Queer Refugees

Queer Refugees

Homosexualität ist ein Fluchtgrund. In einigen Ländern werden Menschen in ihrer Heimat verfolgt, gefoltert, eingesperrt oder gar ermordet, weil sie schwul sind. In welcher Situation befinden sich queere Geflüchtete in Berlin? Ich sprach mit Jörg Steinert, Pressesprecher des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD). Der LSVD bietet viele Beratungen für homosexuelle Geflüchtete an und setzte sich stark für das Geflüchteten-Heim für Homosexuelle ein.

Von Florian Prokop

Herr Steinert, können sie mir etwas über die Situation von queeren Flüchtlingen in Berlin erzählen?

Wenn die Menschen, die hier ankommen, ihre Homosexualität nicht früh genug bekannt geben, wird das im Verfahren als „gesteigertes Vorbringen“ gewertet und kann zu großen Problemen führen. Sie sind gewohnt, das staatliche Institutionen ihre Homosexualität verfolgen, unterdrücken, sie ins Gefängnis setzen oder Schlimmeres. Deswegen trauen sie sich meist im Asylverfahren während der ersten Anhörung nicht, ihre Sexualität vorzubringen und kommen damit erst Stück für Stück raus. Und das ist einfach ein riesen Nachteil, wenn gesagt wird: Das hast du dir jetzt ausgedacht. Das ist eine Schwierigkeit auf die LGBT Flüchtlinge stoßen.

Dass Homosexualität ein Fluchtgrund ist, ist vielen Menschen gar nicht so klar und auch mit einer großen Scham besetzt. Deswegen ist es wichtig, sie psychosozial zu unterstützen – damit sie sich eben auch äußern. Zusätzlich beraten wir sie durch Anwälte und Anwältinnen auch rechtlich.

In regulären Flüchtlingsheimen erfahren Homosexuelle innerhalb der Gruppe der Flüchtlinge nochmal Diskriminierung.

Wenn ein Flüchtling hier Asyl beantragt, muss er sich vor den Behörden outen – muss er seine Sexualität dann auch irgendwie beweisen?

Es gibt andere Länder, die Beweise haben wollen. Eine Fluchtgeschichte muss glaubhaft sein. Es gibt viele Sachen, die kann man gar nicht beweisen. Eine Flucht begeht man ja nicht mit einem Aktenordner unter dem Arm.

Das Problem ist die Glaubhaftmachung – es kann ja sein, dass jemand Homosexuelles flüchtet und der Grund ist gar nicht die Homosexualität sondern politische Aktivitäten, Religionszugehörigkeit und so weiter. Nicht alle Homosexuellen werden wegen ihrer Homosexualität verfolgt, aber im Generellen ist das der Grund.

Gibt es da politischen Handlungsbedarf? Was muss getan werden?

Es hat sich bereits einiges durch die Rechtsprechung verändert. Meist sind es Einzelfälle bei denen man tätig werden muss. Wichtig ist, dass die zuständigen Beratungsstellen im Anhörungsverfahren sensibel mit der individuellen Situation umgehen. Wir führen da mit einzelnen Behörden immer wieder Gespräche. Und da ist die Politik natürlich am Zug. Weil Politik leitet, anweist und beaufsichtigt. Das ist einerseits das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, als auch das Landesamt für Gesundheit und Soziales. Dort versuchen wir immer wieder für die Unterkunftssituation zu sensibilisieren. Natürlich versuchen wir auch direkt bei den politischen Akteuren zu sensibilisieren, damit die das in ihr Handeln einfließen lassen, aber da muss man als Lobbyorganisation immer viel über die eigenen Ansprüche und Gründe erklären. Das ist ein Prozess, den wir gehen.

Kommen mehr Männer oder mehr Frauen zu Ihnen in die Beratung?

Wir haben mehr Männer in unserer Beratung als Frauen. Über die Gründe lässt sich nur spekulieren: Wir vermuten das Männern eher eine Flucht gelingt. Außerdem ist bei Frauen oft die geschlechtliche Identität maßgeblicher als die sexuelle Orientierung.


Florian Prokop studiert Publizistik und Anthropologie und schreibt ins Internet, seit es das Web 2.0 gibt. Twitter: @FloProkop Snapchat: florianprokop.