Charlottenburg: Herthas Suche nach einem neuen Stadion – kein Ende in Sicht

Altes und neues Stadion vereint? Das aktuelle Olympiastadion mit Laufbahn. Born to Worship Blue & White: Frankinho / CC BY-SA 2.0

Charlottenburg: Herthas Suche nach einem neuen Stadion – kein Ende in Sicht

Eine neue Fußballarena im Olympiapark, das brandenburgische Ludwigsfelde, ein umgebautes Olympiastadion. Genügend Standorte für einen Stadionneubau des Hauptstadtvereins sind da. Doch eine Lösung in der emotional aufgeladenen Debatte wurde bislang nicht präsentiert.

Von Yannik Herm

Die Diskussionen um einen Stadionneubau von Hertha BSC nehmen kein Ende. Inzwischen sind anderthalb Jahre vergangen, seitdem die Verantwortlichen des Fußball-Bundesligisten auf der Mitgliederversammlung im August 2016 verkündeten, eine Machbarkeitsstudie für ein neues Stadion in Auftrag geben zu wollen. In den vergangenen 18 Monaten sind viele Standorte gehandelt, ausgeschlossen und dann wieder ins Spiel gebracht worden. Einen Favoriten gibt es immer noch nicht. Zu viele Faktoren und Beteiligte sind mit im Spiel, die alle unterschiedliche Interessen vertreten. Auch die Fans sind gespalten.

Olympiastadion als geübter Veranstalter für nationale und internationale Highlights

Das Olympiastadion Berlin ist mit einem Fassungsvermögen von 76233 Zuschauer das zweitgrößte deutsche Stadion. Zur Finalarena der Weltmeisterschaft 2006 umgebaut, gehört das Stadion aufgrund seiner besonderen Architektur mit der blauen Tartanbahn und der einmaligen Dachkonstruktion zu den spektakulärsten Sportstätten Europas. Dabei fungiert es nicht nur als Austragungsort des Endspiels des DFB-Pokals, sondern war auch Ausrichter der Leichtathletik-Weltmeisterschaft 2009 sowie des Champions League-Finals 2015. Viele Vereine würden sich ein solches Stadion wünschen. Warum wünscht sich ein durchschnittlicher Bundesligist wie Hertha dann ein neues Heim?

»Steil, nah, laut«: Herthas Traum vom »reinen« Fußballstadion

Das Olympiastadion und Hertha verbindet seit langem eine Hassliebe. Zu klein wirkte der Verein häufig für dieses große Stadion, das im ausverkauften Zustand eine einmalige Atmosphäre versprüht. Jedoch kommt dies zu selten vor, häufig ist das weite Rund nur spärlich gefüllt. In der laufenden Saison 2017/18 ist Hertha der einzige Bundesligist, dessen Stadion noch nie ausverkauft war, obwohl die Zuschauermagneten Bayern und Dortmund schon in Berlin zu Gast waren. Bei der Präsentation der Stadionpläne wurde ausdrücklich herausgestellt, dass Hertha wegen der mageren Auslastung aus wirtschaftlichen Gründen zu einem Neubau gezwungen sei. Um die Zuschauer auf diesem Weg mitzunehmen, verkaufte man zudem die Laufbahn als entscheidenden Umzugsgrund. Unter dem Slogan »Steil, nah, laut« wolle Hertha den Zuschauern in einer reinen Fußballarena ein intensiveres Spielerlebnis bieten.

Viele Standorte innerhalb und außerhalb Berlins wurden gehandelt. Letztlich nannte die von Hertha in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie des Architektur- und Planungsbüro Albert Speer + Partner (AS+P) einen Neubau im Olympiapark sowie ein Stadion in Ludwigsfelde als beste Optionen. Bis der Berliner Senat plötzlich einen Umbau des Olympiastadions in Aussicht stellte.

Im Streit mit der Regierung hat Hertha die Fans nicht hinter sich

Die Diskussionen um die Finanzierung eines Umbaus des Olympiastadions beschäftigen die Hertha-Verantwortlichen besonders, die die Verhandlungen mit der Regierung nach unseren Informationen Mitte Februar 2018 wiederaufnehmen werden. Problematisch ist, dass sich der Verein dabei nicht auf den Rückhalt seiner Fans verlassen kann. Auch wenn die notwendige ¾-Mehrheit zur Verankerung einer Berliner Spielstätte in die Vereinssatzung bei der Mitgliederversammlung im November abgelehnt wurde, ist vielen Hertha-Fans insbesondere der Standort Ludwigsfelde ein Dorn im Auge.

»Unvorstellbar«, sagt der in Charlottenburg wohnende Hertha-Fan Cornelius Göbel, mit dem wir vor dem Spiel von Hertha gegen Borussia Dortmund vor der Westend Klause sprechen. »Hertha gehört nach Westend – ob mit Umbau oder Neubau. Brandenburg wäre eine Schande für den Verein.« Im Stammlokal für Hertha-Anhänger an der Olympischen Straße ist diese Meinung verbreitet. Viele finden sich hier vor dem Spiel ein, um etwas zu Essen oder ein Bier zu trinken, bevor sie ins Stadion gehen. »Ich gehe seit 10 Jahren regelmäßig ins Stadion. Spielt Hertha in Ludwigsfelde, ist das für mich ein Auswärtsspiel. Bei aller Liebe, aber ich mache nicht alles mit«, sagt Nico Z.

Trotz Fanwiderstand: Ludwigsfelde bleibt eine Option

Als Druckmittel gegen den Berliner Senat bleibt jedoch auch Ludwigsfelde ein ernstzunehmender Kandidat. Die Fahrt vom Berliner Hauptbahnhof ist unkompliziert, man braucht gut eine halbe Stunde in der vollen Regionalbahn. Verkehrsplanungen sind noch nicht durchgesickert. In Ludwigsfelde angekommen, mischen sich Vorfreude und Überraschung, ob der Möglichkeit, Hertha bald bei sich begrüßen zu dürfen. Thomas S., seit 25 Jahren Hertha-Fan, hielt diese Meldung für einen Aprilscherz. Dass das Stadion im Brandenburg-Park gebaut werden könnte, sei ein unglaubliches Geschenk an Ludwigsfelde, auch wenn er den Unmut der Berliner über den möglichen Standort verstehen könne. »Wir sind jedenfalls bereit. Auch andere Vereine haben ihr Stadion außerhalb des Stadtzentrums. Ich glaube, dass man damit die Region Berlin/Brandenburg, also alle Hertha-Fans, zusammenführen könnte.« Ob der befürchtete Identitätsverlust der Ludwigsfelde-Gegner tatsächlich eintreten würde, bleibt fraglich.

Entscheidung steht weiterhin aus

Im Januar 2018 mutmaßte bereits der Tagesspiegel, dass eine zeitnahe gemeinsame Lösung zwischen dem Berliner Senat und dem Verein unwahrscheinlich sei. Beide Seiten befinden sich in einem Dilemma: Gibt der Senat den Neubau im denkmalgeschützten Olympiapark nicht frei, könnte der wichtigste Mieter des Stadions nach Brandenburg verschwinden. Hertha läuft dann aber Gefahr, viele Fans zu verprellen und am Ende als großer Verlierer dazustehen. Jedoch kommt für den Bundesligisten aufgrund der wirtschaftlichen Bestrebungen ein „Alles bleibt beim Alten“ auch nicht infrage. Wir erfahren von Hertha, dass Mitte Februar 2018 weitere Fortschritte erzielt werden sollen. Bisher ist nur durchgesickert, dass die rot-rot-grüne Landesregierung, insbesondere die beiden Juniorpartner, keine Mittel für den Umbau des Olympiastadions in Aussicht stellen wollen. Weitere Details möchte uns Hertha auf Anfrage mit Blick auf eine interne Verschwiegenheitsklausel nicht preisgeben. Durch die starke Kritik am Standort Ludwigsfelde kann es in den Verhandlungen nur Herthas Bestreben sein, eine Lösung im Olympiapark zu suchen. Solange sich jedoch der Berliner Senat wehrt, ist bei Herthas Suche nach einem neuen Stadion vorerst kein Ende in Sicht.


Yannik Herm studiert Publizistik- und Kommunikationswissenschaft und Politikwissenschaft im 5. Semester an der Freien Universität Berlin.