Clubsterben in Berlin – Mythos oder Tatsache?

Clubsterben in Berlin – Mythos oder Tatsache?

In der Berliner Presse ist seit einiger Zeit vom Clubsterben die Rede. Doch wie viel Wahrheit steckt wirklich hinter dem Begriff? Ein Einblick.

Von Bernadette Boddin

Seit Jahren feiert die Welt die Berliner Clubszene. Keine andere Stadt in Deutschland ist so bekannt für ihr Nachtleben. Touristen und Einheimische amüsieren sich bis zum Morgengrauen, im klammen Odem ehemaliger Fabrikanlagen oder der stickigen Luft dunkler Hallen – das ist die Berliner Luft. Viele der laut Marketing-Gesellschaft Visit Berlin rund 1300 Clubs genießen Weltruhm, andere sind Geheimtipps; alle sind Teil der Berliner Partykultur. Die Clubszene spiegelt die Kreativität und Einzigartigkeit wider, für die Berlin in der Weltöffentlichkeit steht. Doch die Clubs sind nicht nur Teil der Kultur, sondern auch wichtig für die Wirtschaft, da sie Touristen und Berliner gleichermaßen anziehen.

Manche Clubs scheinen unantastbar, so zum Beispiel das Berghain: unproblematische Lage, gut besucht, eine Konstante in der Szene. Doch viele andere Clubs mussten in den letzten Jahren erfahren, wie es ist, wenn man bei Anwohnern und Vermietern in Ungnade fällt, wenn unzureichende Schallwände, die Gentrifizierung, das Abwandern von Gästen und Geldmangel dazu führen, dass man umziehen oder schließen muss. Unter den Läden, die dem ominösen Clubsterben bereits zum Opfer gefallen sind, befinden sich der Klub der Republik, das Knaack, Horst Krzbrg oder der Kingkong Club. Andere Institutionen verlassen momentan zunehmend ihre Standorte, z.B. das beliebte White Trash, das vom Prenzlauer Berg nach Treptow gezogen ist.

Der Klub der Republik musste 2012 schließen. Prenzlauer Berg ist mehr von Schließungen und Abwanderungen von Clubs betroffen als irgendein anderer Bezirk in Berlin. (Foto: Ostprinzessin)

Der Klub der Republik musste 2012 schließen. Im Prenzlauer Berg gibt es mehr Schließungen und Abwanderungen von Clubs als in irgendeinem anderen Bezirk in Berlin. (Foto: Ostprinzessin)

Aufgrund dieser Entwicklung war daher in der Presse in den letzten Jahren häufig vom Clubsterben zu hören und zu lesen. Clubbetreiber und Insider sprachen von einer dramatischen Entwicklung, die sich negativ auf die Wirtschaftslage und die Kiezkultur auswirke. Im Gegenzug postulierten andere, dass die Clubs lediglich innerhalb der Stadt weiterzögen und geschlossene Clubs meist an anderen Standorten wieder aufmachten, weshalb es übertrieben sei, von Clubsterben zu sprechen.

Doch wie sieht die Lage nun im Sommer 2014 wirklich aus? Hat sich eine dieser Sichtweisen bestätigt?

Marc Wohlrabe von der Berliner Clubcommission, ein gemeinnütziger Verein, der sich der Unterstützung der Berliner Clubszene verschrieben hat, kann ein massives Clubsterben nicht bestätigen. „Der Begriff Clubsterben ist übertrieben“, meint er. Allerdings sei es tatsächlich so, dass für neue Bauprojekte immer wieder besondere Orte weichen müssten. Teilweise würden neue Bauprojekte an Standorten zugelassen, an denen sich bekannte Clubs befinden, die z.B. schicken Altbauwohnungen weichen müssten. „Das Clubsterben wird dadurch im Kleinen immer wieder befeuert“. Die Stadt müsse smarter und analysierender planen, wo gebaut werden soll, fordert Wohlrabe.

Als weitere Probleme, mit denen sich Clubs konfrontiert sehen, identifiziert er die aktuelle Lärmschutzgesetzgebung, die es Anwohnern ermöglicht, zu klagen, sobald die erlaubte Dezibelzahl auch nur gering überschritten wird, zu hohe Mieten innerhalb des Berliner Rings, polizeiliche Repressionen sowie den Konkurrenzkampf der Clubs untereinander. Dass Clubs in andere Stadtteile abwandern, sieht er eher als Chance an. „Wenn trendgebende Orte verschwinden, können neue Orte das abfangen, auch außerhalb des Stadtrings. Aber nur, wenn die lokale Politik der Bezirke sie lässt, und wenn die Leute bereit sind, auch Strecken zu den neuen Clubs zurückzulegen.“ Die Partygänger selbst müssten also die Bereitschaft zeigen, auch mal weiter zu fahren.

Die Besitzer des White Trash hatten Probleme mit ihren Vermietern im Prenzlauer Berg und entschossen sich, nach Treptow umzuziehen. (Foto: Jolanda Roskosch)

Die Besitzer des White Trash hatten Probleme mit ihren Vermietern im Prenzlauer Berg und entschossen sich, nach Treptow umzuziehen. (Foto: Jolanda Roskosch)

Für Johnnie Stieler, ehemaliger Besitzer des Horst Krzbrg sind die Folgen der aktuellen Entwicklung klar: Die Berliner Clubszene zersplittert, Leute gehen nicht mehr so viel aus. Außerdem sieht auch er die Stadt Berlin als Problem: „Die Stadt hat es nicht verstanden, den Kreativen hier einen Platz zu geben.“ Marc Wohlrabe findet, dass die Berliner Kieze durch die Schließung und Abwanderung der Clubs leiser und die Straßen gentrifizierter werden. Es müsse mehr getan werden: „Berlin könnte eine Vorreiterrolle in der zielgerichteten Stadtentwicklung einnehmen, wenn die Bezirke das Recht hätten, neuen Bauprojekten bestimmte Bezirke zuzuweisen – und somit gleichzeitig bereits vorhandene Clubs zu schützen.“

Von einem Clubsterben zu sprechen, mag übertrieben sein. Die Probleme der Clubs sind dennoch offensichtlich: Sie sind ein elementarer Bestandteil der Berliner Partyszene und des Tourismus, und weitere Schließungen würden mit dem Verlust von Kulturgut und Wirtschaftskraft einhergehen.

Wenn jedoch Aspekte wie die Kommunikation mit Anwohnern und die Planung durch die Stadt sich in der nahen Zukunft verbessern, kann der Entwicklung in Richtung eines tatsächlichen Clubsterbens womöglich Einhalt geboten werden. Dies wäre wünschenswert für alle Berliner und sämtliche Touristen, die das kreative, das einzigartige Berliner Nachtleben kennenlernen wollen. Möge die Party weitergehen.


Bernadette Boddin, 23, ist Studentin der Englischen Philologie und Publizistik- und Kommunikationswissenschaft an der FU Berlin. Sie geht selbst gern und viel in der Hauptstadt aus und hat daher ein persönliches Interesse an der Zukunft der Berliner Clubszene.

2017-07-06T12:18:13+02:00 Kategorien: Berlin + Brandenburg, Lesen|Tags: , , , , , , , |