Die Bewerbung – Wie toll bin ich eigentlich?

Die Bewerbung – Wie toll bin ich eigentlich?

Die Bewerbung ist eine Angelegenheit, die Kopfschmerzen bereitet. Für übertriebenes Selbstmarketing bin ich nicht der Typ. Muss das sein?

von Julia Lindemann

 

Schon Barney Stinson aus der US-Serie „How I met your Mother” wusste, wie sich die Bewerbung zukünftig entwickeln wird. Ich schaue eine Folge der beliebten US-Serie und denke daran, wie sehr ich mich selbst quäle mit diesen Bewerbungen. Wie formuliere ich das Anschreiben? Wie stelle ich meinen Lebenslauf am besten dar? Dabei frage ich mich oft: Wie sehr muss ich übertreiben, wie hoch muss ich mich selbst loben, um aus der Masse hervorzustechen? Wie „awesome“, wie der Seriencharakter sagen würde, bin ich eigentlich?

Alle sind „Awesome“

Barney rät seiner von beruflichen Rückschlägen geplagten Freundin Robin, sie solle das Höchstmaß an Selbstdarstellung wählen. Er dreht selbst ein Bewerbungsvideo, erfindet neue Wörter, vereint Kreativität und Vision zu „Visiotivität“ und meint alles sei „vermöglichbar“, während er auf einem Motorrad sitzt. Brauche ich das vielleicht auch?

Es kommt mir so vor, als müsste ich mich selbst so hoch loben, dass ich es nicht mehr glaube. So geht es vielen erfolglosen Bewerbern wohl auch. Man fragt sich: Wie sehr tragen meine Mitbewerber auf? Grade bei den vielen Möglichkeiten, die es heute gibt, fällt es schwer die richtige Form zu finden um aus der Masse hervorzustechen.  Sei es bei der Videobewerbung, bei Speedmeetings, über die Mappe mit Arbeitsproben bis hin zur klassischen Bewerbung.

Früher war alles leichter

Im Schrank meines Elternhauses stehen alte Bewerbungsratgeber, verstaubt und seit der Einführung des Internets kaum noch berührt. Ich blätter mich durch und hoffe auf Antworten. Früher war sicher alles leichter. In den 70ern sollte man noch, dem Ratgeber von Hans Friedrich zufolge, alles handschriftlich verfassen, den Lebenslauf sogar im Fließtext. Wem es vergönnt war eine Schreibmaschine zu benutzen, der sollte trotzdem eine Schriftprobe einfügen. Mit Sauklaue hatte man schlechte Karten. Die Bewerbungen damals schienen sich mit Details zu befassen, die für uns heute völlig unwichtig erscheinen. Mädchenname der Mutter, geschieden oder nicht, Beruf des Vaters. Sorgen um die richtige Selbstdarstellung kamen da wohl selten auf.

Ich stoße auf ein Buch aus 90ern, von Jürgen Hesse und Hans Christian Schrader. Die beiden sind Alumni der FU, Diplom-Psychologen. Sie revolutionierten die Sicht auf die Bewerbung. In Ihren Büchern machen sie klar, dass eine Bewerbung ein Marketing-Instrument für die eigene Person darstellt. Das bedeutet: Große Fotos, schicke Deckblätter, lange Lebensläufe mit genügend Platz für die Einzigartigkeit und Vielfalt eines jeden Bewerbers. Da ist sie also, die Selbstdarstellung, das „Marketing-Instrument“ Bewerbung. Hesse und Schrader haben so sicher nie eine Absage erhalten. Ich merke, ich brauche professionelle Hilfe.

Der Bewerbungs-Check

Wie macht man es heute besser? Es gibt kaum Statistiken darüber, wie und warum ein Bewerber eine Zusage erhält und warum nicht. Das bleibt firmenintern und ist eben oft eine persönliche Entscheidung. Die, die eingestellt werden, sind bestimmt solche Leute wie Barney Stinson, dachte ich nach meiner letzten Absage. Dick auftragen, Wörter erfinden und Schwächen zu Stärken machen. Was, wenn man von Natur aus kein Barney ist? Und was ist denn heute nun der Weg zum Erfolg? Maßlose Selbstdarstellung? Oder doch ehrlich sein und hoffen, dass jemand dein Potential erkennt und es positive Jobzusagen regnet?

Um das herauszufinden, hole ich mir jetzt wirklich Hilfe. Ich erfahre beim Bewerbungsunterlagencheck: Die Wahrheit über die Bewerbung liegt dazwischen. Der FU-Career Service, der sich mit der Agentur für Arbeit zusammengetan hat, um Studierenden beim Thema Bewerbung und Berufsorientierung unter die Arme zu greifen, bietet kostenlos Beratungen an.

Alles durch den Reißwolf

Foto: Pixabay

Da sitze ich nun, bei meiner gebuchten Einzelberatung, oder wie man auch sagen kann: Alles durch den Reißwolf und dann von vorn. Jeder, der sich sicher ist seine ehrlichen und durchdachten Bewerbungsunterlagen seien doch eigentlich ganz ok, der hat sich gewaltig geirrt – so auch ich. „Die Bewerbung ist ein Marketinginstrument“, höre ich auch von meiner Beraterin, während sie mit mir Schritt für Schritt meine Unterlagen zerlegt.

Ich fühle mich schlecht, während sie viel ankreidet. „Man muss sich bewusst werden, was man kann. Am besten auf eine Tapetenrolle schreiben und aufhängen. Darauf schreibt man alles, was man so macht und auch das, was andere in mir sehen. Das wird immer erweitert, denn Bewerben ist ein Prozess, der schon früh beginnt.“

Im Verlauf des Gesprächs verfliegt das schlechte Gefühl und ich merke: So klein, wie du dich vielleicht manchmal fühlst, bist du gar nicht und andere finden die Dinge, die du schon geleistet hast toller als du denkst, du musst sie nur konkret aussprechen oder aufschreiben.

Man kann mehr als man denkt

Nur wer sich seiner Stärken bewusst ist, kann sich selbstbewusst bewerben und darstellen. Der Gedanke setzt sich bei mir fest. Zudem sollte man daran denken, an wen sich die Bewerbung richtet und was verlangt wird. „Das Stichwort ist adressatengerecht. Was bringe ich dem Arbeitgeber konkret, wo liegt mein Mehrwert?“, fragt die Beraterin in den Raum. Sie erwartet keine Antwort, ich denke darüber nach. Damit ein potentieller Arbeitgeber das auch erkennt, darf man sich nicht im Groben aufhalten – Erfahrung haben die meisten. „Man muss konkrete Fakten nennen. Was habe ich schon getan? Wo habe ich bereits gearbeitet? Das sollte so konkret wie möglich ausgeführt werden, solange es relevant für die Bewerbung ist und auf einmal hat man dann doch ganz viel zu erzählen.“ Ich merke, dass viele andere ebenfalls dazu neigen sich zurückzunehmen und die Eignung und Erfahrung Anderer zu überschätzen.

„Netzwerken ist wichtig. Wenn ich mich bei anderen vorstelle und erzähle was ich so mache, dann bleibt man im Gedächtnis und man ist damit vielleicht ein zukünftiger Kontakt.“ Meine Beraterin spricht aus Erfahrung. Vielen fällt es schwer die eigenen Fähigkeiten wirklich zu sehen und die eigenen Kontakte sinnvoll auszubauen. Was in der guten Bewerbung umgesetzt werden soll, sollte man also auch in den Alltag integrieren, denn wer weiß, wem man mal begegnet und wozu diese Begegnungen führen könnten. Beim Netzwerken helfen zwar Portale wie „Xing“ oder „LinkedIn“, „am besten klappt das aber mit direkten Ansprechpartnern, die dann gleich ein Gesicht vor ihren Augen haben.“

Trau Dich!

Zunächst erdrückt, aber am Ende gestärkt. So fühle ich mich nach dem einstündigen Gespräch. Was nehme ich mit? Sich trauen, eigene Stärken genau kennen, sich nicht unterschätzen und das alles zusammen auch zum Ausdruck bringen können. Viele Ungeübten mag das schwer fallen und in der Bewerbung niedergeschrieben erstmal hochtrabend klingen. Eben doch ganz wie Barney Stinson, fällt mir auf. Im gesamten Beratungsgespräch hatte ich nicht mehr an ihn gedacht. Auch an die „Bewerbungsgurus“ Hesse und Schrader nicht. Es ging nur um mich. Wenn ich das nächste Mal eine Bewerbung schreibe und all das anwende, was ich durch die Beratung gelernt habe, werde ich beim Lesen sicher wieder denken: So toll bin ich doch gar nicht. Ich hoffe mein innerer Barney sagt dann: Doch! So toll bist du! Awesome!


Julia Lindemann studiert Kunstgeschichte und Publizistik- und Kommunikationswissenschaft im 5. Semester. Sie freut sich schon auf ihre Zukunft in der Kunstgeschichte, speziell in der Denkmalpflege.