Mehr Geld für’s Kaffee kochen

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Ab Januar 2015 haben Praktikanten Anspruch auf Vergütungen wie manch Festangestellte. Ob der „Generation Praktikum“ damit ein Ende geboten ist, bleibt abzuwarten, denn viele Arbeitgeber klagen bereits jetzt darüber, sich den Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde nicht leisten zu können.

Von Malwina Ududowicz

Alexander kommt gerade von seinem vierten Bewerbungsgespräch diesen Monat. Enttäuscht zündet er sich eine Zigarette an. In dem Gespräch sollte es um eine Festanstellung in einer Grafikagentur in Berlin gehen. Eigentlich lief das Gespräch sehr gut. Die Geschäftsleitung bot ihm jedoch am Ende des Interviews nur ein sechsmonatiges Praktikum als Vorlauf zur späteren Festanstellung an. „Wissen Sie“, sagt er und atmet Zigarettenqualm aus, „mir geht dieser Schwebezustand inzwischen an die Substanz. Ich bin ein Typ, der Sicherheiten braucht, zumindest mittelfristig.“

Sein Studium als Kommunikationsdesigner hat Alexander bereits vor zwei Jahren abgeschlossen. Seitdem hat er drei Praktika durchlaufen. Nach zahllosen Bewerbungen in seiner Heimatstadt, wünscht sich der 30-jährige nichts lieber, als endlich fest angestellt zu werden.

Mittelständische Grafikbüros wie das, in dem sich Alexander vorgestellt hat, bieten ihren Bewerbern häufig erst mal nur Praktika an. Arbeitgeber wollen sich auf der einen Seite ein Bild von deren Leistung machen, auf der anderen Seite entlasten Praktikanten mit geringen Kosteneinsatz die tägliche Arbeit. Sofern sie eine feste Stelle zu vergeben haben, greifen Unternehmer oft auf einen ihrer bisherigen Praktikanten zurück. Ein Grund für diese Praxis ist der eingeschränkte finanzielle Spielraum, Auftraggeber oder Kulturträger streichen immer wieder kurzfristig Etats. Die Planungssicherheit wird dadurch erschwert.

Bereits 2007 befanden sich laut einer Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung rund 40% der Absolventen in Alexanders Situation. „Praktika nach Abschluss des Studiums sind in den vergangenen Jahren eine neue Form der Übergangsarbeitslosigkeit von Hochschulabsolventen geworden“, so die Autoren der Studie Dieter Grühn und Heidemarie Hecht. Ab Januar 2015 soll nun der sogenannten „Generation Praktikum“ ein Ende bereitet werden. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hat deutschlandweit den Mindestlohn durchgesetzt. Neben vielen anderen Arbeitnehmern werden auch Praktikanten, die eine abgeschlossene Ausbildung vorweisen können und länger als sechs Wochen in einem Betrieb arbeiten, Anspruch auf 8,50 Euro brutto pro Stunde haben.

Berufsanfänger, die keine feste Anstellung bekommen absolvieren Praktika, so die  branchenübergreifende Umfrage „Generation Praktikum der Hans-Böckler-Stiftung aus dem Jahr 2011. Viele der Absolventen hoffen nach einem Praktikum auf die anschließende Übernahme in einem Betrieb. Sie wollen so vermeiden, dass Lücken in ihrem Lebenslauf entstehen und kaschieren auf diese Weise ihre Übergangsarbeitslosigkeit. Dabei liegt der Durchschnittsverdienst der Befragten bei 3,77 Euro brutto, 40% machen unbezahlte Praktika und 22% müssen zusätzlich Sozialleistungen beanspruchen. Die Bundesregierung will diesen Missstand mit Hilfe des Mindestlohns korrigieren. Bei einer üblichen 40-Stunden-Woche soll demnach ab 2015 ein monatliches Gehalt von 1530 Euro fällig werden. Damit würde ein Praktikant in manchen Branchen ebenso viel verdienen wie ein Berufseinsteiger.

Einer Umfrage der Fachhochschule Mainz aus dem Jahr 2013 zufolge, verdienen junge Grafikdesigner im bundesdeutschen Durchschnitt mindestens 1800 Euro monatlich. Für Berlin mögen noch andere Maßstäbe gelten. Berufsanfänger verdienen brutto – nicht nur im kulturellen Sektor – zwischen 1300-1500 Euro im Monat. Derartige Fälle sind bekannt.

Viele Arbeitgeber dürften sich fragen, wie der Mindestlohn finanziert werden kann. Unternehmen werden womöglich für Berufsanfänger keine Praktika mehr anbieten können, sagt Boris Schmidt, Co-Autor der Studie „Generation Praktikum“. Für Betroffene dürfte das auch ein Verlust darstellen, denn es gibt durchaus Absolventen, die zur beruflichen Orientierung auch an Praktika interessiert sind.

Andreas Fröhlich, Leiter des Fachbereichs Medien, Kunst und Industrie der Verdi Berlin meint, dass „Praktika im Idealfall für Unternehmen eine „plus-minus-null-Rechnung“ ergeben sollten. Praktika dienen dem Fortkommen in der eigenen Branche. Es geht um die Förderung des Nachwuchses, nicht um den Missbrauch von billigen Arbeitskräften!“ Die Mindestlohnregelung ist in seinen Augen ein großer Schritt in die richtige Richtung. Dennoch hält Fröhlich Ausweichmanöver wie beispielsweise die Scheinselbständigkeit für mögliche Nebenwirkungen des Mindestlohns. Für Behörden wird es denkbar schwierig sein, die Einhaltung des Mindestlohns zu überprüfen. „Der Gesetzgeber kann für die Menschen nur ein Angebot schaffen, Betroffene müssen ihre gerechte Bezahlung selber einfordern“ so Fröhlich. Es liegt letztlich bei den Unternehmen sich gesetzeskonform zu verhalten.

Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt auch Sabine Koch vom Berufsverband der Deutschen Kommunikationsdesigner (BDG). Der Missbrauch von Praktikanten als Billigarbeitskräfte ist in der Branche bekannt, daher begrüßt sie den Gesetzesentschluss zum Mindestlohn. Es wird künftig schwieriger sein Absolventen auszubeuten, glaubt Koch. Doch gerade in der Kreativbranche sowie im Kulturbetrieb sieht Koch auch die Probleme der neuen Gesetzeslage. Ausbildungen für diese Bereiche sind bewusst ohne konkrete Ausrichtung auf einen bestimmten Berufszweig angelegt. Praktika sind besonders in diesem Sektor sinnvoll: Sie dienen Absolventen für die Entwicklung ihres Profils. Daher fordert der BDG gemeinsam mit dem deutschen Kulturrat, Praktika im Kulturbetrieb bis zu drei Monate vom Mindestlohn auszunehmen. Darüber hinaus mahnt der Kulturrat die schlechte Ausstattung der Budgets für öffentlich-rechtlich finanzierte Projekte an, die faire Bezahlung ist auf dieser Grundlage generell problematisch.

Alexander bezweifelt die große Wendung durch den Mindestlohn. Wenn offizielle Praktika mit Mindestlohn nicht angeboten werden können, würde er es weiterhin vorziehen sich auf fragwürdige Angebote einzulassen. In seiner Situation ist das immer noch besser, als gar keine Arbeit zu bekommen.



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Malwina Ududowicz ist staatlich geprüfte Grafikdesignerin. Sie lernte am Lette-Verein Berlin und schloss ihr erstes Studium 2010 ab. Ein weiteres Studium in Kunstgeschichte und Publizistik- und Kommunikationswissenschaft begann sie an der Freien Universität 2011. Inzwischen steht sie kurz vor dem Bachelor.

2017-07-06T12:18:14+02:00 Kategorien: Berlin + Brandenburg, Lesen|Tags: , , , , , , |