Kommt nach den Containern der neue Stadtteil?

Kommt nach den Containern der neue Stadtteil?

In Französisch Buchholz soll eine neue Flüchtlingsunterkunft für 1000 Flüchtlinge errichtet werden. Das Gelände der Elisabeth-Aue soll außerdem mit Tausenden Wohnungen für Neu-Berliner bebaut werden. Obwohl noch zahlreiche Prüfungen und Planungen ausstehen, haben die Bauarbeiten für die Unterkunft bereits begonnen – zur Unzufriedenheit einiger Anwohner.

Von Maria Engler

Die Sonne scheint leicht durch das verglaste Dach des Gewächshauses, die exotischen Pflanzen schlängeln sich bei immerwährenden tropischen Temperaturen durch die Räume. Im Café des Botanischen Volksparks Blankenfelde-Pankow ist für einen Samstagnachmittag überraschend wenig los. In einer verwaisten Ecke des Cafés stehen sechs Aufsteller und zwei Tische mit Flyern, die die Bürger von Französisch Buchholz über das Kommende informieren sollen. Wenn das Bauprojekt, das knapp 300 Meter entfernt auf der Elisabeth-Aue verwirklicht werden soll, Realität wird, könnte es mit den entspannten Zeiten im Park vorbei sein.

Ende 2019 sollen die Bauarbeiten auf der Elisabeth-Aue beginnen, durch die letztendlich Wohnungen für 10.000 bis 12.000 Neu-Pankower bereitgestellt werden sollen. Neben 5000 Wohnungen verschiedener Marktsegmente sind Schulen, Kitas sowie ein Ausbau der Infrastrukturen geplant. Laut aktueller Bevölkerungsprognose für Berlin zieht es bis 2030 um die 60.000 Menschen in den Bezirk Pankow. Bei der bereits jetzt schwieriger werdenden Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt ist die Bebauung von stadteigenen Freiflächen für den Berliner Senat die einzige Lösung.

Im Moment ist die Elisabeth-Aue noch ein gewöhnliches Feld, auf dem Getreide für Vieh angebaut wird. Der Rosenthaler Weg, der direkt an der Elisabeth-Aue entlangführt, macht schon einmal den Anfang in Sachen Bauarbeiten. Nachdem bereits im Frühjahr alle Bäume am Straßenrand gefällt wurden, soll die holprige Straße in den kommenden Jahren komplett ausgebaut werden. Doch auch die Elisabeth-Aue selbst ist nicht mehr ganz frei von Bauvorbereitungen.

Die Tempo Homes kommen zuerst

Die Bauarbeiten für die Tempo Homes haben bereits begonnen.

Ein kleines Areal nahe einer Siedlung mit Einfamilienhäusern ist bereits abgezäunt und mit einigen Baufahrzeugen bestückt. Einige Berge aus Erde türmen sich vor der ländlichen Kulisse auf. Hier soll bald eine Unterkunft für Asylbewerber entstehen, auch Tempo Home genannt. Obwohl die Bebauungspläne für den Rest der Elisabeth-Aue noch lange nicht in trockenen Tüchern sein werden, sollen auf dem Areal noch in diesem Jahr 1000 Flüchtlinge unterkommen.

In der Blankenfelder Straße haben die Bewohner den perfekten Ausblick auf die Baustelle. Herr Wegener, der zusammen mit den anderen Anwohnern Besitzer des kleinen Privatweges ist, spricht sich strikt gegen die Bebauungspläne der Stadt aus. Wenn es nach ihm ginge, würde auf dem 70 Hektar großen Gelände niemand wohnen. Um sich gegen die Menschenmassen abzuschirmen, die in Zukunft durch die kleine Straße gehen könnten, hat die Gemeinschaft ein zwei Meter hohes Tor an der zur Aue gelegenen Seite installiert.

Mit Stacheldraht gegen Unsichtbare

Dass der Zeitpunkt des Baus dieses Tors, der verschlungene Stacheldraht an der oberen Kante und die im Wind wehende Deutschlandfahne direkt neben dem Tor auf Außenstehende befremdlich wirken könnte, versteht Herr Wegener. Der Weg sei aber nun einmal Privatweg und die Anwohner haben sich einstimmig für den Bau des Tores ausgesprochen. Ein fremdenfeindliches Motiv habe dabei überhaupt keine Rolle gespielt, die Anwohner wollen schlicht ihre Ruhe haben. Die schweren Baufahrzeuge, deren Gewicht dem kleinen Weg sicherlich übel mitspielen würde, sollen außerdem auf keinen Fall durch die Straße rollen.

Das neu gebaue Tor in der Blankenfelder Straße.

Von den Aktionen der Pankower NPD gegen die geplante Unterkunft wollen die Anwohner der Blankenfelder Straße nichts bemerkt haben. Am 25. Juni versammelten sich um die 30 Demonstranten auf dem Hugenottenplatz, der etwa 500 Meter von der Blankenfelder Straße entfernt ist, und machten mit Transparenten und lauter Musik aus der rechten Szene auf sich aufmerksam. Die paradoxe Situation, eine Demonstration gegen geflüchtete Menschen in einem Bezirk abzuhalten, der von französischen Einwanderern errichtet und geprägt wurde, ist den Beteiligten wohl nicht aufgefallen. Einen Tag zuvor hatten Mitglieder der Pankower NPD bereits Plakate und Schilder mit ihren fremdenfeindlichen und nationalistischen Forderungen am Zaun der Baustelle aufgehangen.

Für Herrn Wegener fallen diese Aktionen unter die Meinungsfreiheit, er selbst sieht sich allerdings nicht auf Seiten der NPD. Seiner Meinung nach macht es keinen Unterschied, ob auf dem Grundstück 1000 Flüchtlinge oder 1000 schwedische Blondinen einziehen – er möchte die Elisabeth-Aue am liebsten so lassen wie sie ist. Für ihn ist die Flüchtlingsunterkunft lediglich ein Fuß in der Tür für die Berliner Politik. Wenn die Unterkunft erst einmal steht, ist damit Tür und Tor offen für die weitere Bebauung.

Probleme und Verschmutzung auf dem Baugelände

Im Moment stehen die Maschinen auf der Baustelle jedoch still. Die Erde der Elisabeth-Aue, die bis in die 1980er Jahre hinein als Rieselfeld für die Berliner Abwässer genutzt wurde, ist höchstwahrscheinlich mit Blei und Cadmium verschmutzt. Aus dieser Zeit ziehen sich außerdem mehrere Kilometer Rohre aus Asbest durch den Boden. Herr Wegener hat einen dicken Ordner mit ausführlichen Informationen und Luftaufnahmen des Geländes angelegt. Auf Aufnahmen des Geländes sind deutliche Linien zu erkennen, die das Feld durchziehen – auf der Erde über den Rohren wächst das Getreide nicht so gut. Sollte die Erde so verschmutzt sein wie bei vergleichbaren Flächen, die ebenfalls als Rieselfelder genutzt wurden, müsste sie vorschriftsmäßig entsorgt werden – eine Kostenexplosion des Bauprojektes wäre wohl unvermeidbar.

Herr Wegener hält das gesamte Bauprojekt auch aus Gründen des Klimas und der mangelnden Infrastruktur für eine mehr als schlechte Idee. Er glaubt, dass die zuständigen Politiker in Pankow sich mit dem Projekt ein Denkmal setzen wollen – allen Widrigkeiten zum Trotz. Laut Angaben der Stadt liegt die geplante Unterkunft für Flüchtlinge auf einem kaum belasteten Stück des Geländes. Der Baustopp rührt lediglich von einem fehlendem Artenschutz-Gutachten her. Die Bauarbeiten sollen Mitte Juli fortgesetzt werden.


Maria Engler ist 27 Jahre alt und studiert nach einer abgeschlossenen Berufausbildung als Grafikdesignerin nun Filmwissenschaft und Publizistik. Sie entdeckte das neue Tor bei einem Spaziergang und recherchierte deshalb zu der Bebauung des dahinterliegenden Areals.