Stichwortskript zum Vorlesungsteil 3:
Altpaläozoikum (Kambrium, Ordovizium)
von Reinhold Leinfelder, LMU
Hinweis: dieses Stichwortskript beinhaltet bislang nur wenige, meist stark verkleinerte Abbildungen. Verwenden Sie die SW- Skript (pdf, 2,8 MB) und Farb-Abbildungen (pdf, 2,4 MB) zu diesem Kapitel zur weiteren Erläuterung.
3. ALTPALÄOZOIKUM (Kambrium, Ordovizium):
Cambria=lat. Wales, Ordovizer: Volksstamm in Wales
Historisch: Ordovizium war früher Teil des Silur, d.h.
ehemaliges
Silur |
Gotlandium (heutiges Silur) |
Ordovizium |
jetzt genauer bekannt: |
- Plattenkonstellationen
- Tektonik
- Meeresspiegelschwankungen
- Klima
- Ökosysteme
|
>> paläogeographische Entwicklung
>> biologische Evolution
|
Ma |
System/
Periode |
Serie/
Epoche |
Stufe/Alter |
informell |
Vorschlag |
443 |
Ordovizium |
Ober |
Ashgillium
Caradocium |
|
|
Mittel |
Llandeilium
Llanvirnium |
|
|
Unter |
Arenigium
Tremadocium |
|
|
490 |
Kambrium |
Ober |
(Potsdamium) |
"Olenus-Stufe" |
Dolgellian
Festniogian
Maentwrogian |
Mittel |
(Acadium) |
"Paradoxides-Stufe" |
Menevian
Solvan |
Unter |
(Georgium) |
"Olenellus-Stufe" |
Lenan
Atdabian
Tommotian
Manykaian |
543 |
(aktuelle Alterszahlen für alle Erdzeitalter jeweils unter: http://www.ucmp.berkeley.edu/help/timeform.html)
3.1 Leben im Altpaläozoikum
Übersicht
- fast nur marines Leben (Ausnahmen: Kambrium sicher Einzeller und Pilze in Süßwasser und auf Festland, nicht überliefert. Oberstes Ordovizium: erste Landpflanzen? (Sporenfunde)), überwiegend Land=Wüste (klimaunabhängig)
- sehr rasche Hartteilevolution (aber Anfänge bereits im obersten Präkambrium: Conodonten, Cloudina)
- Kambrium: evolutive "Experimentierphase", v.a. bei Trilobiten, beendet von mehrfachem Artensterben
- Ordovizium: adaptive Radiation, beendet von Artensterben
vgl. Folie 23
3.1.1 Altkambrische (Tommotische) Fauna
möglicherweise nur von 530-527 Ma, in jedem Fall sehr kurz.
Übergangsfauna (vgl. Ediacara-Fauna), Evolutionsereignis
- sehr kleine Hartteil-Fossilien (wenige mm, vgl. Abbildungen)
- alles mit Exoskeletten (CaCO3, Ca-Phosphat): ursprünglich wohl Entgiftung vor überschüssigem Calcium (Ca-Ionen sind Zellgifte, wenn zu hohe Konzentrationen), Nebeneffekt: Schutz vor ersten Räubern.
- weit verbreitet
- Gruppen:
- Schwämme, Mollusken (z.B. Volborthella, 2-3 mm)
- auch Formen ohne Beziehung zu späteren Gruppen?
3.1.2 Fauna des restlichen Kambriums und Ordoviziums
nun auch größere marine Organismen
Trilobiten
- wichtigste Gruppe im Kambrium (auch als Leitfossilien, Lebensdauer oft < 1 Mio a), vgl. Folie 22
- starke Radiation im Kambrium
- Oberkambrium: Drei Aussterbeereignisse, Ende Kambrium 2/3 der Formen ausgestorben, vgl. Folie 23
- Kambrische Trilobiten relativ einfach (viele Pleuren, d.h. viele Kiemenfüßchen, holochroale Augen)
- Ordovizische Trilobiten: neue Typen: z.B. einrollbar, lange Wangenstacheln, z.T. schizochroale Augen (Phacopida, Dalmanitida)
- Lebensweise: kriechend, bodenbezogen schwimmend, z.T. grabend (v.a. Ordoviz), v.a. Detritusfresser. Opipeuter (Ordoviz): pelagischer Dauerschwimmer ("Rückenschwimmer")
- Tiefwassertrilobiten: i.allg. klein (Ausnahme Paradoxides), oft blind (Agnostiden)
- Karbonatschelftrilobiten: größer, differenzierter
- auch bereits Ostrakoden (berühmt in phosphatischer Erhaltung) und andere Crustaceen
Echinodermen
- im Kambrium "archaische" Formen, z.B. Cystoideen (Folie 22)
- im Ordovizium zusätzlich modernere Formen: Crinoiden, Seesterne (Räuber), erste Seeigel (s. Abb. rechts, aus Stanley 1987). Pentamerie entwickelt sich nur langsam.
Mollusken
- alle Gruppen bereits im Kambrium vorhanden (aus evtl. käferschneckenartigem Urmollusk entstanden?)
- rasche Entwicklung
- Tentaculiten: Kambrium bis O.Devon
- viele niedriggewundene bis planspirale Gastropoden (Eomphalus, Pleurotomaria, Loxonema (trochospiral), Bellerophon (mit Schlitzband, eigenständige Gruppe, von manchen nicht zu Gastropoden gestellt), Folie 22.
- Nautiliden wichtig als Räuber, ab O. Kambrium, rasche Entwicklung ab Ordovizium. (Orthoceras, Endoceras, Lituites-Typ). Endoceras bis 4.5 m im O.Ord.
- ab Ordovizium erste Ammoniten im weiteren Sinne.
Brachiopoden
- schon ab Kamrium (z.B. Obolus: Leitfossil O. Kambrium, Lingula O.Kambrium - rez.), viele Inarticulata
- wichtig ab Ordovizium (auch Leitfossilien), auch viele Articulata, Strophomena, Leptaena
- wichtiger als Bivalven
Graphtolithen
- ab Mi-Kambrium, v.a. seit Basis Ordovizium
- Hemichordata, Deuterostomia, Verwandte heute evtl. Eichelwürmer?
- wichtige Leitfossilien für Ordoviz
- gerichtete Entwicklung von vielästig (Dictyonema, Bryograptus, Tetragraptus) zu Stimmgabeltyp (Didymographtus) zu zweizeilig (Dicranographtus, Climacograptus, Diplograptus) zu sekundär zweiästig (Dicellograptus) (vgl. Tafelskizze).
- Im Silur Dominanz von Monograptiden, auch zweizeilige Formen.
Conodonten
- schon ab oberstes Proterozoikum
- wichtig ab Ordovizium als Leitfossilien
Weichkörperorganismen (Burgess-Shale, Chenjiang-Fauna)
Burgess-Schiefer, British Columbia, Kanada, Rocky Mountains. Mittelkambrium, hervorragende Erhaltung in feinkörnigen Sedimenten (vgl. Abbildungen)
- Sehr viele Trilobiten, insg. > 30 Gattungen von Arthropoden
- Schwämme
- polychaete Würmer (hochdivers)
- Quallen? (Räuber)
- etliche Problematica, z.B. Anomalocaris (Räuber, nun als Arthropode erkannt), Opabinia, Hallucigenia
ähnliche Fauna mit fraglichen Wirbeltierresten (fischartig) Chengjiang-Fauna, Südchina (etwas älter als Burgess-Schiefer).
Interpretation vgl. Vorlesung; siehe Abb. in den Skripten.
Rifforganismen und -strukturen
- Stromatolithen und Krustenriffe: v.a. U.-M.-Kambrium, noch bis Ordovizium recht weit verbreitet (auch noch später in Erdgeschichte, bis heute), jedoch zunehmend Abwanderung ins Intertidal bzw. Beteiligung an anderen Rifftypen. Subtidale Mikrobenkrustenriffe mit viel Renalcis / Epiphyton ("skeletäre Cyanobakterien, Calcimikroben"
Archaeocyathiden-Riffe: fast ausschließlich Unterkambrium (in Australien und Sibirien bis frühestes Mittelkambrium). zum ersten (?) Mal biologisch-enzymatisch kontrollierte Verkalkung (war ggf. bei jüngstpräkambrischer Cloudinia bereits so). Wohl zu Schwämmen gehörend. Riffe zusammen mit Calcimikroben und Mikrobenkrusten. (s. Abb. rechts (aus Stanley 1987).
- Bryozoenriffe: ab M.-Ordovizium (Bryozoen starke Radiation ab M-Ordoviz)
- Erste Kieselschwammriffe ab Mittelordovizium
- Stromatoporen-/Tabulaten-Biostrome, z..T. bereits mit rugosen Korallen, ab Oberordovizium, noch kleine Strukturen (näheres siehe Silur/Devon)
Plankton: v.a. Acritarchen (vgl. Präkambrium)
Landpflanzen
- Erste Relikte (Sporen, Zellrelikte) ab Ordovizium (vgl. Folien).
3.3 Paläogeographie des Kambriums und Ordoviziums
3.3.1 Generelle Züge
Kambrium:
- Proterozoischer Superkontinent (Rodinia bzw. Nachläufer Pannotia) vor Kambrium zerfallen
- Gondwana wird besser konsolidiert (ab ca. 500 Mio a existent); v.a. Afrika, Brasilien (geteilt durch "mobile Gürtel" bzw. "panafrikanische Ozeane"; ca. 800 bis 500, z.T. bis 400 Mio a).
- Rest der Kontinente Schollenmosaik (v.a. auf Äquatorposition, Ausnahme Baltica) -> viele Kalke.
- Anlage von Inselbögen (vgl. Vorlesungsskizze sowie Beiblätter):
- Japetusränder
- "Angara-Gürtel": -> bewegliche Mikroplatten (Kasachstan, Gobi, Tibet, S. China)
- Zwischen Laurentia und Baltika: Iapetus, zwischen Avalon und Armorica "Rheischer Ozean", südlich Angara: Paläotethys
- Ende Präkambrium: ausgeprägter Meeresspiegeltiefstand, dann rascher Anstieg während des Kambriums (vgl. Beiblatt 23): -> Schwarzschiefer-Prädisposition im Mi- und O.Kambrium (Alaunschiefer, Phosphorite).
Ordovizium:
- Generell hoher Meeresspiegel (viel Schwarzschiefer, Phosphorite), mit Rückzügen. Im O.Ordovizium starker Abfall (-> Vereisung)
- Chamositbildung (FeAl-Silikat) weit verbreitet (v.a. heutige N-Erde, v.a. Mi/O.Ord.): Fehlen von Landvegetation.
- Gondwana: Nordwandern -> Südpol im O.Ord. in NW-Afrika (Beiblatt 8) -> Vereisung (Sahara-Vereisung: Tillite und Findlinge, Kritzung): >> Starker Meeresspiegelrückgang, weltweite Abkühlung >> starkes Artensterben an bzw. unterhalb Wende Ordovizium / Silur:
- Aussterben bei Trilobiten, Nautiliden, Brachiopoden, Crinoiden, Bryozoen.
- bei Graptolithen bleiben nur Monograptiden im Silur
- Kaltwassertrilobiten wandern äquatorwärts
- wenig Karbonate im Untersilur.
- Nordwandern von Baltika: Subtropische -> tropische Kalke: Oodide und Pellets ab O. Ordovizium
- Verstärkung Subduktion Iapetus: starke Verengung, Inselbogenkollisionen


aus Stanley (1987)
3.3.2 Regionale Beispiele
Überblick: Bereiche mit
- passive Kontinentalränder (epikontinentale Überflutung): Beispiel westliches Nordamerika
- passiver -> aktiver Kontinentalrand: Beispiele Appalachen, Sardinien, Kaledoniden in GB
a) Passive Kontinentalränder und epikontinentale Überflutungen
Westtteil von Nordnamerika: Passiver Kontinentalrand mit steil begrenzter Plattform vom späten Präkambrium (Belt-Gruppe) bis Devon.
vgl. Tafelskizze, Farbskript (pdf) und SW-Beiblätter (pdf)
b) Passive -> Aktive Kontinentalränder:
z.B.
* Appallachen: zweizyklische Entwicklung: Orogenesen O.Ordovizium, O.Devon-U.Karbon
Grundaufbau und Zonen siehe Tafel und Beiblätter.
O.Ordovizium: Takonische Orogenese, Anschweißung großer Terrane, insb. von Taconia.
* Sardinien: lag am Nordrand von Gondwana: Randbeckenentwicklung
- unterstes U.Kambrium: Rampe, oolithisch, Siliziklastika von SE
- U. Kambrium: Depositional Margin mit Ooidbarren, dahinter Archaeocyathidenkalke, Vertiefung nach NW
- höheres U.Kambrium: Riftartige Grabenbildung innerhalb der Kabonatplattform, mit Oolithbereichen und Archaeocyathidenplattformen, dazwischen tiefere Bereiche
- Grenze U./Mi.Kambrium: Drowning: Knollenkalke über allen Bereichen
- Mi./O. Kambrium: Siliziklastika, teilweise flyschartig aus NW
- O.Kambrium: Vulkanismus im Norden (Anzeichen für Inselbögen): Tuffe aus NW.
- U-Mi.Ordovizium: Sardische Phase, evtl. Terranakkretion von NW.
(Hinweis: je nach Zeitverfügbarkeit wird das Beispiel Sardinien nur fakultativ behandelt)
* Kaledoniden:
Großbritannien, v. NW nach SE (vgl. Beiblätter)
- Kambrium: N.Engl. Schottland: Laurentia, Subduktion von S. Inselbogenvulkanismus, Siliciklastica | Ozeankruste | Southern Uplands-Terran | Ozeankruste mit mittelozeanischem Rücken | passiver Kontinentalrand Europa (Midland Schelf: Paradoxides-Schiefer, Lingula Flags, Harlech Grits)
- Ordovizium: N.England, Schottland Schelf mit Durnesskalken | Underplating von Southern Uplands, mit Ballantrae Ophiolith | Iapetus | aktiver Kontinentalrand zu Europa mit Graptolithenschiefer, Sandsteinen, Vulkanismus.

(aus Stanley 1987)
Kaledoniden und Vorland in Norwegen / Südschweden (vgl. Beiblätter)
|
Entwicklung im orogenen Gürtel
|
randlich + Vorland
|
O. Ordoviz + Silur
|
Flysch à Molasse
|
Graptolithenschiefer und Trilobitenschiefer; seltener Flachwasserkalke (z.B. Riffe in S. Schweden); viele Schichtlücken
|
M. Ordoviz
|
Flysch: Hovin-Gruppe
oooooooooo Trondheim-Phase
Vulkanitserie, v.a. Tuffite: Stören-Gruppe
|
U. Ordoviz
|
Dictyonema-Graptolithenschiefer
|
Kambrium
|
Alaunschiefer, z.T. Phosphorite
(Alaun: KAl3(SO4)(OH)6 (Gerbsalz, Sekundärprodukt aus Pyrit)
|
Alaunschiefer
Kalke
Sandstein
|
* Paläotethys:
|
Thüringische Fazies ("flach")
|
Bayerische Fazies ("tief")
|
O-Ordoviz
|
Gräfenthaler Schichten:
Eisenoolith
Sandige Schiefer
Eisenoolith (Chamosit)
|
Schiefer, z.T. Sandsteine
|
M. Ordoviz
|
Phycoden-Serie: sandige Schiefer
|
Basalte ("Diabase")
|
U.Ordoviz
|
Frauenbach-Serie: sandige Schiefer
|
Basalte und Schichtlücken
|
Kambrium
|
Grauwacken, Konglomerate, Tone, selten Tuffite
|
Schichtlücken; M.Kambrium: Schiefer
|
Rheinisches Schiefergebirge:
Ab Mittlerem Ordovizium: Schiefer, z.T. Sandsteine, sehr lückenhaft und reduziert; z.B. Plettenberger Tonschiefer.
Hinweis: eine detaillierte Schilderung der Vorgänge in den europäischen Varisziden finden Sie in den nächsten beiden Vorlesungskapiteln (Mittleres Paläozoikum; Jungpaläozoikum). Dort finden Sie auch neueste Forschungsergebnisse zur Entwicklung vom Ordovizium bis Karbon.
Restliche Welt

aus Stanley (1987), leicht verändert.
Gondwana-Rand (z.B. Australien, Antarktis):
Kambrium: Sandsteine und/oder Kalke (z.B. Archaeocyathidenkalke), z.T. Evaporite
Ordovizium: oft Graptolithen-Schiefer
Arabische Länder: z.T. Sandsteinserie von Kambrium bis Unterkreide, mit Schichtlücken ("Nubischer Sandstein" i.w.S.)
Gondwana-Inneres: keine Sedimentation
Sibirische Plattform: Kalke, z.T. Evaporite und Sandsteine
"Angara-Gürtel": U.Kambrium: oft Archaeocyathidenkalke und Sandsteine, darüber Tone, Sandsteine, viele Tuffe und Vulkanite. -> Inselbogensubduktionen
Fenster schließen
Teil von www.palaeo.de/edu/histgeol
letzte Änderungen 13.04.2003 durch R. Leinfelder