Der Streit um die anonymen Kinder aus der Klappe

Der Streit um die anonymen Kinder aus der Klappe

Vor mehr als zehn Jahren sorgte der schockierende Fund eines getöteten Neugeborenen in einer Hamburger Müllsortierungsanlage dafür, dass die erste Babyklappe in Betrieb genommen wurde. Die Zahl solcher Angebote hat sich seit dem stark vermehrt, doch immer wieder stehen sie unter heftiger Kritik. Am 7. Juni hat sich der Bundestag mit diesem Thema befasst und entschieden, dass diese Einrichtungen weiter bestehen bleiben dürfen. Zusätzlich wird die Möglichkeit der vertraulichen Geburt geschaffen.

Von J.R.

Die Babyklappe soll Frauen, die sich durch ihre Schwangerschaft in einer für sie ausweglos scheinenden Situation befinden, eine Alternative zur Aussetzung oder gar Tötung des Kindes bieten. Diese Idee ist nicht neu. Bereits im Mittelalter konnten verzweifelte Mütter ihre Neugeborenen anonym in verschiedenen Kirchen abgeben. Mittlerweile gibt es in Deutschland schätzungsweise 90 Babyklappen. Dort können betroffene Frauen ihr Neugeborenes anonym abgeben und sicher sein, dass es sofort versorgt wird. Bis zu acht Wochen danach können sich die Mütter noch dazu entscheiden, sich zu melden, um ihr Kind zurück zu bekommen. Anschließend wird es zur Adoption freigegeben.

Brief an die Kindsmutter im Inneren der Babyklappe. Foto: A. Sverrisson

Brief an die Kindsmutter im Inneren der Babyklappe. Foto: A. Sverrisson

Ein vergleichbares Angebot stellen anonyme Geburten dar. In etwa 130 Einrichtungen deutschlandweit können Frauen ihr Kind in sicherer Umgebung zur Welt bringen, ohne ihre Identität Preis zu geben. Wenn nach eingehender Beratung der Wunsch nach Anonymität bestehen bleibt, wird das Kind an Pflegeeltern übergeben. Die meisten dieser Angebote werden von kirchlichen Einrichtungen oder freien Trägern betrieben, die von ihrer Wirksamkeit überzeugt sind. So erklärte Gesine Cukrowski, Vorsitzende der Stiftung Findelbaby, anlässlich des12. Jubiläums der Hamburger Babyklappe: “Mit den Babyklappen ist einer beachtlichen Zahl von Neugeborenen das Leben gerettet worden.”

Es kann allerdings nicht bewiesen werden, dass durch die Angebote der Babyklappen und der anonymen Geburt tatsächlich Leben gerettet werden können. Seit deren Einführung ist die Zahl der jährlichen Kindstötungen und Aussetzungen gleich geblieben. Daher gibt es viele Kritiker dieser Einrichtungen wie beispielsweise das Kinderhilfswerk terre des hommes. Es wird beispielsweise befürchtet, dass Babyklappen missbräuchlich genutzt werden, um sich eines ungewollten Kindes zu entledigen. In einer Erklärung heißt es dazu bei terres des hommes: “Es sind nicht verzweifelte, potentielle Totschlägerinnen, die das Angebot von Babyklappen nutzen, um ihre Schwangerschaft zu anonymisieren.  Es handelt sich vielmehr um Menschen, die ihr Kind ansonsten regulär und mit Hinterlassung des Namens zur Adoption gegeben hätten.”

Mit dem Thema hat sich auch der deutsche Ethikrat auseinandergesetzt. In einer 2009 veröffentlichten Stellungnahme wird betont, dass dieses anonyme Verfahren für Mütter und Kinder teils starke psychische Auswirkungen haben kann. Dies zeigen dem Bericht zufolge Vergleichsdaten aus Frankreich, wo anonyme Geburten gesetzlich zugelassen sind. Den Kindern wird, anders als bei der “normalen” Adoption, jegliche Chance genommen, jemals etwas über die leiblichen Eltern in Erfahrung zu bringen. Dies kann bei der Entwicklung der eigenen Persönlichkeit erhebliche Probleme hervorrufen. Auch die Mütter haben keine Möglichkeit, ihr Kind je wiederzufinden. Dies löse in vielen Fällen starke Depressionen und Schuldgefühle aus.

Außerdem bewegen sich die anonymen Einrichtungen rechtlich auf sehr dünnem Eis, denn jedem Kind steht das Recht auf Kenntnis seiner Herkunft zu. Dieses Grundrecht ist als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes fest durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 im Grundgesetzes verankert. Demgegenüber stehen aber das Recht auf Leben und das Recht der Mutter auf Selbstbestimmung. Erst Anfang Juni wurde im Bundestag über die komplizierte Frage entschieden, welchem Recht man eine höhere Bedeutung zumisst. Vorerst werden demnach beide Angebote bestehen bleiben und es wird zusätzlich die “vertrauliche Geburt” eingeführt. So wird erstmals ein “legales und rechtssicheres Angebot für alle Betroffenen” geschaffen, heißt es in einer Erklärung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Dabei bleibt die Mutter während der Geburt anonym, hinterlässt ihren Namen aber in einem verschlossenen Umschlag, für den Fall, dass das Kind diesen ab dem 16. Lebensjahr in Erfahrung bringen will.

Eine knappe Übersicht über die Rechtslage finden Sie hier

Der Kommentar: Babywiegen sind kinder- und frauenfeindlich