Redakteure im Rampenlicht: Mit Profil gegen die Krise

Redakteure im Rampenlicht: Mit Profil gegen die Krise

In Zeiten der Krise wirbt die Berliner Zeitung in einer Imagekampagne mit Plakaten, auf denen die Gesichter ihrer Redakteure zu sehen sind. „Denn das Besondere an der Berliner Zeitung sind die Menschen, die sie machen“, sagt die Chefredakteurin Brigitte Fehrle.

Von Simon Lübke und Felix Jentsch

„Ich weiß ihr könnt den bohrenden Blick, gebt mir den bohrenden Blick!“ kommt es forsch aus dem Mund der blonden Frau. Vor ihr sitzt eine zusammengewürfelt wirkende Gruppe in schwarze Kapuzenjacken gehüllter Männer und Frauen. Ihre Blicke wirken jedoch weniger kritisch und bohrend, vielmehr ein wenig leidend und verkrampft. Die auf den ersten Blick wie eine Ansammlung mäßig begabter Schauspielschüler daherkommenden Protagonisten sind ausgewählte Journalisten der Berliner Zeitung.

Die Szene stammt aus einem Kinospot und ist Bestandteil einer Imagekampagne des Berliner Verlags, der seit Herbst 2013 erstmals Redakteure und Journalisten ins Rampenlicht stellt. Neben dem Werbespot sind es vor allem Porträtplakate, die sich unter dem Slogan „Berlin sagt alles“ auf die üblicherweise im Hintergrund agierenden Publizisten konzentrieren.

Berliner Zeitung in der Krise

Die erste Imagekampagne der Berliner Zeitung seit 15 Jahren ist eine Reaktion auf die prekäre Lage der Tageszeitungen in Deutschland. Die momentane wirtschaftliche Situation erfordert bei fast allen Tageszeitungen ein Umdenken hinsichtlich bestehender Vermarktungsstrategien. Die weiter wachsende Onlinekonkurrenz schafft eine kostenlose Alternative und entwickelt sich immer schneller zu einer existenziellen Bedrohung für das Konzept der Printzeitung. Die Auflagenzahlen deutscher Tageszeitungen gingen in den letzten gut 20 Jahren um 33% zurück.

Diese Entwicklung macht auch vor der Berliner Zeitung nicht halt. Die Verkaufszahlen der sanken seit 1998 sogar um  39 % von fast 208 000  auf eine durchschnittliche tägliche Auflage von 126.820 im letzten Quartal 2013. Allein in den letzten drei  Jahren verzeichnete das Blatt einen Auflagenrückgang von fast 12 %. Im Jahr 2010 waren es noch rund 144.000 verkaufte Auflagen. Die PR-Kampagne soll diesem bislang nicht zu stoppenden Abwärtstrend entgegenwirken. Sie ist als ein strategischer Versuch zu verstehen, in schwierigen Zeiten für Qualitätsjournalismus zu werben, um sich noch stärker von anonymen Angeboten im Netz abzugrenzen.

Vor diesem Hintergrund ermöglicht die Berliner Zeitung nunmehr einen Blick hinter ihre Kulissen und auf die sonst so gut verborgenen Gesichter ihrer Redakteure. Denn das Wichtigste an der Berliner Zeitung, betont die Chefredakteurin Brigitte Fehrle, seien die Köpfe hinter der Zeitung, ihre Journalisten. Um diesen Köpfen ein Profil zu geben, entstanden in Zusammenarbeit mit der Agentur Johanssen + Kretschmar die in schwarz-weiß gehaltenen Porträtbilder versehen mit Headlines, die klassische journalistische Tugenden wie Neugier, Beharrlichkeit und Skepsis greifbar machen sollen. Der politische Journalist Frederick Bombosch fletscht die Zähne und „lässt einfach nicht locker“, während Daniela Vates auf ihrem Bild unter dem Motto „glaubt wirklich nicht alles“ die Stirn in Falten legt. Die Bilder und ihre Intention stehen für eine Rückbesinnung auf die Kernaufgabe von Zeitungen, nämlich die Produktion von Qualitätsjournalismus, heißt es seitens der Agentur. Verkörpert durch Redakteure mit Meinung, Leidenschaft und Profil. Das biete eine Möglichkeit zur Identifikation und erhöhe die Bindung zwischen der Zeitung und ihren Lesern.

Das Logo bekommt mehr Luft zum Atmen

Mit der Werbekampagne ging auch eine Veränderung im Layout der Berliner Zeitung einher. Ankündigungen die in der Kopfzeile der ersten Seite standen, wurden durch eine einzelne Rotzeile mit dem wichtigsten Tagesthema ersetzt. Die Ankündigungen hätten das Logo erdrückt, sagt Alexander Lang von Johanssen+Kretschmar dem RBB. „Jetzt steht das Logo frei und es kann atmen, sodass die erste Seite aufgeräumt wirkt und eine klare Struktur hat.“

Wie für das Layout, so gilt auch für die gesamte neue Ausrichtung der Berliner Zeitung, dass man versuche, „alles was prägend für die Marke ist zu erhalten und sie dennoch zu modernisieren“, sagt Sabine Steuerwald, Leiterin des Projekts bei Johanssen+Kretschmar.

Fehlende Konsequenz

Die kaum sichtbare Veränderung im Layout dürfte für die öffentliche Wahrnehmung der Zeitung allerdings unbedeutend sein. Auch das Potenzial der gesamten Kampagne sei nur schwer abzuschätzen, glaubt auch die Beraterin für Zeitungsverlage und Medienunternehmen Dr. Kerstin Goldbeck. Sollte die Kampagne jedoch ein Erfolg werden, „würde das Konzept in der Nachmacherbranche Zeitung schnell die Runde machen“, so Goldbeck. Denn wie die Basisstudie zur Mediennutzung Jugendlicher (JIM 2012) zeigt, wird die Zeitung auch weiterhin als das vertrauenswürdigste Medium wahrgenommen. Zeitungsredakteure gelten als besonders gut ausgebildet und professionell. Somit sind die Inszenierung der Journalisten und eine stärkere Transparenz der Redaktion ein richtiger Ansatz, dieses positive Klischee zu nutzen. Jedoch lässt die Berliner Zeitung andere Kanäle zur Unterstützung ihrer Kampagne ungenutzt. „Gerade bei der Präsenz in sozialen Netzwerken bleibt die Berliner Zeitung hinter ihren Möglichkeiten zurück“, moniert auch Goldbeck.

Ein klares Zeichen nach Innen

Noch heute ist die Berliner Zeitung die auflagen- und reichweitenstärkste Abonnementzeitung der Region Berlin-Brandenburg. Und dennoch sinken die Zahlen von Auflage und Verkauf weiter. Inwieweit sich die Kampagne aus dem letzten Jahr auf die kommenden Jahre auswirkt, ist noch unklar. Klar ist jedoch, dass die Berliner Zeitung mit dem Kinospot und den Werbeplakaten ein eindeutiges Signal an die eigenen Mitarbeiter setzt. So ist die Idee in Zeiten der Krise, mit den Journalisten für die Zeitung zu werben, ein Ausdruck von Vertrauen in die eigene Redaktion. Ob die hoch einzuschätzenden Kosten für eine Kampagne dieser Reichweite allerdings durch damit einhergehende steigende Auflagenzahl refinanziert werden kann, ist stark anzuzweifeln. Denn Veränderungen am Produkt Berliner Zeitung, um das es ja schlussendlich  geht, sind bisher nicht auszumachen. „Und wenn am Produkt weiter gespart wird“, konstatiert Goldbeck, „nützt auch eine solche Kampagne nichts“.


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Felix Jentsch studiert Publlizistik-  und Kommunikationswissenschaft und Politikwissenschaften an der Freien Universität Berlin. Er wurde in Berlin geboren und sammelte erste redaktionelle Erfahrung  bei ein Verlagspraktikum mit  politischem Schwerpunkt zwischen Abitur und Studium.


Simon Lübke

Simon Lübke ist in Berlin geboren. Er  studiert Publizistik- und Kommunikationswissenschaft sowie Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin. Seit 2013 ist er studentischer Mitarbeiter am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft an der Arbeitsstelle Kommunikationspolitik/Medienökonomie.

2017-07-06T12:18:14+02:00 Kategorien: Lesen, Macht + Medien|Tags: , , , , , , |