Häuserkampf heute: Streit um Neuköllner Hostel

Häuserkampf heute: Streit um Neuköllner Hostel

Das Bezirksamt Neukölln kommt im Streit um das umstrittene Fantastic Foxhole Hostel in der Weserstraße nicht voran. Die für Mitte Juni 2017 angekündigte Entscheidung über die Genehmigung lässt immer noch auf sich warten. Und der Konflikt bleibt ungelöst.

Von Lukas Wessling und Pia Saunders

Noch bis in den Juni brodelte der Konflikt zwischen den Betreibern des Fantastic Foxhole Hostels in Neukölln Hagen Wittenborn und Martin Hussain, dem Vermieter der Räume Alexander Skora, Anwohnern in den umliegenden Häusern und dem zuständigen Bezirksamt. Seitdem ist es ruhig geworden um das Hostel, vor allem weil das Bezirksamt am Zug ist: Die von Stadtrat Jochen Biedermann (Grüne) geleitete Behörde muss entscheiden, inwiefern das Hostel im Wohngebiet zulässig ist. Spätestens nach der Bekanntgabe der Entscheidung wird die Auseinandersetzung wahrscheinlich wieder Fahrt aufnehmen. Sowohl die Hostelbetreiber und ihr Vermieter, als auch die organisierte Nachbarschaft hat Widerstand angekündigt, sollte die Entscheidung des Bezirksamts zu ihren Ungunsten fallen.

Die Weserstraße entspringt einem Industriegebiet in der Nähe des S-Bahnhofs Sonnenallee. An ihrem anderen Ende, im Reuterkiez, reihen sich in einem kurzen Straßenabschnitt fast zwanzig Bars und Restaurants aneinander. Hier ist in wenigen Jahren parallel zur Sonnenallee eine der bestbesuchtesten Straßen Neuköllns entstanden.

Von Fuchs & Elster zum Foxhole

Und genau hier haben Hagen Wittenborn und Martin Hussain im April ihren Traum von der eigenen Bar im Szenekiez verwirklicht. Das Hostel im Hinterhof scheint ein Kind der Umstände zu sein. Die Räume waren zuvor Heimat des legendären Kellerklubs Fuchs & Elster, deren Crew das im Hinterhaus liegende Loft beherbergte. Vermieter Alexander Skora wollte die Räume nach dem Aus des Fuchs & Elster weiter nur zusammenhängend und als „kulturelle Gewerbefläche“ vermieten, die Immobilie habe eine „gute Dynamik“. Für Skora ist das Hostel eine logische Konsequenz: In den Räumen seien vorher schon „haufenweise Leute“ beherbergt worden, es gäbe eine Fußbodenheizung und „nichts Vergleichbares“ im Bezirk. Das Hostel ergänze sich perfekt mit der Bar und er habe die nötige Erfahrung. Skora hat selbst mehrere Hostels in Berlin gegründet und sich dabei immer wieder Auseinandersetzungen mit Behörden geliefert.

Bei ersten Gesprächen mit Wittenborn und Hussain sei man sich schnell einig geworden. Die jungen Hostelbesitzer erzählen, sie hätten erst nur die Bar im Kopf gehabt. Skora sagt, die beiden seien die einzigen gewesen, die sich Bar und Hostel zugetraut hätten. Skora sichert die Domain, gewährt Mietnachlässe und heuert eine PR-Agentur an, als das Bauamt das erste Mal vorbeischaut. Die PR-Agentur schreibt, das Bauamt setze Flüchtlinge auf die Straße. Es hagelt Kritik: Das Hostel instrumentalisiere geflüchtete Menschen. Wittenborn sagt, er wurde falsch zitiert und habe Skora gegenüber seinen Ärger zum Ausdruck gebracht. Auf die Frage, warum die Pressemitteilung immer noch online ist, reagiert Wittenborn verdutzt. Skora hält sie nach wie vor für eine gute Idee.

Gegen den Partytourismus

Ganz sicher aber ist sie Futter für die Kanonen der Nachbarschaftsinitiative Weserkiez. Der seit den Zeiten des Fuchs & Elster bestehende Zusammenschluss von Anwohnenden setzt sich für ein „nachhaltiges Gewerbe“ und gegen den „Partytourismus“ im Haus ein. Die in der linken Szene vernetzte Gruppe wehrte sich von Anfang an gegen das Hostel: Mit einem Blog, Flyern, auf Facebook und der Straße. Und mit Anrufen und Schreiben ans Ordnungsamt. Das nimmt auch Bezirksstadtrat Jochen Biedermann (Grüne) zur Kenntnis. Er leitet das Neuköllner Stadtentwicklungsamt, das sich nach der umstrittenen Pressemitteilung das erste Mal öffentlich zum Fall Fantastic Foxhole äußerte. In einer Stellungnahme stellte die Behörde klar, sie habe bei ihrem Besuch im Hostel lediglich „weitere Vermietungen untersagt“, den anwesenden Gästen aber erlaubt, ihren Aufenthalt zu Ende zu bringen.

Farbbeutel und Bier

Den Konflikt gab es natürlich schon vor der Pressemitteilung, aber jetzt eskaliert er: Zeitungen schreiben über die Auseinandersetzung, Unbekannte werfen Farbbeutel an die Fassade des Hostels, die rbb Abendschau berichtet, Skora verschickt Kündigungen an fünf Mietparteien. Die Nachbarschaftsinitiative ruft daraufhin zum gemeinsamen Biertrinken vor der Bar auf, das Hostel wird an diesem Tag von mehreren Polizisten bewacht.

Die Gründe für diese Eskalation sind wahrscheinlich ein Stück weit bei allen Beteiligten zu suchen. Für Wittenborn, Hussain und Skora ist klar: Sie brauchen keine Genehmigung. Deshalb akzeptieren sie auch das verhängte Zwangsgeld nicht. Die Hostelbetreiber und ihr Vermieter argumentieren, schon das Fuchs & Elster habe Räume zur Beherbergung genutzt. Und nach einem Gesetz von 1958, bräuchten „Fremdenheime“ mit weniger als 35 Betten keine Genehmigung. Das Problem: Dieses Gesetz lässt sich nirgendwo finden. Laut Bezirksstadtrat Biedermann ist diese 35-Betten-Grenze nur eine Faustregel in der Verwaltung und Rechtssprechung und deshalb in keiner Weise bindend. Außerdem konzentriere er sich auf den aktuellen Betrieb – was das Fuchs & Elster in den Räumen getan habe, sei nicht relevant. Biedermanns Beitrag zur Eskalation ist, dass er mitzog, als Skora mit seiner Pressemitteilung die Öffentlichkeit suchte.

Die Nachbarschaftsinitiative Weserstraße hat die Aufmerksamkeit von Anfang an gesucht, aber erst mit Skoras Hilfe gefunden. Die Pressesprecherin der Gruppe beschreibt eine Professionalisierung der Gruppe und ihrer Öffentlichkeitsarbeit. Sie sehen das Fantastic Foxhole als Symbol für eine rücksichtlose Kommerzialisierung der Stadt, für Gentrifizierung und ungezügelten Tourismus. Für sie kann es kein „Partyhostel im Wohnhaus“ geben. Ihre generelle Abneigung gegen das Geschäftsprinzip von Wittenborn und Hussain macht eine konstruktive Auseinandersetzung mit den beiden Hostelbetreibern schwierig.

Kapitalismuskritik hat Hausverbot

„Please respect the neighbours!“: Eine Aufforderung, die nicht nur den Hostelgästen gilt. Foto: Pia Saunders

„Please respect the neighbours!“: Eine Aufforderung, die nicht nur den Hostelgästen gilt. Foto: Pia Saunders

Die sagen zwar, sie wollten reden, aber dass Menschen Probleme mit ihrem Vorgehen haben, können sie nicht nachvollziehen: „Die Entwicklung kann keiner aufhalten“, sagen sie im Gespräch. Im Vergleich zu Paris und Barcelona sei Berlin ja noch relativ entspannt. Vermieter Alexander Skora erzählt, er habe einem Mieter mitgeteilt: „Wenn er da weiter wohnen will, dann muss er seine Einstellung und Meinung ändern.“ Er brauche keine Kapitalismuskritik in seinem Haus. Stadtrat Jochen Biedermann glaubt, es ginge vor allem um ein Lärmproblem. Aber vieles spricht dafür, dass es auch um Deutungshoheiten und Machtgrenzen geht. Skora möchte keine Kapitalismuskritik, Wittenborn und Hussain ihr Geschäft nicht von der Nachbarschaft und dem Bezirksamt abhängig machen. Das Bezirksamt will seiner Aufgabe gerecht werden und die Nachbarschaftsinitiative will eine „Stadt von unten“.

Ruhe vor dem Sturm?

Egal welche Entscheidung das Bezirksamt trifft, die Lage wird sich erstmal nicht beruhigen. Alexander Skora macht im Interview keinen Hehl aus seiner grundlegenden Skepsis gegenüber Verwaltungsbehörden. Außerdem ist er überzeugt davon, mit dem Fantastic Foxhole Hostel den rechtlichen Rahmen eingehalten zu haben. Natürlich müsse man den Weg vors Gericht gehen, sollte das Fantastic Foxhole Hostel keine Genehmigung bekommen.

Falls die Genehmigung kommt, könnte sie von bestimmten Auflagen begleitet werden, meint Bezirksstadtrat Biedermann. Die Nachbarschaftsinitiative will mindestens „Druck machen“, um die Durchsetzung der Auflagen durchzusetzen. Man denke aber auch über eine Untätigkeitsklage gegen das Bezirksamt nach.

Keine rosigen Aussichten für Herrn Biedermann und seine Abteilung. Vielleicht ist deshalb so wenig von ihnen zu hören. Vielleicht ist das die Ruhe vor dem Sturm. Vielleicht ist das auch ein bisschen Strategie.


Lukas Wessling studiert Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er belegt mehrere journalistische Kurse an der Freien Universität und hat für JazzRadio 106,8 moderiert.


Pia Saunders studiert Publizistik- und Kommunikationswissenschaft sowie Sozial- und Kulturanthropologie an der Freien Universität Berlin.