„Pfandflaschensystem“ abgeschlossen: Ergebnisse des BSR-Testballons

„Pfandflaschensystem“ abgeschlossen: Ergebnisse des BSR-Testballons

„Für Großstädte gibt es im Grunde kein Konzept, wie man Tourismus und Bewohner miteinander kompatibel macht.“ Das sagt Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann. Ihre konkreten Anliegen sind momentan Einführung neuartiger Pfandflaschensysteme und City-Toiletten für Friedrichshain-Kreuzberg. Für beide Ideen gibt es spruchreife Konzepte.

Von Aileen Rost und Theresa Rohde

„Die BSR steht mit Frau Herrmann und Vertretern des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg in einem regelmäßigen Austausch zum Thema Stadtsauberkeit – und damit auch zum Thema stadtverträglicher Tourismus. Wir haben beispielsweise in enger Abstimmung mit Frau Herrmann die Nachteinsätze unserer Straßenreinigung im Bereich Revaler Straße und auf der Warschauer Brücke eingeführt“, schreibt Sebastian Harnisch, Pressesprecher der BSR auf Nachfrage.

Monika Herrmann aber ist sich sicher, dass das noch nicht die Lösung des Problems ist. Schließlich gäbe es durchgeknallte Junggesellenbanden, die total blau mit den Flaschen, die Menschen neben die Mülleimer stellen, Fußball spielen. Ein kostenintensives Pfandflaschensystem muss her. Oder? Um die Relevanz dieser Idee zu testen, hat die BSR ein einjähriges Projekt durchgeführt, bei dem in zwei Berliner Bezirken verschiedene Pfandflaschensysteme über Mülleimern und Laternenmasten angebracht wurden. Braucht Friedrichshain das auch?

Eine Umfrage unter AnwohnerInnen im Alter von 26-29 Jahren hat ergeben, dass die Relevanz für solch ein System nicht gesehen wird. Eine von ihnen bringt es auf den Punkt: „Ein Pfandsystem halte ich für sinnfrei. Es ist doch meist so, dass das System, das sich von selbst etabliert, am ehesten funktioniert. Eine zusätzliche Box an den Masten würde den Vandalen doch nur noch mehr Angriffsfläche bieten.“ Über Beschwerden angesichts zunehmender Verschmutzung aufgrund von Glasscherben ist nichts bekannt.

Prekäre Situation von FlaschsammlerInnen unterstützen?

Außerdem wirft eine kritische Auseinandersetzung mit der Idee Pfandsystem die Frage auf, ob man durch zusätzliche Behälter nicht im Grunde die prekäre Situation der FlaschensammlerInnen noch verstärkt. Das kann man diskutieren. Aber das Leben sieht eben so aus: einige Menschen sammeln Flaschen. Offiziell ist nicht erfasst, in wieweit sich Flaschensammler bedroht fühlen von angeregten „Neu- Sammlern“. Inwiefern dieser Diskurs einen Einfluss auf die Durchsetzung des Projektes hatte, ist unklar. Sicher ist aber, dass es nach der Testphase keine neuen Pfandflaschensysteme in Berlin geben wird.

Keine Lösung in Sicht

„Wenn ein Pfandflaschensystem an den Mülleimern die Leute vom „Wühlen“ abhält, dann her damit. Ich selber nehm’ meinen Pfand meist wieder mit oder stelle ihn neben den Mülleimer“, sagt eine der befragten Mittzwanziger – und trifft dabei in die entscheidende Kerbe.

Da bei den beiden Pilotprojekten in Charlottenburg-Wilmersdorf und Spandau trotz bestehender Flaschenhalter die Straßen-Papierkörbe weiterhin durchsucht wurden, ist nicht davon auszugehen, dass solche Abstellmöglichkeiten die Verschmutzung durch Glasscherben nachhaltig eindämmen. Die Kosten für solche Projekte sind dem Gebührenzahler nicht vermittelbar, wenn das entsprechende Ziel verfehlt wird, d.h. keine grundlegende Änderung des Suchverhaltens der Pfandflaschensammler erfolgt. Im Ergebnis hat die BSR darauf verzichtet, die Pilotprojekte fortzuführen oder gar ausweiten.

So begründet Sebastian Harnisch, Pressesprecher der BSR, die Entscheidung.

Monika Herrmanns Fokus liegt allerdings noch immer darauf, die Verschmutzung durch Glasscherben einzudämmen und nicht darauf, das Suchverhalten der FlaschensammlerInnen zu verändern. Möglicherweise liegen die Schwerpunkte von BSR und Bezirksbürgermeisterin an dieser Stelle zu weit auseinander. Ohnehin sollte darüber nachgedacht werden, ob ein neues System wie dieses nicht eine längere Zeit als ein Jahr benötigt, um bekannt zu werden und sich zu etablieren.

Wenn Bezirke trotzdem am Pfandflaschensystem festhalten möchten, können sie die Flaschenhalter von der BSR erwerben. Allerdings obliegen die Anbringung, Wartung und Pflege sowie die damit verbundenen Kosten in der Verantwortung der jeweiligen Bezirke bzw. Kommunen. Fortsetzung ungewiss.

Neue Maßnahme, neues Glück

Ein weiterer Punkt auf Herrmanns Agenda ist im Stadtbild deutlich zu erkennen bzw. zu riechen. Auf dem blanken Asphalt sind die nassen Spuren sichtbar. Pinkelnde Männer erleichtern sich an Laternen, Brückenpfählen, Häuserwänden. Der Partystimmung am RAW-Gelände und der Oberbaumbrücke im Friedrichshain scheint das keinen Abbruch zu tun. Hier feiern Touristen und Touristinnen sowie Einwohner und Einwohnerinnen bis die Sonne aufgeht – und die Blase nicht mehr halten kann, was Bier und Wein erzeugt haben.

„In Grünanlagen und im öffentlichen Straßenland Berlins gibt es ca. 258 öffentliche Toiletten. Hierbei handelt es sich um City Toiletten, auch als Modultoiletten bekannt; gemauerte oder unterirdische Toilettenhäuschen; Café Achtecks, welche überwiegend nur für Männer sind; wie auch die City Pissoirs und Sanitärcontainer“, erklärt die stellvertretende Senatssprecherin für Umwelt, Petra Rohland. Davon befinden sich 21 öffentliche Toiletten im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Scheinbar zu wenig und nicht dort, wo sie gebraucht werden, glaubt Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann. Ihr Plan: mehr Toiletten an touristischen Knotenpunkten, kostenlose Nutzung und visuell andere Modelle als die derzeitigen Wall-WCs, um Platz zu sparen – die Säuberung wird aus der Citytax bezahlt. Das Problem: Der Bezirk darf nur Toiletten auf eigenes Land stellen, öffentliches Straßenland hingegen wird vom Senat bestellt.

Bei dem Thema öffentliche Toiletten gibt es eine Vielzahl von Interessen: die Interessen der Bezirke, die ihren Bedarf an öffentlichen Toilettenanlagen einbringen, sowie die Interessen des Senats an Wirtschaftlichkeit und einem ganzheitlichen attraktiven Konzept. Es gilt die Interessen der Behindertenverbände, der Tourismusbranche, des Einzelhandels und der Hotels, und insbesondere der Einwohner und Besucher Berlins zu berücksichtigen.

So beschreibt Petra Rohland die Situation. Seit 1993 liegt die Handhabe über die öffentlichen Toiletten bei Wall, die im Gegenzug für ihre Leistung von Sanierung und Wartung die Werberechte für die Toilettenhäuschen erhielten. Der sogenannte Toilettenvertrag wurde 2008 als „Verstoß gegen das Koppelungsverbot bei öffentlichen Vergaben“ erklärt, weshalb sich „Berlin dazu entschlossen hat, das Thema öffentliche Toiletten eigenständig als wichtigen Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge konzeptionell anzugehen“, sagt Petra Rohland.

Ob Monika Herrmanns Forderung nach mehr City-Toiletten in Friedrichshain Anklang findet, ist unklar. Sicher ist jedoch, dass derzeit „für eine bedarfsgerechte Planung Nutzerzahlen ermittelt und evtl. obsolete und mögliche neue Standorte von den Bezirksämtern von Berlin abgefragt werden. Die Ergebnisse der Umfragen werden in die zukünftige Konzepterstellung einfließen“, weiß die stellvertretende Pressesprecherin der Senatsverwaltung für Umwelt. Der unangenehme Geruch an der Oberbaumbrücke sollte den Verantwortlichen dabei nicht entgehen. Wir halten Augen und Nase offen.

Titelbild: ‚At Night People at Crossroads‘ von Sascha Kohlmann / CC BY-SA 2.0


Large Blog ImageAileen Rost studiert Publizistik- und Kommunikationswissenschaft.


Theresa Rohde studiert Theaterwissenschaft sowie Publizistik- und Kommunikationswissenschaft im fünften Semester.