eines de facto niemals genau spezifizierbaren Zustandes, also als bestimm- und bezeichenbare Position der Negation von Bestimmung; und auch die humores haben, abgesehen von dem Teilbereich humoraler Immunologie innerhalb der Immunbiologie, weitgehend ausgedient als Referenz der Erklärung von Körper/Seele-Zuständen. Was also früher den Säften in die Schuhe geschoben wurde, deponiert man heute in das große Begriffsgefäß Allergie (resp. Atopie, Antipathie, Anaphylaxie); und Allergien begreift man, allerdings nicht unumstritten, als Defekt oder Fehlleistung des menschlichen Immunsystems. - Soweit scheint das Rätsel Idiosynkrasie - wenn es denn eins war - gelöst. Also setzen hier die im Titel gestellten Fragen an, die, redundanter formuliert, auf folgendes hinauswollen: Sind idiosynkratische Reaktionen, gleich, ob körperlich, psychisch oder gesellschaftlich, Reaktionen eines "Subjekts" oder Trägers, der sich erfolgreich gegen die Dehumanisierung zur Wehr setzt, der also qua zuvorkommender Begegnung (Herbert Neidhöfer) mit Dehumanisation die Wirkmacht derselben für sich neutralisieren oder zumindest noch abwehren kann? Oder sind idiosynkratische Manifestationen der Ausweis dafür, daß das Subjekt schon längst eingefangen wurde durch Konditionierung, Protektionierung, Prokuration, Sozialisation, Zeitökonomie u.a., also durch Dehumanisierung, also pathogene Effekte einer schon passierten Invasion? - Sind Idiosynkrasien also Zeichen eines sich noch Rettenden, oder Zeichen eines schon Kaputten? Ist die Überempfindlichkeit als zuvorkommende Begegung mit dem Angreifer/Aggressor eine Strategie, der (Vernichtungs-) Wucht der (Kampf-) Begegnung zu entgehen?; oder doch vielmehr Nachhall einer schon vor langer Zeit sich ereignet habenden Karambolage zwischen sagen wir körperlichem Subjekt und unkörperlicher Gesellschaft, die eindeutig die Abstraktion als Sieger hat hervorgehen lassen, eine Abstraktion, die von nun an nicht mehr selbst historischen Zeitlimits untersteht, sondern als Matrix aller noch in der Zeit Gestalt werdenen Geschichte fungiert?

Oder, das ist die dritte, orthogonal dazu stehende und unverständlichste Frage: Sind Idiosynkrasien Zeichen eines Einbruchs prohibitiver und invasiver Mechanismen schon dehumanisierter Subjekte resp. ahumaner Systeme? Diese Frage geht also nicht mehr von einer Gegenüberstellbarkeit noch humaner Subjekte und Formen auf der einen und dehumanisierender Formen, Strukturen und Systeme auf der anderen Seite aus, sondern von der Foucaultschen Annahme einer total gewordenen Dehumanisation. Idiosynkrasien wären dann Reaktionen auf die eigene Geschichte der Dehumansierung, Reaktionen auf die Geschichte der Einverleibung von Kontrolle und Exkorporation/Elimination des Unkontrollierten, auf Immunisierung imunisierend einwirkender Reaktionen; und als solcherart Reaktionen dann verstehbar als ex-negativo-Zeichen für etwas im kontrollierten/immunisierten/zugerüsteten Körper (in Psyche, Gesellschaft), das sich nicht mehr als Effekt der Zurichtung, aber auch nicht als Ausweis eines Unbedarften (des Körpers, der Psyche und Gesellschaft) fassen läßt, sondern nur noch fassen läßt als Emergiertes, das das Verhältnis zwischen Kontrolle und Nichtkontrolle, krank und gesund, unmittelbar und mittelbar, gerettet und verloren, geschlossen und offen u.a. zum tanzen bringt. Sie würden ihrer Bestimmung als Platzhalter des Unbestimmten dann Ausdruck verschaffen, der nicht mehr dialektisch rekonstruiert werden könnte. Und also wäre die Kette des bestimmten Ausdrucks der Unbestimmheit durch Idiosynkrasien nicht mehr Derivat des Triumvirats Position - Negation - Negation der Negation, und auch nicht mehr innerhalb des Dreisprungs These - Antithese - Synthese innerhalb der Synthese zu verorten als dasjenige, das als Aufgehobenes einen neuen Dreisprung an den gerade aufgehobenen andocken läßt, in welchem die aufhebende und aufgehobene Synthese als Material für die These innerhalb des neuen Regelkreises geschichtlich verarbeitet werden könnte. Denn Idiosynkrasien sind sowohl zuvorkommend, unmittelbar und doch nicht natürlich, authentisch, als auch durch Kontrolle vermittelt und 'vergiftet' und doch nicht nur das. Aber was sind sie? Nach Kamper und Reck (1996: p231) sind Idiosynkrasien nicht als Phobien, nicht als Neurosen und nicht als Psychosen begreifbar; sie sind, methodologisch betrachtet, überhaupt nur begrifflich zugänglich, indem man ein wesentliches Merkmal von ihnen, ihre zuvorkommende Begegnungskompetenz, mimetisch wiederholt, also versucht, der zuvorkommenden Begegnung in Idiosynkrasien selbst zuvorkommend zu begegnen (dito). Damit erzwingen sie, um von der Theorie als Gegenstand konstruiert werden zu können, von der Theorie selbst einen Grad an Unterordnung unter oder gar Hingabe an seinen Gegenstand, an das Objekt, der in etwa dem Unterdrückungsgrad gleichkommen könnte, dem sich der Körper durch die Abstraktion ausgesetzt, und zwar jahrhundertlang ausgesetzt sah. Ob man damit in den Horizont einzutreten vermag, der von einer unterirdischen Geschichte des Körpers entworfen wurde, oder ob es theoretisch und praktisch Anschluß geben kann an Erträglichkeitskonstrukte (Idiosynkrasien) des mit dem Unerträglichen Theater spielenden Körpers (dito), halte ich für ausgeschlossen. Und zwar (um theoretisch etwas anzuziehen) deswegen, weil ein und sei es in noch so kleinen homöopathischen Dosen eingesetzter Gedanke der Versöhnung zwischen Natur und Gesellschaft (Marcuse) resp. Gesellschaft und Körper nicht der hier im Text präferierten Annahme entgegenkommt, der Annahme nämlich, daß die stabile Form der ménage à trois (Körper, Geist, Gesellschaft) nicht nur temporal bzw. historisch eine intermediäre Form ist, sondern auch material bzw. evolutionär. D.h.: Dieser Zustand der Ungeteiltheit von Körper und Geist (gemeinsamer Träger: Mensch), dieser Zustand der Ungeteiltheit von Natur und Gesellschaft (gemeinsamer Prozeß: Stoffwechsel), und dieser Zustand der Ungeteiltheit von "Individuum" und Gesellschaft (gemeinsamer Horizont: Lebenswelt) sind Gestalten eines vorübergehenden Prozesses von nun reflexiv gewordener Evolution, der ebenfalls vorübergeht. Evolution mutierte Geschichte; Geschichte (Geist und Gesellschaft) kommt an ihre Grenze, den Zeitraum der natürlichen Evolution gemeinsam mit Natur und Körper teilen und sich reproduzieren zu müssen; zugleich kommt Natur und Körper an ihre Grenze, im "alten" Herr-Knecht-Modus (Herrschaft) und Knecht-wird-Herr-Modus (Selbstzucht, Selbstdiziplin) ausgebeutet, deformiert und eliminiert zu werden; Geschichte beginnt, Evolution zu produzieren, nicht verstanden als Bedeutung der Geschichte der Produktion von Welt für die natürliche Evolution des Lebendigen auf der Erde, sondern als radikal anderer Modus der Grundlagen des Selegierens, Variierens und Kondensierens evolutionärer Prozesse; die von Geschichte produzierte Evolution (zweiter Ordnung?) koppelt den Geist, den Körper und die Gesellschaft zunehmend ab vom gemeinsamen Bedingungsensemble der ersten Evolution, und schafft jeweilige, wohl nicht nur operational abgeschlossene "Wohineins", in denen jeweils für sich Körper, Geist und Gesellschaft ihre Selbsterhaltung und Selbstproduktion autopoietisch wiederholen. Geistloser Körper (Kreatur), körperloser Geist (Dämon), menschenfreie Gesellschaft (System), gesellschaftsloser Mensch (Monade) - auf eine Art technologischer Realisation emergenzfähiger "Entmischung" der bis dato evolutions- bzw. geschichtstheoretisch als verwoben und unselbständig beschriebenen Wirklichkeitskomponenten namens Natur, Geist, Körper und Gesellschaft scheint also die Evolution der Evolution, die historische Produktion von Evolution als Fortsetzung der Evolution von Geschichte, hinauszulaufen. Es scheint mir ratsam, hier einen kleinen Exkurs einzuführen.

Das, was hier etwas hilflos als Prozeß der Produktion von Evolution vorgestellt werden soll, ist durchaus einsichtig in einen bestimmten theoretischen Blickfang einzusetzen. Dieser Blick steht vor der Frage des Verhältnisses von Mensch zu Natur und von Mensch zu Mensch zu Natur resp. von Mensch zu Natur zu Mensch. Die jetzige Gesellschaft, also die mit der kapitalistischen Produktionsweise seit grob 250 Jahren existierende, als eine der funktionalen Vergesellschaftung ansehend, und zudem die Genesis ebendieser funktionalen Vergesellschaftung im Ansatzpunkt eines primären gesellschaftlichen Ausbeutungsverhältnisses sehend, dessen Hauptmerkmal im Totalcharakter der Aneignung besteht, liesse sich von der Produktion von Evolution als einer vierten Transformation innerhalb des Aneignungscharakters der Ausbeutung sprechen, nämlich nach der Aneignung des Produktes (Raub), der Aneignung des Produzenten (Sklave, Reichtum) und der Aneignung der Produktion (Wert, Mehrwert) nun, holbrig gesagt, die Aneignung der Negation der Produktionsangewiesenheit der Aneignung für die Schaffung von Wert, also eine erneute Reflexion der Ausbeutung auf sich selbst als Aneignung, die prospektiv zu soetwas wird wie eine Selbstenteignung der Produktionsaneignung qua "Selbstvereignung" eines jeweiligen Produkts als seine eigene Produktion. Ich spule zurück zum Zustand der "einfachen" Beziehung zwischen Menschen, Natur und Menschen als Ausbeutungsverhältnis. Nach Sohn-Rethel (1985; p136) handelt es sich darum, "daß ein menschliches Gemeinwesen sich auf ein anderes menschliches Gemeinwesen in seinem totalen praktischen Verhältnis zur Natur bezieht, und zwar so, daß diese Beziehung ebenso auch das materielle Sein des ersteren betrifft, das nur noch von der Produktion des unterworfenen lebt. Wo bisher also, grundsätzlich gesehen, nur die Praxis menschlicher Gemeinwesen im eigenen Produktionsverhältnis zur Natur bestand, tritt in bezug auf diese Praxis ein Verhältnis zwischen Menschen ein, so daß das praktische Verhältnis zur Natur ebenso einerseits in dies Verhältnis nur noch der Menschen zueinander hineingezogen oder aufgehoben wie andererseits das Verhältnis zwischen den Menschen an das produktive Basisverhältnis zur Natur geheftet und gekettet wird." In diesem Ausbeutungsverhältnis, so Sohn-Rethel weiter (p137), liegt nun "eine Beziehung naturwüchsigen Seins auf naturwüchsiges Sein der Menschen vor [...]. Es vollzieht sich eine Dialektik der Naturwüchsigkeit mit sich selbst [..], jedoch im Modus und nach dem Gesetz ihres Gegensatzes, nämlich des Gegensatzes der Aneignung zur Produktion, des Daseins zur Praxis, deshalb aber als ein Realprozeß, durch den die Inhalte der Naturwüchsigkeit hervorgeholt und erschlossen werden, um den Menschen selbst in den Formen ihres Gegenteils gegenüberzutreten, die menschliche Wirklichkeit also, aber als äußere dingliche Vergegenständlichung einerseits und als bloßes Wesen der Menschen andererseits." In diesem ganzen Prozeß, so der Autor, "ist nichts drin als die natürliche Wirklichkeit, und nicht das mindeste Unwirkliche kommt zu ihr hinzu [...]." Ist dieser hier paraphrasierte Rahmen, innerhalb dessen wir uns heute weiterhin befinden, auch noch rahmensetzend für das, was als Produktion der Evolution etikettiert wurde? Gibt es da nicht einen Sprung im Reflexionsverhältnis, nicht einen Sprung in der Dialektik der Naturwüchsigkeit? Wird nicht durch die "neue" Aneignung der konstitutiv Materie generierenden Strukturen von Materie als Basis für die Produktion von Produkten durch die Produkte selbst der notwendige und zielgerichtete Umweg über die Herrschaftsbeziehung zu anderen Menschen hin zur Ausbeutungsbeziehung zur Natur nun gewissermaßen abgeschafft und im Abgeschafftwerden sichtbar als seinerseits und schon immer rein naturwüchsiges (Herrschafts-)Sein, das als geschichtsmächtiger Realprozeß der Vermittlung des Menschen ebendiesen nun vollends eindampft zur bloßen Kreatur, da nun die Arbeit resp. Praxis übergegangen ist an die aneignungskompatibel gemachte Autopoiesis lebender Materie? Oder ist die Aneignungskompatibilität der Strukturen des Lebenden zur Generierung lebender Materie auch weiterhin unter der wohl avancierten und fortgeschrittenen, aber dennoch weiterhin bloß Produktion als Kategorie im herkömmlichen Sinne aufzufassen, aus der immer noch dialektisch deduzierbar wäre, daß es einen unschliessbaren Widerspruch gibt zwischen dinglicher Daseinsidentität und der wirklichen menschlichen Praxis? Wird letzteres verneint, dann bleibt keine Fläche mehr übrig, auf der eine ernstzunehmende Kritik an der Verdinglichung gemeinsam mit den Sachverhalten der Verdinglichung Platz hätten, ohne daß sie sich durchdringen.

- Deswegen, um auf die ausgehende Frage zurückzukommen, ist das Verhältnis zwischen den Idiosynkrasien und Theorie keins, das der letzteren einen Anschluß an erstere erlauben kann. Das Verhältnis zwischen materiellem Körper und immateriellem Geist ist und ist immer eins des Krieges, des Ausschlusses, des "Es gibt nur einen", des "Einer ist hier zuviel". Es gibt also keine Brücke, auch keine textliche.
 

C) Ein kleiner Exkurs in die Begriffsgeschichte

Der Begriff Idiosynkrasie, oft auch einfach Idiokrasie, ist als Kunstwort schon sehr alt. Nachgewiesen wurde, daß schon in der Antike merkwürdige körperliche Reaktionen einzelner auf ansonsten von der Mehrheit gut vertragene Substanzen unter seinen Bezeichnungs-, wenn nicht Erklärungsumfang fielen. Hans Schadewaldt läßt ihn zum ersten Mal bei Ptolemaios um 100 n.u.Z. nachgewiesen sein. Idiosynkratische Symptome liessen sich schon damals unterscheiden von einfachen Vergiftungen und von en- bzw. epidemischen Krankheiten. D.h.: Wohl ausgehend von Galens Viersäftelehre bis hin zu den sog. Hippokratikern festigte sich ein Bild von Gesundheit als harmonischer Mischung der vier "Kardinalhumores" Blut, Schleim, schwarze und gelbe Galle. War der Zustand des Körpers und die 'seelische' Gestimmheit gut ("gesund"), lag Eukrasie, waren sie hingegen schlecht ("krank"), lag Dyskrasie, waren sie weder eindeutig krank noch gesund, lag Idiosynkrasie vor. Begriffslogisch nahm Idiosynkrasie also wie gesagt einen ungewohnten Platz ein, nämlich den ansonsten durch eine Zwei-Seiten-Unterscheidung unbestimmt bleibenden dritten Wert. Idiosynkratisch waren also all die geringfügig inkommensurablen Mischungen der Säfte (und damit auch eine ebensolche geringfügig unstimmige Mischung der Modi kalt, heiß, feucht, trocken), die keinen Unterschied ums Ganze, wohl aber einen ganzen Unterschied im Singulären ausmachten. - Neben der eher engen medizinischen Umfangslogik meinte der Begriff gleichsam auch einen weitergehenden, sogar anthropologisch orientierten Radius, zumindest aber eine Bedeutung fern ab der angeborenen Empfindlichkeit des Körpers. Spaltungen des Begriffs in Idiosynkrasie vs. Idiosynkrisie resp. Fragen nach der Art der Krasis (Mischung, Vermischung oder einfach Verbindung) sowie parallelgeschaltete, binär werdende Begrifflichkeiten wie Sympathie vs. Antipathie (negative Sympathie) oder auch Idiographie vs. Nomothesie liessen die Frage offen erscheinen, ob Idiosynkrasie eher durch eine endogen (körperlich) oder exogen (umweltlich) zentrierte Beobachtung erfasst werden sollte. Und: In den Blick geriet auch die krankheitsabwehrende, gar immunitätsverstärkende Rolle der Idiosynkrasie. Idiosynkrasien konnten durchaus erwünschte Effekte erzielen, in denen, so H.Schadewaldt, "wir vielleicht den Kern der Immunitätslehren sehen dürfen. Idiosynkrasie konnte nämlich auch [...] eine besondere Giftfestigkeit und das leichtere Überstehen sonst schwerer ablaufender Infektionskrankheiten bedingen. An dieser Stelle sei daran erinnert, daß schon Sextus Empiricus Idiosynkrasie als die Tatsache verstanden hatte, Spinnenbisse besser zu ertragen als das Gros der Mitbürger."

Trotz vielfältiger Versuche, der Idiosynkrasie eine mehr als passende Erklärung anzufertigen (so etwa Johann Georg Zimmermanns Versuch von 1763, Idiosynkrasie auf zu schwache resp. zu unelastische Nervenfasern rückzuführen), blieb diese "Krankheit der Gesunden" eher eine begriffliche Markierung all dessen, was begrifflich nicht so recht markierbar war. Nachdem 1907 Alfred Wolf-Eisner mit seinem Versuch, diesen ältesten allergologischen Begriff mit den neu entdeckten Symptomen der Anaphylaxie, eine Art Überempfindlichkeitsreaktion auf artfremdes Eiweiß, in Verbindung zu bringen, scheiterte, also von der community nicht angenommen wurde, dauerte es nicht mehr lange, bis Paul Kallós 1937 den Begriff historisierte, da seiner Meinung nach die zellständige Antigen-Antikörperreaktion die Basis der Allergie ausmache, nicht aber die komplexen humoralen Vorgänge im Körper, auf die sich die Idiosynkrasie bezieht. In der Folgezeit gab es trotz dessen weitere Vorschläge, daß der Begriff zum Teil nur noch "regional", aber immerhin noch zum allergologischen Repertoire gehöre. So war einmal von einer konstitutionellen Überempfindlichkeit die Rede, ein andermal von einer allergischen Diathese (besondere Bereitschaft des Organismus zu krankhaften Reaktionen); dann wurde vorgeschlagen, Idiosynkrasie auf ungewohnte Arzneimittelreaktionen zu beziehen; und auch eine definitive Unterscheidung zwischen Idiosynkrasie und Allergie - die erste angeboren, die zweite eine erworbene Veränderung der Reaktivität - machte die Runde, in eins mit der glücklosen Unterscheidung von Infektions- und Autoallergie vs. der dann Idiosynkrasie zu nennenden Allergie mit sog. unbelebten Allergenen. Eine erste richtiggehende Entfernung des ursprünglich philosophischen Begriffs aus dem medizinischen Reservat kam auf mit seiner "Vernahung" an resp. Versenkung in den Begriff der Antipathie, ein ursprünglich medizinischer Terminus, der dann ins Psychologische abwanderte. Bis hin zum Radiergummireiben wurden nun exogene Phänomene verantwortlich gemacht für antipathische Reaktionen (etwa Gänsehaut), sodaß nun die reine endogene, intrinsische, humorale und somatisch "Quelle" idiosynkratischer Erscheinungen nun nach außen bzw. ins Verhältnis zur Welt verlegt wurde.

Heutzutage steht fest, daß Idiosynkrasie nicht auf einer quantitativ zu verstehenden Überempfindlichkeit, sondern auf einer Andersempfindlichkeit beruht; denn anders müßte man erwarten, "daß für das Manifestwerden allergisch bedingter Krankheiten nur die Reizschwelle, nicht jedoch die Antigen-Antikörperreaktion mit ihrer konsekutiven Wirkstoff-Freisetzung und deren Auswirkung am Histion entscheidend sei." Und man müsste zudem annehmen, daß es auch eine Art Normalempfindlichkeit gegenüber allergisierenden Substanzen gebe, die ihr Allergisieren kraft zu geringer Quantität nicht zum Einsatz bringen können. Dem gegenüber scheint Idiosynkrasie kein Effekt einer Art Überdosis bestimmter Substanzen zu sein, sondern eine bestimmte und eigenartige somatische Reaktionssequenz auf ebendiese Substanzen (Reaktion des Organismus auf bestimmte Antigene). Damit steht auch wieder zur Debatte, ob ein Körper allergisch werden kann (die sog. zweite Berührung mit bestimmten Antigenen), oder dies schon immer ist.

Hans Schadewaldt schliesst seinen Beitrag, dem das Vorstehende entnommen wurde, mit folgenden Sätzen: "Während bei einer Reihe von allergischen Krankheiten in der Tat sinnvolle Abwehrreaktionen beobachtet werden können, sind andere weniger günstig und führen zu schweren bis lebensgefährlichen Zwischenfällen. So kann aus einem anfänglich heilsamen Prozeß ein zerstörerischer 'Circulus vitiosus' werden, und für das allergische Geschehen im allgemeinen gilt wohl nach wie vor das Wort, das 1937 einer der besten Kenner dieser Materie, Kallós, ausgesprochen hat, als er die allergische Reaktion als 'eine Fehlleistung eines an sich nützlichen Abwehrmechanismus' bezeichnete."
 

D) Nochmals: Der Ausgang

Im Buch "Fräulein Smillas Gespür für Schnee" von Peter Hoeg fragt das Kind Jesaja Smilla, ob sie beide wieder zurück nach Grönland fahren können. In der Hörspielfassung des Romans antwortet Smilla: 'Nein, können wir nicht. Grönland ist kaputt'. Im Buch erwidert Jesaja daraufhin: "Aber wir können was über Grönland lesen." - Man kommt nicht mehr zum Kaputten, zum Vernichteten durch; aber man kann darüber lesen, sich Gedanken machen, reflektieren. Dabei ist dies Nachdenken schon lange kein Nachtflug der Eule mehr, sondern eher ein Straucheln des Aas-Geiers, der, weil er nur noch Aas herumliegen sieht, Identitätsprobleme mit seiner sonst pejorativen Rollenzuschreibung bekommt und sich plötzlich als As mißversteht.

Ausgangssubjekt im Folgenden ist die Idiosynkrasie, sowohl verstanden im medizinischen wie im weitgesinnten philosophischen Duktus. Idiosynkrasien sind sich unbeeinflußbar ergebende Reaktionen des Körpers oder der Psyche auf Stoffe, Sachverhalte, Dinge oder auch Menschen, die eine abstoßende, abwehrende Wirkung und damit Inkommensurabilität anzeigt. Vorausgesetzt ist dabei eine Diskriminierungsfähigkeit, zwischen dem Selbst und dem Fremden zu unterscheiden. Unterscheidungseinbrüche des (biologischen) Immunsystems, also Autoimmunreaktionen resp. Autoagressivität der weißen Blutkörperchen, werden in der Immunologie noch als Irrtum oder Fehler statuiert. Hier im Text soll versucht werden, Idiosynkrasien auch zu verstehen als Reaktion auf das Immunsystem als dem Fremden gehörig, d.h. Idiosynkrasien als Reaktionen zu verstehen auf das eigene, im eigenen Körper Fremdkörper gewordene Immunsystem, das seinerseits den eigenen Körper vermehrt als Fremdkörper zu sondieren beginnt.

Ausgangsobjekt ist die Annahme eines Strukturwandels der Organisation von Zeit in der Gesellschaft. Angenommen wird, daß eine der Abstraktifizierung und Homogenisierung von Gesellschaft adäquate synchronisierte Zeit des Verkehrs, des Verbindens, des Anschliessens und Ausschliessens abgelöst zu werden beginnt durch eine organisierte Gleichzeitigkeit verschiedener sektoral synchronisierter Zeiten. Als Ausgangslage, Weltbild, Denkungsart oder als Kontext wird Welt, Gesellschaft und Mensch begriffen als durchdrungen vom kapitalistischen "Prinzip" der Produktion, Reproduktion und Destruktion von Materie, Energie, Informationen und Menschen. D.h.: Die Tatsache kapitalistisch hegemonalisierter Formen der Selbsterhaltung ist das hervorstechende Merkmal zur passenden Beschreibung eines Sachverhalts, einer Kultur, einer Kommunikation, einer Katastrophe. Versuchte man zum Beispiel die Gentechnik, die Sinnkrise, die Einsamkeit, den Neofaschismus u.a. zu erklären, ohne dabei auf die Ausdifferenziertheit kapitalistischer Formprinzipien zu rekurrieren, so würde man das zu Erklärende begrifflich verpassen. Eine gewisse Monokultur der Ableitung wird dabei theoretisch in Kauf genommen. Der Kontext resp. die Ausgangslage des Folgenden ist nun vielleicht so formulierbar: Das kapitalistische, vor Verwertungshunger rasend gewordene System beginnt am eigenen Fleisch zu fressen; die Zeit zur Ökonomie ist übergegangen in eine Ökonomie der Zeit, diese wird übergehen in eine Ökoanomie der Gleichzeitigkeit; Schritt für Schritt "breiten sich Armut, Verelendung und Verwahrlosung gleichmässig über den gesamten negativ gleichzeitig gemachten Erdball aus": "Am Ende wird in allen Ländern gleichzeitig Erste Welt (Produktivitäts- und Beschäftigungsinseln), Zweite Welt (staatsterroristische Notstandsverwaltung) und Dritte Welt (Verslumung der Mehrheit geben)." Zugleich wird mit der virtuell bereitgestellten Welt bzw. mit den in ihr gleichzeitig passierenden Vorgängen ein Versuch gestartet, die von der Lebenszeit unmöglich erreichbare Weltzeit über den Umweg der Gleichzeitigkeit der Lebenszeit zugänglich zu machen, allerdings um den Preis der Digitalität.

Als Ausgangsthema steht an, Idiosynkrasien begrifflich/theoretisch in ein zumindest plausibles Verhältnis zu setzen zum Wechsel der Zeitorganisation, etwa im Sinne eines Bedingungsverhältnisses: je mehr Handlungs-, Bewußtseins- und Gesellschaftsaktome von Gleichzeitigkeit ausgehend passieren, desto mehr Idiosynkrasien, also ungedeckte, nicht mehr gebündelte (fascio), unzuordbare, letztlich unkontrollier- und unverstehbare "Daseinskompositionen" und Mischungen von soziokulturellen Emissionen passieren. Oder anders: Durch die hier behauptete Bewegung der Inklusion bisher ausgeschlossener unkontrollierter Zeit (Fremdkörper, das Fremde, Mikroorganismen) in das System der Reproduktion von Systemen entzünden sich eigentümliche Reaktionen nicht mehr an mangelhafter Immunisierung nichteigener Substanzen, sondern an der Nichteigen-Werdung des eigenen, über Jahrtausende zu paranoider Wachsamkeit getrimmten Immunsystems.

Schließlich ist noch dasjenige zu benennen, in das hinein der Ausgang führt: Es ist Frage, ob Idiosynkrasien, verstanden als Abwehr der eigenen Abwehr (Autoimmunität), verstanden werden können als Zeichen des menschlichen Körpers, die darauf verweisen, daß mit der neuen Abstandmöglichkeit, die die Gen- und Biotechnik, aber auch die biologische Kybernetik mit der Einsicht gegeben haben, daß der Körper keine besondere und also notwendige Materie für (menschliches) Leben ist, sondern nur eine mögliche spezifische Organisation von Materie, a) der Körper sich selbst verlassen will (als Mutationsbedarf des Körpers, der nicht mehr evolutiv, sondern nur produktiv zu bewerkstelligen ist qua Technik), oder b) mit Selbstdestruktion darauf hinweist, weiterhin in seiner gewohnten, nun wohl mehr als 50 000 jährigen Form am Leben bleiben zu wollen.
 

E) Die Thesen
 

  1. Seitdem es plausibel wurde, innerhalb der Evolution (von Lebendigkeiten) zwischen phylogenetischen und ontogenetischen Prozessen, d.h. zwischen Mikro- und Makroentitäten, zu unterscheiden, ist die Frage nach den notwendigen und hinreichenden Bedingungen für Leben nicht mehr eindeutig zu beantworten. Wenn Wirklichkeit als Substantivierung von Wirksamkeit aufgefasst werden kann, und Wirksamkeit für den Bereich des Lebens bedeutet, am Leben zu bleiben, und diese Lebenserhaltung als Funktionieren beschrieben werden darf, das wiederum nichts anders bedeutet als: nicht eliminiert zu werden, also bis auf weiteres viabel zu sein, dann bedeutet dies, daß aus einer ontogentischen Perspektive heraus Aktivitäten, Verhaltensweisen, Daseinsemissionen durchaus unwirksam und dysfunktional sein können, ohne den Tod des Lebendigen im Gefolge zu haben. Also kurz: Wirksame Operationen des Lebendigen führen zur Viabilität desselben, aber unwirksame (unwirkliche) Operationen des Lebendigen nicht immer, zumindest nicht logisch, zum Tod der lebenden Körperschaft. Dementsprechend kann kein Lebendiges Auskunft geben über notwendige und hinreichende Bedingungen seiner Viablilität, so wie das Gestorbene sich nur daraufhin analysieren läßt, warum es nicht viabel geblieben ist. Es bleiben also nur negative Aussagen möglich, um das Phänomen Leben in seinen notwendigen und hinreichenden Bedingungen zu beschreiben (nichts anderes meint der Satz, daß das Leben, etwa im Gegensatz zur Maschine, nicht diskret sei). Und: Die Umwelt des Lebendigen kann bestenfalls fürs Aussterben, nicht aber fürs Überleben verantwortlich gemacht werden. - Dieser strikten Verteilung der Verantwortlichkeit von Viabilität und Mortalität, dieser Ausrichtung auf die Umwelt als das, was die Viabilität angreift, und auf den eigenen Körper, der sich selbst um sein Überleben zu kümmern hat, entspricht das Immunsystem, das, wie bekannt, ohne Kognition, ohne Umweltkenntnis, ohne Analyse der "Störfaktoren" operiert, sondern mit einer einfachen Diskrimination Freund/Feind resp. zum Körper gehörend/ nicht zum Körper gehörend. Dabei verblüfft, daß das Immunsystem nicht nur in der Lage ist, jedes vorhandene Antigen auf der Erde Molekül für Molekül zu identifizieren, sondern auch jedes zukünftige Antigen: Sollte, so Robert S.Desowitz (1988, p48), in 10000 Jahren ein völlig neuer mirkobieller Krankheitserreger auftreten, so wäre das Immunsystem auch darauf schon vorbereitet; jegliches potentielle Antigen ist schon latent im Immunsystem eingeschrieben. Das kann man nicht mehr nur evolutionstheoretisch erklären. Vielleicht transzendentaltheoretisch? - Jedenfalls ist das Immunsystem Reaktion darauf, daß die Existenz eines grenzenziehenden Selbst aufruht auf einer niemals einsehbaren und niemals abstellbaren Vermischung des Selbst mit Fremden (Umwelt, Mikroorganismen, Viren), aufruht auf Stoffwechsel, besser gesagt: aufruht auf einen notwendigen Austausch mit "Nicht-Selbem", aufruht auf: Unselb-ständigkeit und also auf der Unmöglichkeit, sich vollständig abzugrenzen. Andererseits ist die Geschichte der Artifizialität des Menschen eindeutig Fingerzeig darauf, daß menschliche Gesellschaften ihre Reproduktion methodisch der der Viren anzugleichen suchen; Viren haben keinen Stoffwechselapparat, dafür aber ein virales DNS- oder RNS-Genom, das den Stoffwechsel der Wirtszelle anweist, es zu replizieren. Replizierte Viren bedeuten logisch immer den Tod der Wirtszelle. - Mit dieser behaupteten Assimilation gesellschaftlicher Reproduktion ans Prinzip der Virenreproduktion ginge ein "Formprinzip" funktionaler Vergesellschaftung zu Ende, das Sohn-Rethel genetisch ansetzt in einem Geschehen, in welchem ein naturwüchsiges Gemeinwesen "ein anderes unterwirft, um seine Existenz auf die Arbeitsüberschüsse des unterworfenen zu gründen. Dieses Verhältnis nennen wir das der 'primären gesellschaftlichen Ausbeutung'. Das entscheidende Merkmal davon ist, daß das erobernde Gemeinwesen das besiegte nicht zerstört, [...] sondern daß es das unterworfene Gemeinwesen, zum mindesten als Produktionsorganismus, vielmehr erhält [...]" (1985: p45). Gleichsam auf der Kippe scheint der Ausbeutung agens-Status gebende Satz zu stehen, dem zufolge diese primäre Ausbeutung in allen weiteren Formen und Wandlungen der Reflexion ihr mit ihr sich wandelnder materieller Inhalt bleibt (dito, p47). Ausbeutung war die mehrere 1000 Jahre andauernde Inkubationszeit des arbeitenden Menschen im Stoffwechsel mit Natur und im Geldwechsel mit Menschen; nun, so die These, bricht die gattungsgeschichtlich als Telos ausmachbare Arbeit einer Exkorporation des Todes zusammen und entläßt einen allgegenwärtig inkorporierten Tod, der (dialektisch?) im gleichen Maße wuchs, wie Anstrengungen unternommen wurden, ihn aus dem Gesichtfeld der Menschen zu entfernen.
  2. Diese Ungewissheit oder dieser "Sterneffekt" des Lebens (Sterne können noch als leuchtend gesichtet werden, wenngleich sie schon längst erloschen sind; ihre beobachtbare Scheinexistenz ist reines Produkt der Zeit) wird für das menschliche Leben besonders virulent, als der Mensch aufbrach in das, was Heinrich Popitz die artifizielle Gesellschaft nennt und vor ungefähr 10 000 Jahren beginnen läßt. Die nachträgliche Gerichtetheit dieses Aufbaus einer artifiziellen Gesellschaft kann in der Produktion von zunehmender Unabhängigkeit der menschlichen Selbsterhaltung von unmittelbaren, notwendigen, den Menschen nur Reagieren lassenden Zwängen des ökologischen Environment gesehen werden. Reduktion der Macht, Unvorhersehbarkeit und Grausamkeit von Natur auf die einfache Abhängigkeit des Menschen von einem kontinuierlichen Stoffwechsel energetisch-materieller Art; Domestizierung der fremden Natur durch ihre Inklusion in die eigene Selbsterhaltung (prominentes Beispiel: der neolithische Ackerbau: Aneignung der natürlichen Wachstumszeit durch geplanten Ackerbau), kurz: Sicherheitsproduktion durch Ausweitung des Selbst (Gehlen) resp. Entfernung des Fremden aus dem zentralen Blickfeld der Daseinssorge wiederholten schliesslich den Diskriminierungsmodus des Immunsystems für den neu entstandenden "Körper" namens Gesellschaft, a) nur noch das als erhaltend anzusehen, was intern und selbst produziert und synthetisiert wurde, und b) das Nicht-Gesellschaftliche als a priori feindlich resp. als noch nicht zum Erhalt des eigenen Selbst instrumentalisiert (erkannt) anzusehen.
  3. Die Entwicklung geschichtlicher Gesellschaft bestand wesentlich darin, immer mehr Umwege in Kauf zu nehmen, um das zu erreichen, was gewollt oder nötig war. Mit Übergang der Technik von Instrument zu Werkzeug wurden die Vermittlungen vielfältiger und komplexer. Man produzierte Mittel für Mittel für Mittel... für Zwecke, die ihrerseits wieder als Mittel für Zwecke eingesetzt wurden. Die zunehmende Angewiesenheit einzelner Handlungen, Ereignisse und Menschen auf ein sie zusammenbindendes und auch zusammenhaltendes Ziel erforderte es, dem vielfältig, disparat und zudem gleichzeitig Passierenden außerhalb der konkreten Gegenwart eine einheitverbürgende Gestalt zu geben. Für die Technik wurde dies der Plan, für die produzierende Gesellschaft die zukünftige Zeit. Die beginnende Vergesellschaftung des Sich-Ernährens, Sich-Wärmens, Sich-Sozialisierens, Sich-Bildens, Sich-Erhaltens und Sich-Schaffens umfasste eine Masse an zu koordinierenden Parametern, die nicht mehr in der gegenwärtigen Zeit zu organisieren war: Erwartungs-, Antizipationshorizonte mussten an den Erfahrungsraum "angebaut" werden, da die Bewirtschaftung der nun gesellschaftlichen Daseinssorge nicht mehr ohne Bewirtschaftung und Rationalisierung von Zeit möglich war. Dabei geht die Abstraktion/Reduktion unendlich vieler verschiedener Zeiten und Zeitrythmen auf ihre Uhr-Zeit-Kompatibilität in eins mit der Abstraktion raumausfüllenden (Welt-)Materials auf analyse- und synthesefähige Bestandteile; Verläßtlichkeit der Zeit und Verläßlichkeit kontrollierter Welt bedingen sich. [...]

F) Die großen Begriffe

Eine wesentliche Rolle spielen die in Skizzenhaft einsitzenden Begriffe Tod, Zeit, Geschichte, Sicherheit, Selbst, Fremd und Körper. Ein jeder von ihnen hat einen begrifflichen Umfang inne, der es erlaubt, den Prozeß der Zivilisierung, der Zurichtung, der Vergesellschaftung des Menschen plausibel auf nur einen von ihnen zu focussieren. Auf die Frage, was denn in den letzten 10 000 (Beginn: Agrikultur) oder auch nur 5000 (Beginn: Städtebau) oder auch nur fast 400 Jahren (Beginn: Verwissenschaftlichung der Naturaneignung) passierte und warum es passierte - man kann auch andere denn diese technikanthropologische Einschnittkette wählen -, liessen also die jeweiligen Begriffe recht plausibel Antwort geben. Der Tod etwa (neben der Sexualität) könnte herhalten als der heimliche Antreiber der Manifestationswut des Menschen, stabile Grenzen zwischen seiner Kultur und der äußeren und inneren Natur zu ziehen, da der Tod immer wieder als die nicht in den Griff zu bekommende "Natur sich offenbar bruchlos in die Kultur hinein verlängerte", also auch bei kaum mehr nachvollziehbarer Exkorporation des Todes den Einzelnen immer als skandalöses, einen Unterschied ums Ganze machendes Fatum aufsuchte. Tod also als die dem reflexiv und produktiv werdenden Menschen sich immer wieder verschiebende Lücke, die seinem Zwang zur Vollständigkeit immer wieder den wesentlichen Mangel bescherte, nämlich: daß der Tod vom Leben nicht eingeholt werden kann.

Auch vom Begriff der Zeit aus wäre etwa eine Rekonstruktion der Vergesellschaftung von Natur und der Kultur der Vergesellschaftung schreibbar. Die Menge solcherart geschriebener Rekonstruktionen spricht für sich und zugleich aus, daß Zeit als theoretisches Orientierungskonzept als auch als ganz praktisches, sozialtechnologisch gestaltbares Mittel der Monitor schlechthin bleibt, auf dem der unsichtbare Hiatus zwischen Naturzeit ("vorher vs. nachher") und Geschichtszeit ("früher vs. später" resp. zu früh und zu spät) ausgetragen und damit ans Selbstverständnis der Gattung Mensch gerührt wird. Das Rätselhafte, Grausame und doch noch Hoffnungmachende der Zeitigkeit jedenfalls stellt sich retrospektiv so dar, als sei es die Zeit gewesen und nicht das Feuer, das der Mensch von Prometheus erhielt.

Die Anstrengungen, Manifestationen und Produktionen des Menschen der letzten 10000 oder auch 30000 Jahren können auch daraufhin bezogen werden, sich immer unabhängiger zu machen von ökologischer Deixis, von räumlicher Beschränktheit, von der dem Erfolg des Tages überlassenden Befriedigung seiner Bedürfnisse, also von sein Verhalten und Handeln unmittelbar durchziehender Sorge. Die Geschichte menschlicher Gesellschaft wäre also plausibel erzählbar als Geschichte der Vervollständigung der cura durch Negativierung resp. Negierung, durch das se(-cura). Ohne Sorge zu sein in der Dimension der materiellen Reproduktion des eigenen Lebens erwies sich jedoch als Utopie; bestenfalls wurde unmittelbares Sorgen übersetzt in mittelbares, also Sorge um die Bedingungen der Vorsorge.

Für einen geschichtlich schmaleren Zeitraum liesse sich gleichfalls die menschliche Zivilisierung in den Blick nehmen anhand der Konstitution des Trennverhältnisses Selbst vs. Nicht-Selbst, die nicht unplausibel eng verzahnt ist mit der im Abendland und wohl von Griechenland ausgehenden Verstofflichung des Logos resp. logischer Prinzipien. Die im zweiwertigen Denken zur Gewohnheit werdende Verknappung der (logischen) Möglichkeiten von Existenzen (Positionen) führte zur Berechtigung nur einer Existenzstelle (ja, richtig, wahr) und zudem zum Ausschluß dritter und vierter Existenzwerte; sobald zwei Existenzmöglichkeiten in Beziehung gesetzt, also in einer Unterscheidung untergebracht wurden, konnte das Verhältnis nicht anders als agonal resp. eliminierend (bestenfalls repotenzierend) ausfallen, da immer nur ein Platz frei war. Die damit mögliche und später zwingende Eindeutigkeit der Besetzung von Realität mit Zeichen, Werten, Positionen, Existenzen und Wirklichkeiten habitualisierte ein grundlegendes design der Beziehung zwischen Subjekt-Subjekt und Subjekt-Objekt, das den jeweils anderen Beziehungspart nur unter dem Aspekt der Gefährdung der eigenen Position oder unter dem des Verlustes von Zuwachs und Erweiterung der eigenen Position wahrzunehmen zwang. Alter wurde nur noch identifizierbar als Einschränkung von ego, da die Struktur der Beziehung als Kriterium der erfolgreichen Durchführung der Beziehung logischerweise nur einen Wert übrig lassen konnte.

Schließlich ließe sich der Aufbruch des Menschen in die artifizielle Gesellschaft vom Körper aus betrachten. Er besaß schon früh einen privilegierten Status innerhalb der Gegenstände der Welt, der sich der Anmaßung des Bewußtseins verdankte, daß der Körper ihm gehöre. Der Skandal, daß Körper aus sich heraus die Evidenz ihrer Existenz besitzen, also selbständiges Sein sind, der Geist jedoch durch immanenten Existenzbeweis seiner selbst noch mehr Ungewißheit produziert, und der Skandal, daß endliche Körper der einzige Aufenthaltsort des unendlichen Geistes sind, könnte z.T. den Fanatismus der instrumentellen Vernunft erklären, sich am Körper zu rächen, indem er ihn mitnahm und auf die Probe stellte in einer von den Regeln des Geistes ausgehenden künstlichen Welt, deren Fassungen von Zeitlichkeit, Dauer, Konzentration sich nicht an die körperlichen Limits ausrichtete, sondern für die Sinne Maßstab wurden. Der Körper ist der Neandertaler, den der Geist gezwungenermaßen hat mitnehmen müssen auf seine Zeitreise, deren Ziel im Bild einer Wirklichkeit, die als abstrakte nicht mehr auf die Körperlichkeit des Körper Rücksicht zu nehmen braucht, gefasst werden kann und durch Verwirklichung ebendieses Bildes als wirkliche Wirklichkeit wohl auch in Angriff genommen wird.

Hier im Text wird versucht, eine andere andere Focussierung plausibel zu machen. Es geht nicht mehr primär darum zu erzählen, wie die Versuche aussahen, die den Tod, die Zeit, die Geschichte, das Selbst, den Körper in Griff und in den Begriff zu bekommen suchten, sondern wie der aus diesen vielfältigen Versuchen emergierte Ausgriff aussieht, der die Wirklichkeit der Realität zu fassen versucht. Als theoretische Vorausetzungen dieser Perspektive wird davon ausgegangen, daß der Imaginationsmacht und der Irreversibilität des Todes qua technischer Generierung von Leben imaginär der Garaus gemacht wird (bisher hat es nur der Krebs geschafft, potentiell unsterblich sein zu können); daß Zeit endlich in den Modus der Gleichzeitigkeit evakuiert wird; daß Geschichte endlich eine noch unabsehbare Verkehrszeit, also operationale Schicht, ein Schichten (und nicht mehr ein Schicken), eine Ablagerung wird; daß Sicherheit sich nur noch in Zeichen der Gefahrenabwehr erschöpft, nicht mehr aber den Status der Selbstverständlichkeit erreicht; daß das Selbst als Horizont der Leere sich deformiert hat in ein anspruchsloseres Nichts; daß das Fremde so vollständig ausgemerzt wurde, daß jegliche hermetische Selbstbegegnung in sich vertikal die Funktion der Unabgeschlossenheit und Unvollständigkeit, die das Fremde bisher vertrat, automatisch wiederholt; und daß der Körper in dem Moment, wo neben der geistigen, kulturellen, sozialen und psychischen Konditionierung/Gestaltung nun auch die materielle Basis seines Leibes der Produktion zugänglich ist, seinen Besitzstand, also seine Form als Körper, zu verteidigen resp. loszuwerden sucht.
 

G) Der evolutionstheoretische Rahmen

Menschen sind nicht nur die beim jetzigen Stand des Wissens einzigen Lebewesen, die sich mehr schlecht als recht selbst verstehen können; sie verstehen sich auch, mal kosmologisch, mal evolutionstheoretisch, mal philosophisch, als die letzten entstandenen Lebewesen eines im strengen Sinne noch nicht verstandenen Ereignisses, das kryptisch als Einmalerfindung von Leben durch Evolution markiert wird. Spätestens in der Tier-Mensch-Übergangsfeldzeit resp. im Übergang vom Hominiden zum homo sapiens muß die Gewißheit potentiell evident geworden sein, daß zwar auch weiterhin der Mensch wie alle anderen Lebewesen gekettet ist am Leben, verstanden als Daseinsweise der Eiweißkörper, die im fortwährenden Stoff- und Energiewechsel mit spezifisch äußerer Natur sich befinden; daß aber in der Art der Menschen, diesen fortwährenden Stoffwechsel des Lebens in seinen Bedingungen zur Ermöglichung zu bewerkstelligen, eine unvergleichbare Einzigartigkeit statthatte, die es nicht mehr erlaubte, den Menschen ausschließlich als Lebewesen, wenngleich weiterhin wie alles Lebende der Lebenserhaltung verpflichtet, zu identifizieren. Die Eröffnung von Wirklichkeitstableaus soziierender und arbeitsteiliger Art, um die jeweilig eigene Lebenserhaltung erfolgen zu lassen, gibt es zwar auch bei tierischem Leben. So weit wir wissen jedoch nur in einem instinktiv regulierten Variationsrahmen, der alle Tätigkeiten und Verhaltensweisen von Tieren innerhalb der nicht mehr unmittelbaren Lebenserhaltung als qualitativ lern- und emergenzresistent ausweist. Nur dem Menschen scheint es gegeben, die Anstrengungen und Tätigkeiten des Überlebens, die Unmittelbarkeit von Mittel-Zweckfolgen, die Handlungsketten, die Reiz und Reaktion, Problem und Lösung binden, zeitlich, räumlich, sächlich und sozial 'auseinanderzuziehen'; nur dem Menschen scheint es gegeben zu sein, Mittel zur Bewältigung seiner durchs Hier und Jetzt, durchs Klima, also durchs Gegebene bedingten Existenz aus anderen denn nur gegebenen, geworfenen natürlichen Realitäten zu beziehen; und zwar aus den entstehenden Realitäten planvoll erzeugter Wirklichkeiten. Die Auslastung von Sprache, Zeit, Arbeit und Herrschaft schuf einen Stoffwechsel mit der Natur, der auf der anderen Seite nicht mehr nur den lebenden Eiweißkörper Mensch, sondern eine soziokulturelle und arbeitende Körperschaft als Austauschpol nötig machte. Diese neu entstandene und bis heute noch in den gleichen Grundkomponenten sich reproduzierende körpergesellende Gesellschaft, als neues und auch bis heute noch nicht verstandenes Geschöpf resp. nicht verstandene Gestalt bis ins 16.Jahrhundert hinein auf religiöse, kosmologische oder sonstige Protektion angewiesen, entdeckte sehr schnell, daß der eigentliche Kampf ums Überleben nicht mehr innerhalb der Natur stattfindet, sondern mit der Natur. Dieses neue, transformierte Wirklichkeitverhältnis zur Natur war nur möglich, indem die zunehmenden soziokulturellen und sozioökonomischen Objektivationen des sich vergesellschaftenden Menschen nicht mehr als Emanationen des agens Natur, sondern als Geschaffenes der geistigen Natur eingeordnet wurden. Noch lehnte man sich zur Beschreibung, zur Fassung dieser Entität namens geistige Natur stark an die physische an, vorallem in den Ausprägungen der Mächtig- und Grausamkeit; und noch verstand man sich nicht als das selbst nicht mehr durch Vergleich mit einem oder Subsumption unter ein Erkärendes Erklärbare, sondern hatte noch qua Installation göttlicher Mächte die Sicherheit, im Dasein erklärt werden zu können. Aber auch diese naturtheoretischen und kosmotheologischen Versuche, dem Menschen doch noch den Status eines Adressaten und Empfängers, den Status des Bekanntseins, Gewußtseins, Bewußtseins und Geschöpftseins durch etwas anderes als der Menschengattung Zugehöriges zu lassen, waren wohl schon getrieben durch die untergründig vibrierende kalte Einsicht, daß die geistige Natur der menschlichen Natur nicht mehr in die physische Natur untergebracht werden konnte; als einzige und singuläre Entität ragt sie hinein in eine Dimension des nun Existenz gewordenen Daseins, und stellt fest: Sie ist allein auf der Erde (und, nach gut 10 000 Jahren Verweltlichung der Erde kann man das sagen: sie ist nur noch in der durch sie überfüllten Welt). Die geistige Natur des Menschen, auch als Kultur, wissenschaftlich-technologische zweite Natur oder schlicht Zivilisation im Umlauf, kommt seitdem nicht mehr von der zwangsläufig durch Einbildung produzierten Selbstbeschreibung weg, zwar Resultat evolutionierender Prozesse der Natur, doch gleichsam mit einer Konstitution auf den Weg geschickt worden zu sein, die definitiv nicht mehr von der natürlichen Latenz-Manifest-Transformation der Evolution gedeckt wird, sondern als Aufgabe dem Evolvierten selbst übergeben wurde (und dann, alternierend, einmal mit Mangel, einmal mit Freiheit etikettiert zu werden pflegt). Diese von mir unterstellte untergründige Erfahrung des Menschen als Gattungslebewesen, nicht mehr hegemonial in etwas hinein aufgehoben oder geworfen zu sein, sondern zunehmend hegemonial zu sein im Aufheben und Entwerfen von/seines "sich" durch Produktion seines Hintergrundes, Rahmens, Horizonts, seiner Welt, seines "Hinein"; diese Erfahrung also, die bis heute anhaltend das Tun und Lassen der abstrakten Gesellschaften, wie vermittelt auch immer, durchzieht, mußte das Verhältnis Geist vs. Körper unausweichlich als asymmetrisch, mirakulös und letztlich als feindlich (von beiden Seiten aus; auch der Körper ist "Täter") strukturieren.

Der Mensch ist als Organismus, als lebende Materie natürlich Teil der Natur. Andererseits hat er sich via Technik (und Gesellschaftlichkeit) Fähigkeiten angeeignet, die in streckenweise unendlich potenzierter Weise Natürlichkeiten übersteigen. So gibt es etwa viele Tiere, die sehr gut, weit besser sehen als der Mensch. Kein natürliches Wesen aber sieht, was natürlicherweise unsichtbar ist (resp. eine den Sinnen unzugängliche Frequenz besitzt). Der Mensch hat dafür unter anderem das Mikroskop, das Teleskop, das Röntgenstrahlgerät erfunden (neuerdings holographische Interferometrie-Kameras: Hologramme mit dem Auflösevermögen bis zu 2,8 tausendstel Millimeter; Spiegel 13/1997, p186). Im Vergleich erscheint das, was die natürliche Evolution realisiert hat, geradezu nur als ein Tropfen auf ihren eigenen heissen Stein der Potentialität. Da das, was der Mensch mittels solcherart Technik zuwege bringt, tatsächlich operational funktioniert, muß es von der natürlichen Materie irgendwie gedeckt sein, also als mögliche Potenz schon vorhanden gewesen sein: Technik muß zwar nicht mit der Physik der Natur der Erde übereinstimmen, doch sie muß zumindest passen. Die Natur läßt Technik gewähren, läßt sie funktionieren: und solange Technik funktioniert, muß Technik zumindest auch als in einem natürlichen Raum befindlich gedacht werden. - Nun erfährt der Mensch qua höchstsynthetischer Artefakte, die natürlich Sinne kopieren (sehen, hören, fühlen), die Armseligkeit natürlicher Natur, auch seiner eigenen, natürlich sterblichen. Gleichzeitig aber muß er immer noch erschauern über ein umgekehrtes Verhältnis, denn: Im Vergleich zu der Komplexheit, der Kreativität der Natur und der Körper ist seine Kultur der Technik mehr als nur armselig. Allein der Körper eines Menschen, aus mehr als 10 Billionen Zellen bestehend, teilt und erneuert täglich millionenfach Zellen mit solch einer Präzision; allein die ca. 1500 Regelkreise im Körper, die alle gleichzeitig und doch synchronisiert ablaufen; allein das menschliche Gehirn mit seinen multidimensionalen Vernetzungen von pro Sinneninformation/Sinnesdatum vertausendfachten Information; also: alleine die ungeheuer komplexe Organisiertheit unendlich vieler verschiedener, sich unterscheidender Ereignisse, Handlungen, Informationen und Tätigkeiten, die alle auf der Basis von Gleichzeitigkeit ablaufen; all das läßt die analytisch-synthetische Technik des Menschen erblassen. Mehr noch aber die Tatsache, daß die Evolution der Natur aus sich heraus diese Komplexität des Wachstums besitzt. Dafür hat sie Zeit in Anspruch nehmen können, die zu denken dem Menschen nicht mal möglich ist. Der Mensch will diese Zeitspanne, in der Komplexität entstand, die zu simulieren der Mensch nicht fähig ist, komprimieren, um evoluierende Natürlichkeit zu produzieren: Nicht Technik soll eingerahmt bleiben durch die viel zu wenig realisierte Naturpotenz, sondern: Die Natur hat eine Untermenge der Technikkultur zu werden. Schafft es die Technik, das Prinzip der Evolution, es qua unendlichem Zeitverbrauch geschafft zu haben, Komplexität auf einem komplexen Niveau von Gleichzeitigkeit zu synchronisieren und dabei Leben generiert zu haben, zu produzieren? Schafft es der Mensch, nicht mehr nur Gleichzeitigkeit zu synchronisieren, sondern synchronisierte Gleichzeitigkeit gleichzeitig zu organisieren? (Das ginge dann schon längst nicht mehr in einen Kopf alleine hinein, auch nicht in einen Computer, auch nicht in vernetzten Computern, sondern wohl nur noch in eine Art emergenzfähiger Körperschaft aus unkontrolliert und in Echzeit vorhandenen Informationsflüssen innerhalb großformatig infrastrukturierter "neuronaler Netze" als technische Kopie dessen, was man evolvierende Natur nennt.) Die Frage wäre nun, ob technisch initiierte, konstruierte Naturhaftigkeiten tatsächlich evoluieren können oder doch nur Entwicklung als Ordnungsform für Veränderung besitzen werden. Und könnten sie evoluieren: Müssten sie dann auch dieses eigenartige orthogonale Verhältnis von Onto- und Phylogenese ihrer eigenen Materienorganisation hervorbringen, auch wenn ihnen dazu nicht die Zeit zur Verfügung steht, die die Natur resp. die Evolution von Leben resp. von gesellschaftlicher Kommunikation verbrauchen konnte? Kann also Zeit, die bisher vertikal, linear, sukzessiv geordnet war und immens extensiv, und nur extensiv zu gebrauchen war durch die Natur, transformiert werden oder vielleicht auch nur evakuiert werden in eine Organsiationsform, die eher Attribute wie horizontal, kreisförmig, akkumulativ und intensiv verträgt? Die eigentlich spannende Frage dahinter ist natürlich die keinesfalls teleologisch gemeinte, ob die evolutionierte und evolutionierende Natur sich mit dem Menschen ein Stück Natur hat einfallen lassen, dessen einziger Sinn darin besteht, Evolution selbst der Evolution zu überantworten, also einen Ordnungssprung der Generierung durchzuführen, damit die Evolution zu sich selbst Distanz gewinnt, d.h. selbstreflexiv wird. Nicht mehr nur innerhalb von Evolution (der Biologie), sondern Evolution selbst großformatig zu wandeln kann verstanden werden als Umschwung eines grundlegenden Wandels hin zu einem Wandel der Grundlagen des Wandels. Die zweite Frage ist dann, ob dieser Ordnungsbruch der Evolution inhärent ist, also trotz seines Einbruchs ins wesentliche Getriebe, nämlich: Natur nun endlich produzieren zu können, und nicht mehr nur (menschliche) Natur zu sein, die innerhalb natürlicher Parameter produziert, eine Gestalt des Programms der Evolution ist und bleibt; oder eben nicht ("die Natur macht keine Sprünge"). Ist ersteres der Fall, also geistig-kulturelle Geschichte nur eine Fortsetzung der Naturgeschichte, dann könnte man der Natur teleonomisch unterstellen, selbst nur ein Zuerklärendes zu sein und nicht mehr das alles Erklärende; selbst ein Teil eines noch nicht ganz auszumachenden Koordinatennetzes zu sein und nicht mehr nur das Koordinatennetz schlechthin fürs Rückführen von zu Gestalt kommender Materie; selbst schließlich einer neuen emergierten Ordnung zu unterliegen, die nun grundlegend die grundlegenden Strukturen von natürlicher Evolution als nur zeitlich befristete offenbart, da sich herauszustellen scheint, daß Evolution kein nur und immer nur kontingenter Prozeßverdichtunglauf mit unendlich hohem Zeitverbrauch sein muß, sondern technisch, also abstrakt und ökonomisch, hergestellt werden kann. Natürliche Evolution stürbe also ab (nach Darwin schon ab dem Zeitpunkt, als Zivilisation evoluierte und die natürliche Selektion aufhob) und würde selber das werden, was sie sonst immer nur ihren Generierungen an entscheidender Unterscheidung zuführen konnte: variiert, selegiert, stabilisiert. Nimmt sie sich also zurück, die evoluierte Natur? War alles bisher Dagewesene von lebender und toter Materie nur ein Einatmen (der Evolution, der Natur, des Daseins, des Lebens, der Materie, der Zeit)? Folgt jetzt, wo natürliche Generierung in die nicht mehr unplausible Annahme fällt, technologisch hergestellt werden zu können, das Ausatmen? Die Zurücknahme? Sollte man nicht doch von Devolution oder regessiver Evolution sprechen? - Diese Fragen stellen sich einem nur dann, wenn man nicht den Hiatus zwischen lebenden und kommunizierenden Systemen akzeptiert, den die Systemtheorie prolongiert: denn dann entscheidet sich man einfach für eine bestimmte Systemreferenz, etwa die der Kommunikation, und kann alle Änderungen im Bereich des Lebendigen (hier: der Genetik des Lebendigen) im die Umwelt des Systems, also für dieses mehr oder weniger außer Kraft setzen. Wie dem auch sei: Das Problem der Analogisierung und Erklärung der direkten und indirekten Einflußkanäle der Produktion genetischer Lebendigkeit auf die Gesellschaft als Sozialverband bleibt trotzdem schwierig und mahnt zur Vorsicht beim Vergleich.

Wenn Aristoteles und Popitz, nicht aber Platon und Gehlen recht haben, dann liegt in der anatomischen (aufrechter Gang), neurologischen (Gehirn) und manuellen Beschaffenheit des Menschen eine oder doch die Grundlage für seine Fähigkeit, aus dem zuweilen sehr weit aufgespannten, doch hegemonial durch Instinkt beherrschten Regelkreis Reiz-Reaktion resp. Bedürfnis-Befriedigung auszubrechen. Dieser Ausbruch läßt sich an einer seiner Wirkungen verfolgen, nämlich die der sukzessiv ansteigenden Umwegehandlungen zur Erreichung von Zielen (technische Dimension) oder des einen Ziels der ausreichenden/überschüssigen Daseinssorge (existenzielle Dimension). Die zu Beginn der menschlichen Gesellschaft wohl wichtigste Umwegehandlung war die produktive Umwegehandlung, d.h. die Herstellung von Werkzeugen (Produktionsmitteln) als Mittel für Mittel für Mittel für Zwecke. Mit Beginn der Arbeitsteilung, also der jeweiligen Unvollständigkeit und auch für sich genommen Sinnlosigkeit eines je eigenen Produkts beginnt nicht nur der Tausch und eine an den neuen Produktionsverhältnissen sich anzupassen suchende Sozialordnung (auf familialer, gemeinschaftlicher und dann herrschaftlich-staatlicher Ebene), sondern auch ein bisher unbekanntes Maß der zeitlichen Koordination der nun jeweils nur als Teile eines nicht mehr vom einzelnen übersehbaren Ganzen produzierenden Menschen. Der Stoffwechsel zwischen Gesellschaft und Natur bekommt mit Komplexität der Produkte eine komplexe Zeitmatrix, die, um das Ganze der nicht mehr in sich eigenständigen Handlungen zu repäsentieren, abstrakt wird. Ihrer notwendigen Abstraktion kommt entgegen, daß die neue Zeit wesentlich die Zukunft belastet, die als Gefäß zeitlicher Konzeption von sich aus zwar erfahrungsgemäß nicht unbestimmt ist (zur Wiederholung nötigende Handlungen und Ereignisse lassen sich sicher in die Zukunft plazieren), aber doch unterbestimmt. Denn sie erlaubt neben dem Erfahrungsraum als Quelle ihrer Bewässerung auch Erwartungshorizonte, sie flüssig zu halten. Erwartungshorizonte evakuieren die in der Gegenwart unzusammenhängend erscheinenden, unvollständigen Gege- und Begebenheiten in eine Imagination ihrer Vollendung (perfection) resp. Vervollkommnung (perfectibilité). Damit die Imagination klappt, muß sichergestellt sein, daß schon in der Gegenwart Zukunft hineinragt resp. die Gegenwart schon angeschlossen ist an eine Zukunft. Einzig diese ungebrochene Zeitachse, diese Inanspruchnahne noch nicht passierter, aber an die Gegenwart anschliessbare Zeit erlaubt der komplexer gewordenen Re- und Produktion menschlicher Gesellschaft, sich eines Gesamtzusammenhanges zu versichern, der vom jeweiligen Hier und Jetzt, von Augenhöhe aus, vom Begreifen her, nicht mehr zu fassen ist. Dazu brauchte es ein Organ der Koordination: den Geist; ein Medium: den Sinn; und ein das überforderte Gedächnis entlastender Modus der Vergegenwärtigbarkeit schon abwesender und noch abwesender Sachverhalte: Schrift.
 

H) Vergleichen

Das versuchte Vergleichen von Vorgängen im Körper, verstanden als Organismus, mit Vorgängen innerhalb der Gesellschaft ruht nicht auf einer reinen Metaphorik auf, gleichsam aber auch nicht auf einer Anwendung der Organismus-Analogie menschlicher Organismus = gesellschaftlicher Organismus. Er möchte nur so weit es geht einen Zusammenhang herstellen, der etwas mit etwas anderem so in Beziehung setzt, daß Plausibilität dabei entweicht.

Die im Geschichtsformat angesetzte Eliminierung der Überraschung schlechthin, diese Durchdringung möglichst aller Erscheinungen von Welt, mit denen der Mensch und die emergierte Gesellschaft zu tun hat und zu tun bekommen wird, mit Reflexion, diese retrospektiv sich als Mimesis an die natürliche Überraschung darstellende Raserei der Zeit (Neu-Zeit) seit Beginn der Moderne, letztlich: dieser Sicherheit verbürgende Wille, aus Welt- und Naturbegegnung Selbstbegegnung zu destillieren, hat auf mikrostruktueller und gleichsam biologisch-chemischer Ebene ein zum Teil spiegelbildliches, zum Teil schon resigniertes Pendant; nämlich das menschliche Immunsystem. Das Immunsystem ist einerseits Perpetuierung der Grundhaltung, all das, was nicht der eigenen Reflexion entspringt, also als anderes ein eigenes Mächtigkeitszentrum besitzt, per se als feindlich und gefährlich zu bedeuten (und dann nie wieder zu vergessen; "Immungedächnis"), andererseits ist es schon aufgrund seiner dezidiert unreflexiven Arbeitsweise Produkt der Resignation darüber, niemals den Kampf gegen die Natur in Gestalt der Mikroorganismen (Viren, Bakterien, Pilze, Parasiten; mikrobielle Allergene) zu gewinnen, einfach deshalb, weil die Raschheit dieser Art Natur weit über ihrer eigenen Geschwindigkeit liegt. Der Kampf wird aber auch aus dem Grunde aussichtsloser fürs Immunsystem, weil die Allergene verschiedenster Herkunft, also tierischer, pflanzlicher, menschlicher, medikamentöser, metallischer Herkunft, immer stärker "kulturell", d.h. wissenschaftlich-technisch erzeugt resp. durch Verbindung mit synthetischen Umwelten zu neuen Allergenen werden. Die Vergesellschaftung von Natur, makroskopisch betrachtet, ist auch mikroskopisch nachhaltig geworden. "Ursprünglich wohl vor allem zum Schutz gegen pathogene eigene Zellen und als Abwehr gegen Infektionserreger ausgebildet, hat sich der Mechanismus der immunologischen Abwehr in den letzten Dezennien mehr und mehr gegen weitere in den menschlichen Organismus gelangende körperfremde Substanzen richten müssen. Ursache für diese vermehrte Beanspruchung des immunologischen Awehrapparates ist unter anderem die moderne Medizin, die dem Körper [...] differenteste chemische Stoffe einverleibt. Auch die moderne Technik bringt den Menschen mit einer unvorstellbaren Menge toxischer Produkte in Atemluft, Wasser und Nahrungsmitteln in Kontakt. Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß ein derart mehr und mehr beanspruchtes System auch in steigendem Maße Irrtümer in der Abwehr begeht und Abwehrreaktionen auch in Situationen zeigt, wo Schutzfunktionen nicht notwendig sind oder gar schädlich erscheinen. Die auf der ganzen Welt konstatierte Zunahme der allergischen Krankheiten und der krankhaften Immunreaktionen ist sicher zum Teil Folge dieser Situation." Im Folgenden geht es darum, wie vereinfachend auch immer eine Verbindung herzustellen zwischen der Arbeitsweise des menschlichen Immunsystems - und darin besonders mit der von der Immunitätsstruktur abweichenden Allergieform Idiosynkrasie - und den hier als wesentlich angesehenen Merkmalen der Entwicklung der abendländischen Gesellschaften, nämlich an Welt, Reflexivität und Zeit Hand anzulegen und dabei angewiesen zu sein auf eine rigid synchronisierte Zeit als Gestalt faschistisch organisierter/reduzierter Komplexität. These ist nun, daß diese Welt, Selbst und Zeit überziehende Synchronizität zu "verwildern" beginnt und dabei Gleichzeitigkeit als Aggregat für Komplexitätssteigerung entläßt. Diese Gleichzeitigkeit ist verstehbar als Idiosynkrasie der Zeit, als eine Art Bulimie des kaum noch zu steigernden Tempos der Weltsättigung (Blumenberg) qua Raumentfernung und permanenter Optionalität gleichzeitig präsenter Weltversatzstücke im (wohl bald holographisch werdenden) Bild, als eine kaum noch absehbare Sozialisierung der sogenannten Computer-Echtzeit von Signifikat und Signifikant, als Abwehr einer nicht mehr lebendigen Welt-Mensch-Zeitlichkeit, deren movens Kontrolle war, und zugleich verstehbar als noch asoziales Konzept des Kontroll- und Vermittlungsverlustes für Welt-Mensch-Beziehungen, das in dem virtuellen Beziehungsgefüge Internet erste Experimente zu machen und um den Preis zu reüssieren scheint, daß der Körper aus dem Spiel verwiesen wird (und ein neuer, virtueller Internetkörper entsteht, der neue Formen der Abwehr und Kontrolle ausprobieren wird). Gleichzeitig ist diese Gleichzeitigkeit, sprich: logische Unkontrollierbarkeit verstehbar in der Dimension des menschlichen Körpers, in dem, so die als Spekulation auszuweisende Vermutung, a) die Abwehr immer mehr auf das vorhandene Abwehrsystem reagiert (Autoimmunität), also nicht mehr zwischen selbst und fremd zu diskriminieren vermag und also zu kollabieren beginnt; b) die Abwehr immer mehr Stoffe nicht mehr abwehrt resp. nichtabzuwehrende Stoffe abwehrt resp. zuviel Abwehrstoffe produziert (Atopie), und c) die Grenze des Substitution funktionsuntüchtiger Organe durch chemisch gleichförmige künstliche Polymere, auf die das menschliche Immunsystem nicht reagiert, erreicht scheint. Und dies zu einem Zeitpunkt, wo die Einbildungskraft gefüllt ist mit der Vorstellung, in Bälde qua Bio- und Gentechnik die prometheische Scham/Wut endgültig zu beseitigen, also auch die eigene kreatürliche Natur grundlegend kreieren zu können. Man könnte diese Prozesse nun abschliessend nach zwei Fragen hin deuten: 2Ist das "Körpertheater" Hinweis darauf, daß der Körper als Kreatürlichkeit sich selbst fremd geworden ist in einer Außen- und Umwelt, die durch technisch-abstrakte Konstruktionen bestimmt ist, und nun durch Verwechslung des Abzuwehrenden a) um Einlaß bittet, um selbst eine Konstruktion, eine konstruierte Kreatur zu werden, oder sind die körperlichen Idiosynkrasien b) verzweifeltes Körperstammeln des Wunsches, Körper zu bleiben, also weiterhin sterblich zu sein? [...]
 

Immunologie

Es ist nicht eben selten zu vernehmen, die immunbiologische Wissenschaft befände sich seit gut zwei Dezennien in ihrer Blütezeit. Seit es 1975 - um eine zeitliche Markierung vorzunehmen - den Immunologen Köhler und Milstein gelungen ist, eine normale, antikörper-ausscheidende Plasmazelle mit einer kanzerösen Plasma-(Myelom-)Zelle zu verschmelzen (Name: Hybridom) zwecks effektiverer Produktion und Wirkung monoklonaler Antikörper, werden die Techniken und Möglichkeiten raffinierter, dem Immunsystem auf die Schliche zu kommen, seine Verantwortung für bestimmte Krankheiten (Krebs) nachzuweisen, genetisch bedingte Insuffizienzen auszumachen und bestimmte Antikörper resp. diese stimuliertende Substanzen (Interferon, Interleukin) gentechnisch manipuliert in potenziertem Umfang herzustellen. Mit diesen scheinbaren oder tatsächlichen Erfolgen einher geht gleichsam eine immens gesteigerte Einsicht in die Kompliziert- und Komplexheit immunologischer Vorgänge, für die es mittlerweile etliche Unterfakultäten (Sereologie, Virologie usw.) gibt; andere sprechen wiederum davon, das Immunsystem nicht nur als Organ, wenngleich über den ganzen Körper verteilt, aufzufassen, sondern als Sinnesorgan: Neben hören, riechen, schmecken, sehen, tasten, erinnern (wenn das Gedächnis als Sinnesorgan verstanden wird) also als siebter Sinn der Immunisier-Sinn. - Es ist angesichts dieser Wissensexplosion und Einschätzungsvielfalt innerhalb der Immunologie angenehm zu erfahren, daß selbst insider bekennen: "...fällt es mir immer schwerer, eine klare Vorstellung von der Arbeitsweise des Immunsystems zu bewahren" (Desowitz 1988, p10). Aber zumindest haben sie eine Vorstellung.

Das Immunisieren ist eine sehr frühe organologe Evolution. Sie muß in Zeiten der Umweltveränderung stattgehabt haben, da sie eine Art Ergänzung körperlicher Abwehr konstanter Einflüsse bildet, nämlich eine spezifische Abwehr spezifischer Einflüsse. Daß, wie die Forschung heute wissen will, das Immunsystem alle gegebenen und auch möglichen Antigene bereits mit einem je spezifischen Antikörper bedacht hat, also Spezifizität damit anulliert, scheint wohl auf die Attraktion konstanter Welt-Körper-Beziehung rückführbar zu sein, die sich auch dann noch als Maß durchzusetzen schien, als Körper gezwungen waren, vorübergehend auf vorübergehende Lagen, Einflüsse und Umwelten aktiv einwirken bzw. intrinsisch aktiv reagieren zu müssen. Das Immunsystem hat die Aufgabe, die unmögliche Verhinderung des Eindringens fremder Stoffe/Organismen auszugleichen durch Verhinderung der Wirkung resp. durch Lyse der eingedrungenen Stoffe/Organismen. Dafür hat sie zwei Modi zur Verfügung: die humorale und die zellvermittelte Immunität (Immunglobuline und Immunozyten). Bedingung für deren Wirksamkeit ist eine sog. Selbsttoleranz gegenüber den körpereigenen Proteinen und Zellen, sowie ein Ensemble unendlich vieler funktionierender indirekter Hilfen, damit es zur Vernichtung, zum Auffressen und Unschädlichmachen der Bakterien, Parasiten, Viren usw. kommen kann. Grundprinzip des Immunsystems ist, eine permanente, wenngleich latente Alarmbereitschaft für alle möglichen (antigenen/allergenen) Fremdkörper in Betrieb zu halten, also "off-line" bereitzustehen. Impfungen etwa sind nichts anderes als "Gefechtsfeldübungen" für die spezifischen Antikörper, im Kampf mit den durch Impfung eingeführten Antigenen tatsächlich zu den Waffen zu greifen, on-line zu werden (sich also zu replizieren), um bei einer künftigen Infektion schneller und schlagkräftiger das Fremde zu bekämpfen. Es geht also bei der Immunsierung nicht unwesentlich darum, die Zeit zum Angreifen zu minimieren, den Zeitvorsprung der Fremdkörper (zumeist besitzen sie eine schnellere Zellteilung) einzuholen. Der hier fahrlässig vereinfachte gesamte Prozeß der Immunität, angefangen bei der Erkennung antigener resp. allergener 'Stoffe', der Aktivierung von Regulator-Lymphozyten, deren Aktivierung von Effektor-Lymphozyten, der Dosierung der Klonrate von Antikörper-produzierenden Zellen resp. der Aktivierung der sog. cytotoxischen Zellen bis hin zum Einsatz von Suppressor-Lymphozyten und der Aktivierung von Suppression der Suppressor-Lymphozyten, birgt einen Totalitätscharakter. Der besteht darin, daß das Inkrafttreten von Immunisierungsvorgängen auch den eigenen Körper, also das "Selbst", als Adressaten annimmt, dem abwehrend zu begegnen ist. Zwar stimmt es, daß sehr viele Effektor-Lymphozyten gegen körpereigene Strukturen fehlen oder sich selbst nach kürzester Zeit selbst inaktivieren. Gleichsam hat das Immunsystem aber alle Hände voll zu tun, Immunisierungsvorgänge gegen das "Selbst" zu blockieren. Es muß also soetwas wie zwei Ebenen innerhalb des komplexen Immunisierens geben, wobei die zweite Ebene zwar Kontrolle und systemisches Funktionieren des Prozessierens gewährleistet, aber keinen direkten Einfluß auf die vielleicht kann man sagen Materialität der spezifischen Bedingungen für Immunisierung besitzt. Immunität beruht also nicht auf einer schon abgeschlossenen Diskrimination von Selbst und Fremd (dann gäbe es nämlich nicht soetwas wie Autoimmunität), sondern darauf, in einem evolutionär ersten Schritt alles als fremd zu diskriminieren (oder muß man sagen: indifferenzieren?) und dann allmählich das Selbst, also körpereigene Strukturen und Materialitäten, zu substrahieren. Die Frage bleibt natürlich, ob diese Fähigkeit der Substraktion oder Evakuierung des Selbst aus dem Horizont des Fremden selbst schon Produkt einer Substraktion ist oder doch aus einem mirakulösen Reich der Bedingungen zur Ermöglichung sich herleitet, das nur noch evolutionstheoretisch zugänglich ist. Wie dem auch sei: die immunologische Substraktion des Selbst (als Figur) aus dem Hintergrund des Fremden, die in einem dreistufigen Selbsttoleranz-Prozeß beschrieben werden kann, scheint damit nicht eindeutig auf ein Nullsummenspiel konstitutiv rückführbar zu sein (Motto: Selbstkonstitution heißt Konstitution des Fremden, je mehr Selbst, desto mehr Verfeindung des Nicht-Selbst), sondern eher auf einer risikoreicheren Aufbewahrung des Fremden innerhalb höherorganisierter Selbstbildungsprozesse zu (un-)ruhen: Je figurativer und verkörperter sich das Selbst organisiert, desto organisierter muß Selbstoleranz wirken können als mögliche Abwehr eines möglichen Angriffs des Immunsystems gegen das als Fremdes fehlcodierte Selbst.

Die drei Stufen der Selbsttoleranz bzw. Autoaggressionskontrolle werden vereinfacht so umschrieben (Kolb 1980, p13ff.):

- Die schon erwähnte Spezifizität des Immunsystems gegenüber der "natürlichen" Abwehr hat dazu geführt, daß auch die Synthese von Antikörpern spezifisch ist. Pro Lymphozyt wird ein spezifischer Antikörper produziert/kloniert. Die Zahl verschiedner Lymphozyten/Antikörper geht dabei in die Millionen, wenn nicht Milliarden. Da nun die Produktionsorte der Antiklörper, empryonale Blutinseln, Knochenmark und Thymus, "weitgehend frei von fremden Strukturen" sind (Kolb), ist die Erkennung autoaggressiver Zellen besonders deutlich. Binden diese über ihre Rezeptoren körpereigene Zellen, führt dies zur Inaktivierung der Zelle. "Unreife" Lymphozyten tragen daher zuerst einen Rezeptor, dessen Gebrauch der Zelle ein Hemmungssignal übermittelt. Bleibt dieser Rezeptor in der ontogenetischen Phase der Zellbildung ungebraucht/frei, erfolgt erst die weitere Vermehrung der Lymphozyten und deren Transgression in den Körper hinein. Die als autoaggressiv erkannten Zellen sterben nicht in Gänze ab, sondern bleiben in peripheren Lymphorganen inaktiv präsent.

- Die Kontrolle der Diskriminationsfähigkeit der Zellen anhand des Aussetzens mit körpereigenem 'Material' und der daraufhin erfolgenden Auslese hat einen großen Fehler: Passiert ein Fehler, so ist dieser irreversibel und zudem oft letal wirkend. Eine zweite Sicherung gegen Autoimmunität kam nun anhand der Regulatorzellen ins Spiel. Effektorzellen wirlen jetzt nicht mehr unmittelbar und einzig allein auf eine fremde zu bekämpfende Substanz; vielmehr müssen nun auch sog. Helfer-Lymphozyten aktiviert werden, damit der Akt des Immunisierens beginnen kann. Die Wahrscheinlichkeit von Autoaggressivität hat sich nominal also halbiert, da nun auch die Helferzelle autoimmun sein muß, um Autoimmunreaktionen in die Wege zu leiten. Zugleich übernehmen die sog. Suppressorzellen die Aufgabe, neben den "normalen" auch die autoimmunen Helferzellen zu inaktivieren (und natürlich gibt es wiederum Suppressor-Suppressor-Zellen zur Hemmung der Hemmung; wer diese allerdings kontrolliert, bleibt unklar).

Es muß betont werden, so Kolb (1980, p19f.), "daß auf beiden bisher beschriebenen Stufen der Selbsttoleranz die Grundvoraussetzung das 'Lernen' der selbst-fremd Unterscheidung während der Entwicklung in Embryo, Knochenmark und Thymus ist. Das Immunsystem wird dabei tolerant gegen alle Strukturen seiner Umgebung. Es ist denkbar, daß im Laufe des Lebens eine Reihe von Krankheitserregern sich chronisch in Knochenmark und Thymus festsetzen (zum Beispiel manche Viren). Damit würde das Immunsystem auch tolerant gegen gegen diese Mikroben werden, unfähig zu einer Immunreaktion." Auch auf diese "tiefliegende" Unmöglichkeit, das Selbst durch "Fremd-Säuberung" gänzlich Selbst werden zu lassen, hat das Immunsystem eine mögliche Anwort gefunden, die Stufe 3 der Selbsttolerierung. Sie besteht darin, die eigenen anti-selbst-Rezeptoren (Zellen) selbst als fremd zu identifizieren. Kolb (p21): "Die Selektion von Zellen mit anti-fremd Rezeptoren in Knochenmark und Thymus führt dazu, daß Zellen mit anti-selbst Rezeptoren in jeweils nur geringer Anzahl vorhanden sind. Lymphozyten, die sich in ihrer Bindungsspezifizität unterscheiden, differenzieren entsprechend in der Form ihrer Rezeptoren. Da autoimmune Rezeptoren nur in niedriger Konzentration im Organismus vorkommen, sind deren Formen praktisch unbekannt, das heißt fremd. Das Immunsystem erkennt also autoimmune Lymphozyten an der unbekannten Rezeptorstruktur als fremd und zerstört sie."

Abrundend sind aus der Unzahl möglicher Ursachen für autoimmune Erkrankungen drei erwähnt, die die lebensnotwendige Selbsttoleranz niemals vollständig werden lassen. Zum einen können Fremdkörper in ihrer angriffswürdigen Struktur (Epitop) der Struktur körpereigenen Materials ähneln. Ein Immunangriff befällt dann auch den eigenen Körper (Kreuzreaktion). Zum anderen können Fremdkörper inaktive Antikörper-produzierende Zellen aktivieren und so zur Produktion von Autoantikörper führen, die Körpereigenes angreifen. Daran gekoppelt besteht drittens die Möglichkeit, daß virale Fremdkörper Selbst-Zellen an der Oberfläche (natürlich auch in ihrem DNS-Code) so ändern, daß Immunantwort unausweichlich wird. - Von Einbrüchen der Selbsttoleranz des Immunsystems wegen Selbsttoleranz als Ursache, also eine Art selbstreferentielle Immunität, ein sich immunisieren gegen das Immunisieren, ist bisher noch nichts bekannt geworden.

[idiosynkrasie, auch idiokrasie. das, was so bezeichnet wird, hat seinen eigenartwert als resultat einer vermischung (mixis), oder ist es als mischung (krasis) voraussetzung bzw. das woraus einer möglichen vermischung? muß man von einer dosierung ausgehen, die impliziert, daß mehrere bestandteile bzw. fließteile immer nur in synthesis zu sich, also zur wirkung (auch der der neutralisation) kommen, und daß es eine richtige dosis gibt, die zwar dem gebot der balance folgt, aber einen festen punkt, die richtige dosierung, benötigt, um als vermischtsein jegliche analyse vor den kopf zu stossen?]
 

Bibliographie