Taxi-Streik: Duell zwischen Tradition und Innovation

Taxi-Streik: Duell zwischen Tradition und Innovation

Das Taxigewerbe sieht seine Existenz in Berlin durch Fahrdienstvermittler wie Uber bedroht. Wie die Reform des Personenbeförderungsgesetzes eine ganze Branche politisiert.

von Milena R. Osterloh

„Stoppt den Wild-West!“, steht auf den Bannern, die die Taxifahrer*innen in die Höhe halten. Doch während sich in einem Western zwei ebenbürtige Gegner mit Pistolen duellieren würden, erinnert der Kampf, den die Taxifahrer*innen an diesem Donnerstag in der sengenden Mittagshitze führen eher an David gegen Goliath. Ihr übermächtiger Gegner: Uber.

Vor der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz am Köllnischen Park haben sich am 6. Juni 2019 mehrere hundert Taxifahrer*innen zu einer Kundgebung versammelt. Lautstark und unisono verkünden sie die Forderung, die sie an die Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) stellen: „Uber raus! Uber raus!“. Sie fordern ein Verbot von Uber in Berlin und schärfere Kontrollen der sogenannten Rückkehrpflicht.

In der App des US-Unternehmens Uber kann man sein gewünschtes Ziel eingeben und diese findet dann eine*n verfügbare*n Uber-Fahrer*in in der Nähe. In Europa dürfen diese Fahrer*innen keine Privatpersonen sein, da man einen Personenbeförderungsschein benötigt, um Personen gewerblich befördern zu dürfen. Uber vermittelt daher Mietwagen, deren Fahrer*innen einen P-Schein besitzen. Somit fallen auch die Uber-Fahrer*innen unter die Rückkehrpflicht. Sie müssen nach jeder Fahrt wieder zu ihrem Hauptsitz zurückfahren, es sei denn, sie bekommen unterwegs bereits einen Folgeauftrag. Außerdem dürfen sie nicht am Flughafen, vor Clubs oder am Straßenrand stehen und auf Fahrgäste warten. Das ist dem Taxigewerbe vorbehalten.

Taxifahrer*innen protestieren vor der Senatsverwaltung für Verkehr: „Schluss mit dem Wild-West von Uber und Co!“ Foto: Milena R. Osterloh

„Uber führt Krieg gegen das Taxigewerbe“

Doch diese Rückkehrpflicht werde von den Uber-Fahrer*innen auf den Straßen Berlins nicht eingehalten, erzählt der Taxifahrer Memet: „Die Uber-Fahrer blockieren zum Beispiel am Flughafen die Halteplätze für Taxis und trinken Tee, während sie auf ihre Fahrgäste warten.“ Deswegen ist Memet an diesem Tag trotz der Hitze auf die Straße gegangen. Er fordert, dass Politik und Behörden die Rückkehrpflicht stärker kontrollieren und somit dem „Wild West von Uber und Co.“ ein Ende machen.

Uber ist für seine Aggressivität bekannt. Das Unternehmen wächst rasant und wurde beim Börsengang in diesem Jahr mit etwa 82 Milliarden Dollar bewertet. Der Milliardenkonzern drängt weltweit auf den Markt der Mobilität. In Deutschland fährt Uber bereits in den Großstädten Köln, Frankfurt, Düsseldorf, München und Berlin.

„Uber führt Krieg gegen das Taxigewerbe“ sagt der verkehrspolitische Sprecher der Linken, Harald Wolf. Er ist zu der Kundgebung gekommen, um die Taxifahrer*innen in ihrem Kampf gegen Uber zu unterstützen. Man wolle nicht, dass Uber in Berlin Terrain gewinne. Daher fordere er neben stärkeren Kontrollen der Rückkehrpflicht gleichzeitig eine schnelle Anpassung der Taxitarife.

Die Plakate machen deutlich, wer der Gegner der Taxibranche ist: „SozialräUBER“ Foto: Milena R. Osterloh

Die Taxibranche im Umbruch

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CDU) erschütterte mit seinem Vorhaben den Taxi- und Fahrdienstmarkt zu liberalisieren, das Taxigewerbe in seinen Grundfesten. Im Zuge einer Reform des Personenbeförderungsgesetzes soll demnach auch die Rückkehrpflicht abgeschafft werden. Diese Gesetzesänderung würde dem Taxigewerbe seinen wichtigsten Wettbewerbsvorteil entziehen und somit Fahrdienstvermittlern wie Uber in die Karten spielen. In Berlin formierte sich daraufhin die „Scheuer-Wehr“: Mit einer Sternfahrt legten am 10. April 2019 tausende Taxifahrer*innen den gesamten Verkehr lahm.

Auch Rita* ist bei der Sternfahrt dabeigewesen. „Hat Spaß gemacht!“, sagt sie lachend. Ein Jahr vor dem Mauerfall fing Rita an Taxi zu fahren. Damals war sie Germanistikstudentin und das Taxifahren ein flexibler Nebenjob. Heute, 31 Jahre später, ist es ihre Leidenschaft: „Ich mag das Taxifahren nicht nur, ich liebe es. Ich liebe Berlin und seine Geschichte. Und es macht mir einfach Spaß, den Leuten Berlin näherzubringen.“ Seit sie in der Hauptstadt Taxi fährt, habe sich das Taxigewerbe immer wieder verändert: Erst der Mauerfall, dann die Euroumstellung und jetzt Uber.

Der Fahrdienstmarkt in Berlin ist hart umkämpft. Konkurrenzunternehmen wie Uber, BerlKönig und CleverShuttle werben mit innovativen Konzepten um die Gunst der Fahrgäste. Wie viele ihrer Taxikolleg*innen hat auch Rita weniger Fahrten als noch ein paar Jahre zuvor. Das mache sie angesichts des unfairen Wettbewerbs wütend: „Wenn Uber ein Konkurrenzunternehmen sein soll, dann muss Uber unter den gleichen Bedingungen arbeiten, sonst ist es keine faire Konkurrenz.“

Nur Taxis dürfen am Straßenrand auf Fahrgäste warten. Das könnte sich bald ändern. Foto: Milena R. Osterloh

Gleiche Bedingungen für alle

Tatsächlich gelten für das Taxigewerbe mehr Restriktionen als für die Fahrer von Mietwagen. Taxifahrer*innen sind beispielsweise tarifgebunden und fahren an 365 Tagen im Jahr zum gleichen Preis. Uber hingegen kann für jede Fahrt einen flexiblen Pauschalpreis berechnen. „Bei hoher Nachfrage können sich die Fahrpreise erhöhen“, lässt sich der Uber-App entnehmen. Daher kann eine Uber-Fahrt je nach Nachfrage sowohl deutlich günstiger als auch teurer sein als eine Taxifahrt.

Zudem müssen Uber-Fahrer*innen im Gegensatz zu Taxifahrer*innen keine Ortskundeprüfung ablegen. In dieser Prüfung werden die Ortskenntnisse getestet, indem beispielsweise gefragt wird, wo das nächste Krankenhaus oder welcher der kürzeste Weg von A nach B ist. Auf die Frage, ob eine Ortskundeprüfung überhaupt notwendig sei, wenn es doch in jedem Auto ein Navi gibt, hat Taxifahrerin Rita eine klare Antwort: „Natürlich ist das notwendig. Fahr du mal mit einem Uber bei irgendeiner Großveranstaltung los und versuch irgendwo hinzukommen.“ Außerdem finde sie es wichtig, dass man auch etwas über die Stadt wisse, in der man Taxi fährt. Das mache für sie ein Qualitätstaxi aus.

Für den Uber-Fahrer Achmed* war genau diese Ortskundeprüfung der Grund nicht Taxifahrer zu werden. Sie sei zeitaufwändig und unnötig. „Geht doch auch so“, sagt er und deutet auf sein Smartphone, welches ihm als Navi dient. Eigentlich ist Achmed Elektromechaniker und der Beruf des Uber-Fahrers eine Übergangslösung. Nach dieser Fahrt werde er zurück zu seinem Firmensitz in Tempelhof fahren. Hier in Berlin schaffe er es allerdings meist gar nicht zurück, ohne einen Folgeauftrag zu bekommen. Deswegen befürwortet er Scheuers Vorschlag, die Rückkehrpflicht abzuschaffen.

Ein aussichtsloser Kampf?

Dass eine Novellierung der Bedingungen des Fahrdienstmarktes dringend notwendig ist, darin sind sich alle einig. Jedoch haben die Berliner Taxifahrer*innen Angst, bei zukünftigen Mobilitätskonzepten nicht berücksichtigt zu werden. Sie fühlen sich von der Politik und den Behörden im Stich gelassen. Auch Rita findet, der Berliner Fahrdienstmarkt sei zum Wilden Westen geworden: „Uber richtet einfach die Pistole auf das traditionelle und ehemals angesehene Taxigewerbe.“

Die Wut auf den scheinbar übermächtigen Konkurrenten Uber ist groß. Und diese Wut mobilisiert nicht nur die Berliner Taxifahrer*innen. Auch in anderen Großstädten Europas regt sich Widerstand: Paris, Madrid, London, Rom. Die Politik wird zunehmend unter Druck gesetzt, für faire Bedingungen auf dem Markt der Mobilität zu sorgen. Das traditionelle Taxigewerbe ist nicht bereit, kampflos das Feld zu räumen. Das Duell gegen das innovative US-Unternehmen ist noch nicht entschieden.
*Namen von der Autorin geändert


Milena R. Osterloh studiert im 4. Semester Deutsche Philologie sowie Publizistik- und Kommunikationswissenschaft an der Freien Universität Berlin. In Berlin bewegt sie sich am liebsten mit dem Fahrrad von A nach B.