Ohne Kirche, aber mit Gott

Ohne Kirche, aber mit Gott

Viele Exil-Georgier, die in Berlin leben, sind sehr gläubig. Doch eine eigene Kirche zum Beten haben sie hier nicht, sie dürfen stattdessen einmal im Monat die Kirche der Serbisch-Orthodoxen nutzen. Der georgische Priester, der in München lebt, gibt an seine Berliner Gemeinde per SMS Bescheid, wenn er in Berlin zum Gottesdienst kommt.

Von Elene Gvasalia

Eine große weiße Tür öffnet sich. Überall sind Ikonen zu sehen. Willkommen in der serbisch-orthodoxen Kirche am Nollendorfplatz in Berlin-Schöneberg! Hier beten nicht nur Serben, sondern auch Georgier. Wenn man in die Kirche reingeht, fällt sofort das leise georgische Sprechsingen auf, das in vielen schönen Stimmen verteilt und zumeist von Frauen gesungen wird.

Das Sprechsingen kann man in jeder Kirche Georgiens hören, da die Musik im Land eine große Rolle spielt und auch mit der Tradition eng verbunden ist. Die Stimmführung und Harmonik des georgischen Gesangs sind weltweit einzigartig.

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Vorbereitung auf das Sprechsingen (Foto: E. Gvasalia)

Die Entwicklung der georgischen Polyphonie geht der europäischen um mindestens dreihundert Jahre voraus. Die georgischen polyphonen Gesänge wurden von der UNESCO in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen. Gia Kancheli, Katie Melua, Khatia Buniatashvili, Temur Kvitelashvili sind die georgischen Musiker in verschiedenen Musikstilen, die das Publikum weltweit verzaubern. Musik ist für uns so grundlegend wie das Atmen, sie begleitet uns von der Geburt bis zum Tod, erklärt Manana Doidschaschvili, die ehemalige Rektorin des Tbilisser Konservatoriums.

Georgien ist ein Vielvölkerstaat. Aber das georgisch-orthodoxe Christentum und die Kirche haben besonders dazu beigetragen, dass sich eine georgische Identität entwickelt konnte. Als Apostelin Georgiens gilt die heilige Nino (4. Jh.). Staatsreligion ist deshalb das orthodoxe Christentum. 84 Prozent der Bevölkerung gehören der georgisch-orthodoxen Apostelkirche an.

Gottesdienst als ein Stückchen Heimat

Die meisten Georgerinnen und Georgier sind traditionell religiös, gehen in die Kirche und beten jedes Wochenende. Sogar die Emigranten oder Studenten, die aus Georgien nach Deutschland kommen, fühlen sich ihrem Glauben verbunden und versuchen zu jedem georgischen Gottesdienst zu gehen und die Gebete zu hören. Für viele Georgier ist der Gottesdienst auch eine Verbindung zur Heimat. Doch nur einmal im Monat können sie in Berlin auf Georgisch beten. Vater Tamaz, der Priester der georgischen Gemeinde in Deutschland, lebt in München. Wenn er nach Berlin kommt, gibt er allen seinen Gemeinden per SMS Bescheid.

Giorgi Shergilashvili ist ein Georgier, der schon seit drei Jahren in Potsdam wohnt, er ist 25 Jahre alt. Vom georgischen Gottesdienst hat er von seinen Freunden erfahren. „Viele Georgier gehen hier in die Kirche und alle meine Freunde auch”, sagt er. „Ich gehe manchmal in die russische Kirche. Die Ikonen und das Gebet habe ich aber auch zu Hause, viele meine georgische Bekannten haben wenigstens eine Ikone in Deutschland dabei.“

Vor einiger Zeit hat sich Giorgi entschieden, Vater Tamaz beim Gottesdienst zu assistieren. Er zündet die Kerzen an und kümmert sich, wenn während des Gebetes etwas gebraucht wird. „Vielleicht wird in der Zukunft sogar jedes Wochenende ein Gottesdienst stattfinden“, sagt Giorgi.

Der georgische Gottesdienst findet normalerweise an jedem dritten Sonntag im Monat statt. Da die Georgier in Berlin keine eigene Kirche haben, überlässt die serbisch-orthodoxe Kirche den Georgiern einen Tag im Monat ihre Räume gebührenfrei. Darüber hinaus bekommt die georgische Gemeinde in Deutschland keine Unterstützung. Die Gläubigen spenden für ihre Kirche.


P1030403Elene Gvasalia studierte von 2008 bis 2012 Journalismus an der Kaukasischen Universität im georgischen Tbilissi. Während des Studiums machte sie ein Praktikum beim Fernsehsender Imedi. Ihr Lebensziel ist es, Journalistin zu werden. Sie sagt, dass sie beim RBB, wo sie ihr Praktikum in der Redaktion von Brandenburg aktuell macht, wichtige Erfahrungen sammelt und das journalistische Wissen bekommt, das sie in ihr Land investieren möchte. Sie hat vor, künftig in Georgien nach dem Vorbild deutscher Journalisten zu arbeiten.

Internationales Journalisten-Kolleg ǀ Journalisten International ǀ Sommer 2013