Chefkoch.de geht von Online zu Print

Chefkoch.de geht von Online zu Print

Erfolg offline wie online: Das Chefkoch-Magazin hat offenbar ein Rezept gefunden, das die Geschmäcker trifft. Die Plattform Chefkoch.de ist mit einer Vielzahl von Rezepten in den letzten Jahren zu einem gefragten Anlaufpunkt für Hobbyköche geworden. 250.000 Rezepte stehen den Nutzern zur Verfügung. Allein bei der Suche nach einer Erdbeertorte stößt man hier auf 148 verschiedene Rezepte, zusammengetragen von einer riesigen Community. Nach der Eroberung des Internets, folgte im Oktober 2013 der Sprung in den Printbereich. Wir sprachen mit Sandra Prill, der Redaktionsleiterin des Chefkoch-Printmagazins, über die unkonventionelle Entscheidung, einer Onlineplattform den Einzug auf den Zeitschriftenmarkt zu gewähren.

Von Lisa Kühne und Catherine Ziehm

Sandra Prill, Redaktionsleiterin des Chefkoch-Magazins (Gunter Glücklich, Hamburg)

Freut sich über einen guten Start des Magazins: Sandra Prill. (Foto: Glücklich)

Chefkoch.de ist eine der erfolgreichsten Angebote im Food-Bereich. Hatte man damit zu Startzeiten gerechnet?

Nein, Chefkoch.de ist fast aus reinem Zufall entstanden. Ein paar Studenten haben sich zu Zeiten, als das Internet noch Neuland war, die Domain gesichert und mussten die Seite füllen, um sie zu reservieren. Also haben sie aus Kochbüchern Rezepte abgeschrieben und gemerkt, dass die Leute stark darauf reagieren. So entwickelte sich das Geschäftsmodell. Von da an waren die Entscheidungen sehr überlegt.Chefkoch.de hat sich rasant weiterentwickelt und ist dann ganz schnell zur mittlerweile drittgrößten Onlineplattform in Sachen Kochen weltweit herangewachsen. Mittlerweile werden über 11 Millionen Unique Visitors erreicht.

Im Oktober 2013 erschien das erste Chefkoch-Printmagazin. Was hat Sie dazu bewogen?

Die Überlegung, ein Printmagazin herauszubringen, ist erst in den letzten zwei Jahren herangewachsen (nachdem Gruner und Jahr Chefkoch.de für eine Summe von etwa 8 Millionen Euro aufgekauft hatte, Anm. der Redaktion). Unser Vorstand entwickelte persönlich die Idee dazu. Wir wussten auch, dass sich die Online-User die Rezepte häufig ausdrucken, in Bildern gesprochen ist das pro Jahr ein sieben Kilometer langer Stapel Ausdrucke. Wir haben uns gedacht: drucken können wir noch viel besser!

Andere Onlineplattformen wie Netdoktor, The European oder Motor.de haben aus ihren Onlineplattformen ebenfalls Printmagazine gemacht. Haben Sie bzw. Gruner und Jahr diese Veränderungen auf dem Printmarkt wahrgenommen und sich dadurch vielleicht sogar inspirieren lassen?

Bei Gruner und Jahr war es der erste Versuch, den Weg von Online zu Print zu gehen. Es wurde deshalb als etwas Neues empfunden. Die drei anderen Magazine spielten gar keine Rolle, weil für unsere Entscheidungen eher das direkte Konkurrenzumfeld der Food-Zeitschriften relevant war und beobachtet werden musste. Wichtig war es, die Lücke zu finden im proppenvollen Food-Zeitschriftenmarkt.

Welche Lücke füllt denn das Chefkoch-Magazin?

Unser Zauberwort lautet Inspiration. Während Sie auf Chefkoch.de 250.000 Rezepte relativ ungefiltert vorfinden, erstrahlt das Printmagazin in einem völlig anderen Glanz. Wir zeigen zwar nur 50 dieser Vielzahl an Rezepten. Doch wer das Heft zuhause hat, findet wahrscheinlich schneller etwas Ansprechendes als online. Denn die Rezepte im Heft wurden von uns wunderschön fotografiert, um Kochtipps erweitert und emotional betextet. Es ist der Boutique-Charakter: Statt Warenhaus finden sie eine exklusive Auswahl.

Das wirklich Besondere ist aber, dass diese Rezepte von Usern stammen und bereits 1000-fach getestet und bewertet wurden. Das ist etwas völlig Neues auf dem Food-Zeitschriftenmarkt. Bei uns steckt hinter jedem Rezept ein Versprechen, nämlich die Garantie, dass es gelingt. Denn von den erfolgreichsten Rezepten wählen wir nur die besten aus, sie müssen mindestens 3,5 Sterne haben, um ins Magazin zu kommen. Jeder einzelne User ist übrigens super stolz, wenn es sein Rezept ins Heft schafft. Eine Art Ritterschlag.

Also liegt gerade in der Beteiligung der Online-Öffentlichkeit die Besonderheit Ihres Magazins?

Absolut, das ist das Wesentliche an dem Heft. Die Online-Community spielt für uns die Hauptrolle, denn von dieser stammen nicht nur die abgedruckten Rezepte, sondern sie stellt auch den Motor unseres Erfolges dar. Wir sind abhängig von deren Wohlwollen, denn auf der Plattform wird über das Printmagazin gesprochen. Darum ist es für uns selbstverständlich, dass wir mit jedem Urheber in Kontakt treten, ihn um Erlaubnis bitten und für Fragen zur Verfügung stehen. Bis jetzt klappt das hervorragend. Wir erhalten eine Menge Lob und Rückenwind seitens der User. Und: Wir hören auf deren Kritik. Zum Beispiel haben wir bereits eine neue Seite ins Leben gerufen, nachdem der sechste User uns darum gebeten hatte.

Meinen Sie, dass einige Leser sich eventuell unabhängig von dem Kriterium der Vorauswahl das Chefkoch-Magazin kaufen, weil sie vielleicht lieber mit einer Papierversion als mit ihrem Laptop vor der spritzenden Pfanne in der Küche stehen wollen?

Ja, wir hatten schon Leute, die gesagt haben, „endlich ein Heft, ich finde das Online viel zu anstrengend.“ Ich persönlich gehe immer mit meinem iPad in die Küche, wenn ich nach Rezept koche, das kann man abwischen und das Heft nicht. Aber ich denke für unsere Zielgruppe ist das Haptische wichtig, das Stöbern im Magazin bei einer Kaffeepause. Da sind wir wieder beim Stichwort der Inspiration. Das Heft erfüllt mehr Nutzen als das reine Nachkochen. Dafür trennen sich einige Leser dann die Seiten raus und stecken sie in Schutzhüllen. Solche Resonanzen bekommen wir auch und das ist wirklich witzig. Aber ich denke, irgendwann wird das mobile Gerät in der Küche selbstverständlicher. Der Wandel zeichnet sich ja schon ab.

Auch wenn es erst die vierte Ausgabe des Chefkoch-Magazins ist, können Sie eventuell bereits ein Fazit ziehen, wie erfolgreich das Magazin im Vergleich zur Onlineplattform von Chefkoch ist?

Wir haben uns um einigeInstrumente bemüht, um eine erste Analyse dieser Art zu machen. Unsere Marketing- und Öffentlichkeitsabteilung hier im Haus hat eine nicht repräsentative Umfrage mit 2500 Menschen gestartet, die Chefkoch nutzen und das Heft gelesen haben. Ich kann dazu zwar leider keine offiziellen Zahlen heraus geben, aber das Heft läuft für einen Neustart sehr erfolgreich. Die Auflagenzahl liegt um die 150 000, was enorm stark ist. Wir haben mit dem Start der ersten Ausgabe ein Werbeaufkommen in Millionenhöhe gehabt, um dem Ganzen ein bisschen Kraft zu verleihen. Dementsprechend sind wir jetzt so gut auf dem Food-Zeitschriftenmarkt positioniert, dass wir sagen, es ermutigt uns weiter zu machen und es auch weiter zu entwickeln. Es wird einige neue Schritte geben, die wir in diesem Jahr gehen werden, wie zum Beispiel den Preis etwas anzuheben.

Wozu ist eine Preisanhebung denn notwendig?

Der Fokus von jedem Verlag liegt genau wie bei Gruner und Jahr darin, einen wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen. Ist ja logisch. Mit dem Einführungspreis von 1,50 Euro pro Heft ist das nicht möglich. Alleine die Fotoproduktionen verschlingen jeden Monat mehrere 10.000 Euro. Mein Fokus als Redaktionsleitung liegt eher darin, durch überzeugende Inhalte eine hohe Auflage zu erzielen, sodass die Käufer sagen „deshalb kaufe ich das Heft“ und die Anzeigenkunden sagen „das finden wir gut!“ Nur so kann ein Heft heute überleben.

Und was denken Sie ist das entscheidende Erfolgsrezept, damit die Leser das sagen?

Das Wichtigste ist, dass die Rezepte auch wirklich funktionieren. Nirgendwo passieren so leicht Fehler wie bei Rezepten. Als Beispiel: Aus 1–2 El werden schnell mal 12 El, z.B. Zucker. Dann schmeckt das Ganze aber ganz schön süß! Wir betreiben einen enormen Aufwand, um Fehler zu vermeiden. Das kostet natürlich am Ende Geld. Und hier investieren wir und sind überzeugt, es ist es wert. Und wie gesagt, wir wählen Rezepte aus, die wirklich gelingen und einfach sind und die zumindest fast jeder kann, so dass auch Kochanfänger immer was finden. Wir haben eine tolle Resonanz. Leute sagen: „Ich habe mich noch nie getraut, einen Apfelstrudel zu machen und mit dem Rezept im Chefkoch-Magazin ging es jetzt wirklich einfach“.

Denken Sie, dass Ihr Beispiel Schule macht?

Also ich kann mir gut vorstellen, dass das ein Trend ist und noch viele Modelle dieser Art folgen werden. Wir beobachten derzeit alle den Wandel, den Print durchläuft: Früher war Print immer so wichtig und die Onliner waren etwas überspitzt gesagt die, die im Hinterstübchen saßen und da auch noch irgendwas zum Heft gemacht haben. Und das ändert sich gerade, auch schon alleine von der Präsenz der Onlineredakteure her. Online, Print, eMagazines, Apps… all jene Medien werden zukünftig stärker verzahnt. Und eine erfolgreiche Onlineplattform funktioniert wie ein Motor, der viel Rückenwind geben kann. Das kann sich jedes Heft heute nur wünschen.

Chefkoch cover Box


Lisa Kühne studiert Publizistik- und Kommunikationswissenschaften sowie Niederländische Philologie an der Freien Universität Berlin. Für ein Semester besuchte sie die Universität Zürich und sammelte während eines Praktikums in Bern erste Erfahrungen im Bereich Eventmanagement.

Catherine Ziehm ist Deutsch-Französin und studiert Publizistik- und Kommunikationswissenschaften sowie Filmwissenschaften an der Freien Universität Berlin. Ihren Master möchte sie gerne in den Niederlanden absolvieren. In ihrer Freizeit probiert sie leidenschaftlich gerne neue Rezepte von Chefkoch.de aus.

2017-07-06T12:18:15+02:00 Kategorien: Lesen, Macht + Medien|Tags: , , , , , , , |